Keine gute Ausgangslage für die CDU: SPD, Grüne und SSW wollen in jedem Fall die Dänen-Ampel - und Jost de Jager fliegt erstmal aus dem Landtag.
Kiel/Göttingen/Berlin. Das vorläufige Endergebnis der Landtagswahl in Schleswig-Holstein müsste die CDU positiv stimmen. 30,8 Prozent der Wählerstimmen gingen auf das Konto der Union, die SPD liegt bei 30,4 Prozent. Doch die CDU steht vor einer schwierigen Verhandlungsphase. Für Schwarz-Gelb reicht es nicht (FDP: 8,2 Prozent) und SPD, Grüne und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) sehen eine Dänen-Ampel-Koalition schon als gesetzt an. SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig kündigte entsprechende Sondierungsgespräche an. Zudem hat CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager sein Mandat im Kieler Landtag verloren. Keine gute Ausgangslage.
+++ Der Kubicki-Effekt sichert die acht Prozent +++
+++ Grüne hoffen jetzt auf die Dänen-Ampel +++
„Im Moment ist es richtig, dass Herr de Jager kein Mandat hat“, sagte CDU-Fraktionssprecher Dirk Hundertmark in der Nacht zu Montag. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhält die CDU 22 Direktmandate, genauso viele hat sie nach dem Zweitstimmenergebnis. Die Landesliste, auf der de Jager auf Platz 1 steht, kommt somit nicht zum Tragen. De Jager, der Ministerpräsident werden möchte, trat in keinem der 35 Wahlkreise direkt an. De Jager hatte nach der Wahl die Regierungsbildung für seine Partei als stärkste Kraft beansprucht. Sein Ziel, Ministerpräsident zu werden, könnte er allerdings auch ohne Mandat erreichen. Wenn einer der Parteifreunde sein Direktmandat abgibt, kann der Spitzenkandidat nachrücken.
De Jager hat am Montag dann auch seinen Anspruch auf die Regierungsbildung bekräftigt. „Wir wollen uns dieser Verantwortung stellen“, sagte de Jager vor Sitzungen der CDU-Spitzengremien am Montag in Berlin. Seine Partei habe nach einem sehr starken Schlussspurt die Nase vorn gehabt: „Knapp, aber vorn.“ Damit gehe der Auftrag einher, die Regierung zu bilden. Er rechne mit entsprechenden Gremienbeschlüssen, den anderen Parteien Gespräche anzubieten. Zur Ankündigung der SPD, eine Koalition mit den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) anzustreben, sagte de Jager: „Ich kann ja nicht verhindern, dass die miteinander reden.“ Ob eine solche „Dänen-Ampel“ zustande komme, müsse man aber sehen. Mit Blick auf die gescheiterte Ministerpräsidentenwahl von Heide Simonis (SPD) im Jahr 2005 sagte er, man habe im Land schon einmal erlebt, „dass die Dinge nicht immer klappen müssen“.
De Jager sagte zu seinem nicht erhaltenen Abgeordnetenmandat in Berlin: „Ich bin gewählter Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holsteins. Daran wird sich auch nichts ändern, und insofern werde ich weiterhin die Gespräche führen.“ Der scheidende Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte: „CDU ist Nummer eins, SPD ist Nummer zwei. Und wir brauchen eine stabile Regierung.“
+++ Piraten entern den dritten Landtag in Folge +++
SPD-Spitzenkandidat Albig sagte, CDU und FDP seien klar abgewählt worden, sie hätten mehr als 227.000 Stimmen weniger bekommen als noch 2009. „Deutlicher kann man als Wähler nicht sagen, Schwarz-Gelb wollen wir nicht.“ Albig betonte: „Wir werden einen Koalitionsvertrag zimmern, der fünf Jahre hält.“ Im künftigen Kieler Landtag haben CDU und SPD je 22 Sitze, die Grünen 10, FDP und Piraten je 6 und der SSW 3 Mandate. Albig weiter: „Die alte Ampel ist out, die neue Ampel ist in.“
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht eine gute Basis für eine stabile Regierung zusammen mit Grünen und SSW. „Die Drei werden sich um die Regierungsbildung bemühen“, sagte Gabriel am Montag in Berlin. Der nächste Ministerpräsident von Schleswig-Holstein werde Torsten Albig heißen. Er könne die Diskussion um die Mehrheit von nur einer Stimme für SPD, Grüne und SSW nicht nachvollziehen, sagte Gabriel. Bisher hätten CDU und FDP in Kiel auch nur mit einer Stimme Mehrheit regiert, allerdings sei diese verfassungswidrig gewesen. Das Wahlgesetz und damit die Sitzverteilung im Landtag war wegen der vielen Überhangmandate für die CDU als verfassungswidrig eingestuft worden, so dass Neuwahlen erforderlich wurden. „Jetzt gibt es eine Stimme Mehrheit, die verfassungskonform ist“, betonte Gabriel mit Blick auf die insgesamt 35 Mandate für die drei Parteien.
