In Schleswig-Holstein nahmen die durch Wirtschaftskriminalität verursachten Schäden zu. Die Zahl der zu bearbeitenden Fälle sank.
Kiel. Fast 1000 Aktenordner zu einem einzigen Fall: Die Asservatenkammern im Keller des Kieler Landeskriminalamtes offenbaren, warum Wirtschaftsverfahren oft am längsten dauern. Drei Jahre waren es in einem Fall, der einem Kreditinstitut einen Schaden von 45 Millionen Euro bescherte. „Unter einem Jahr für ein Ermittlungsverfahren mittlerer Güte ist eher selten“, sagte am Freitag in Kiel der Leiter der Wirtschaftskriminalität bei der Bezirkskriminalinspektion Itzehoe, Volker Belz. Einen Gesamtschaden von fast 215 Millionen Euro verursachte Wirtschaftskriminalität im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein.
Dies war deutlich mehr als in den drei Jahren zuvor und wieder so viel wie 2007. Der Schaden aus Wirtschaftskriminalität – die Palette reicht hier von Abrechnungsbetrug über Subventionsverschleppung bis hin zu Betrug bei Immobilien und Kapitalanlagen – ist weit größer als der aus Raub und Diebstahl. Die Zahl der zu bearbeitenden Fälle sank 2011 leicht auf knapp 2500. Die Verfahren sind oft sehr zäh. 56 Beamte von Flensburg bis Lübeck müssen sich damit herumschlagen, nimmt man die Korruptionsexperten hinzu, sind es rund 70. Sie werden besonders intensiv und aufwendig ausgebildet, um den oft sehr professionell agierenden Wirtschaftskriminellen das Handwerk legen zu können – „Waffengleichheit“ ist das Stichwort. „Es ist sehr anspruchsvoll, diese Deliktfelder zu bearbeiten“, sagte LKA-Vize Ralf Höhs.
+++ Bürokratie hilft nicht gegen Korruption +++
Richtig weh tut es Betrügern und anderen Gaunern, wenn es den Ermittlern gelingt, an ihr Vermögen zu kommen – Bargeld, Konten, Häuser, Autos oder auch Luxusuhren. „Der Täter darf die Früchte seiner Taten nicht behalten“, sagte Holzmaier. Doch an das Vermögen zu kommen ist nicht so einfach: In einem laufenden Verfahren muss nachgewiesen werden, dass der Verdächtige es beiseiteschaffen will. Vermögen in Höhe von 2,1 Millionen Euro wurden im vorigen Jahr abgeschöpft, auf 9,5 Millionen belief sich laut LKA der Anspruch. Etwa die Hälfte des kassierten Vermögens fließt laut LKA-Experte Armin Holzmaier an die Geschädigten, der Rest an den Staat.
Ein großes Problem bei der Vermögensabschöpfung: Wenn jemand ein Luxusauto fährt, von dem die Kripo weiß, dass er kein hinreichendes reguläres Einkommen hat, muss ihm nachgewiesen werden, dass er auf illegale Weise zu seinem Geld gekommen ist. Umkehr der Beweislast wäre laut Holzmaier ein gutes Rezept. Dann müsste der Verdächtige belegen, dass alles rechtens ist. Etwas neidisch schauen die Ermittler deshalb in die Niederlande, wo dieses Prinzip gilt. Tendenziell zugenommen hat nach Kripo-Angaben in letzter Zeit der Abrechnungsbetrug im gesamten Bereich des Gesundheitswesens. Kliniken, Pflegeheime oder auch die Physiotherapie seien betroffen, berichtete Kommissariatsleiter Detlef Vierke aus Lübeck.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter forderte mehr Spezialisten für spezielle Bereiche wie Cyber-Kriminalität, Organisierte Kriminalität, Wirtschafts- und Kapitaldelikte. Für diese Spezialisten würden Spezialisten-Laufbahnen bei der Polizei benötigt, auch um ein Stellenhopping einzuschränken. So könnte die Wirtschaftskriminalität langfristig wesentlich wirkungsvoller bekämpft und ihr Schadensumfang erheblich eingedämmt werden, hieß es. (dpa)