Auch die Grünen steuern auf ein Dreierbündnis mit Sozialdemokraten und SSW zu. „Ich gehe mit Zuversicht in eine Dänen-Ampel“, sagte Landeschefin Eka von Kalben am Montag im NDR Fernsehen. Die Koalitionsverhandlungen mit SPD und der Partei der dänischen Minderheit würden auf Augenhöhe geführt. Bereits am Morgen war zuvor der Landesvorstand der Grünen zur Beratung des Wahlergebnisses zusammengekommen. „Für mich ist eine Stimme Mehrheit eine Mehrheit“, sagte von Kalben vor Beginn der Sitzung im Kieler Landeshaus mit Blick auf die knappe Mehrheit. Mit einem guten Koalitionsvertrag ließe sich anständig regieren.
In der Finanzpolitik sehe sie allerdings „relativ große Unterschiede zur SPD“, sagte von Kalben. Es gebe in den Koalitionsverhandlungen aber auch andere Punkte, beispielsweise geplante Verkehrsprojekte wie den geplanten Weiterbau der Autobahn 20. Noch diese Woche sollen Sondierungen der Parteien beginnen. Förmliche Koalitionsverhandlungen folgen voraussichtlich kommende Woche, wie von Kalben sagte. Am Abend (17.30 Uhr) wollte in Kiel auch der Parteirat der Grünen zusammentreten, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Dabei wird es dann auch um die Nachfolge von Kalbens als Landeschefin gehen, die erstmals dem neuen Landtag angehören wird. Es hebe mehrere Bewerber, sagte von Kalben. Mit 13,2 Prozent hatten die Grünen bei der Wahl ihr bestes Ergebnis in der Landesgeschichte erzielt.
Grünen-Bundeschef Cem Özdemir betonte am Montag, auch andere Koalitionen hätten bereits erfolgreich mit einer Stimme Mehrheit regiert. „Das diszipliniert auch.“ Er sehe dabei kein allzu großes Problem. Wichtig sei nicht nur eine arithmetische Mehrheit, sondern auch eine inhaltliche. Alle drei Parteien hätten eine gemeinsame Agenda. Özdemirs Ko-Vorsitzende Claudia Roth räumte ein, die Mehrheit für die sogenannte Dänen-Ampel sei „zwar nicht üppig“. Ihre Partei werde aber verantwortlich mit der Situation umgehen. Die Option für einen Machtwechsel in Schleswig-Holstein sei da.
Der SSW hat ebenfalls seine Bereitschaft zum Mitregieren bekräftigt. „Das ist ja der Auftrag im Moment“, sagte Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk am Montag in Kiel. Ihre Partei stehe für ein Dreierbündnis mit SPD und Grünen wie angekündigt zur Verfügung. Am frühen Nachmittag (13.00 Uhr) wollte der SSW-Landesvorstand in Kiel über den Wahlausgang beraten. Knackpunkte in den möglichen Koalitionsverhandlungen sieht Spoorendonk insbesondere bei wichtigen Verkehrsprojekten wie dem Weiterbau der Autobahn 20 und der westlichen Elbquerung. Für beides tritt der SSW ein.
Der neue Landtag konstituiert sich am 5. Juni. Dann wird es voraussichtlich aber noch nicht zur Wahl des neuen Ministerpräsidenten kommen. SPD, Grüne und SSW haben erst jeweils für den 9. Juni Parteitage geplant. Am 12. Juni kommt das Plenum bereits zu einer Arbeitssitzung zusammen. Dann könnte SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig zum Nachfolger des nicht mehr angetretenen Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU) gewählt werden.
Mit Material von dpa/dapd