CDU-Spitzenkandidat trat nicht direkt an. Sein erster Platz auf der Landesliste kommt nicht zum Tragen. Ministerpräsident könnte er dennoch werden.
Kiel/Göttingen/Berlin. Die CDU in Schleswig-Holstein kommt nach vorläufigem Endergebnis bei der Landtagswahl auf 30,8 Prozent der Stimmen und ist somit knapper Wahlsieger. Ihr Spitzenkandidat Jost de Jager allerdings hat sein Mandat im Kieler Landtag verloren - eine skurrile Situation für die CDU. „Im Moment ist es richtig, dass Herr de Jager kein Mandat hat“, sagte CDU-Fraktionssprecher Dirk Hundertmark in der Nacht zu Montag. SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig kündigte unterdessen Sondierungsgespräche für eine Koalition aus SPD, Grünen und SSW an.
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Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhält die CDU 22 Direktmandate, genauso viele hat sie nach dem Zweitstimmenergebnis. Die Landesliste, auf der de Jager auf Platz 1 steht, kommt somit nicht zum Tragen. De Jager, der Ministerpräsident werden möchte, trat in keinem der 35 Wahlkreise direkt an. De Jager hatte nach der Wahl die Regierungsbildung für seine Partei als stärkste Kraft beansprucht. Sein Ziel, Ministerpräsident zu werden, könnte er allerdings auch ohne Mandat erreichen. Wenn einer der Parteifreunde sein Direktmandat abgibt, kann der Spitzenkandidat nachrücken.
Das vorläufige Wahlergebnis bewertete de Jager als „etwas unübersichtlich“. Zu möglichen Koalitionsgesprächen von SPD, Grünen und SSW sagte der CDU-Politiker: „Eine rechnerische Tragfähigkeit eines Bündnisses ist noch keine inhaltliche Tragfähigkeit. Wir werden abwarten, ob die drei Parteien ein Bündnis zusammen bekommen“, sagte er im Interview mit dem Fernsehsender "Phoenix". Es gehe weiter darum, ein Gesprächsangebot offen zu halten.
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SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig will diese Woche seine Koalition perfekt machen. Albig sagte am Montagmorgen auf "radioeins" vom "RBB", er wolle diese Koalition, die sogenannte Dänen-Ampel aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW), schmieden. „Wir haben eine Mehrheit. Mehrheiten sind dafür da, dass man sie umsetzt.“ Er kündigte an, dass diese Woche zunächst in Gesprächen sondiert werde, danach begännen förmliche Koalitionsverhandlungen. „Und wenn wir da einen guten, zukunftsweisenden Vertrag herausbekommen, wird dieser Grundlage für fünf Jahre gute Arbeit sein“, sagte Kiels Oberbürgermeister. Die nur hauchdünne Mehrheit von nur einer Stimme im Landtag sei kein Hindernis. „An der einen Stimme liegt es nie. Es liegt an den Inhalten an den Qualitäten“, sagte Albig. Er verwies auf die Stadt Kiel, wo die SPD ebenfalls seit vier Jahren mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit mit den Grünen und dem SSW regiere.
„Für mich ist eine Stimme Mehrheit eine Mehrheit“, sagte auch Grünen-Landeschefin Eka von Kalben am Montag vor Beginn einer Landesvorstandssitzung in Kiel. Mit einem guten Koalitionsvertrag ließe sich anständig regieren. In der Finanzpolitik sehe sie allerdings „relativ große Unterschiede zur SPD“, sagte von Kalben. Es gebe in den Koalitionsverhandlungen aber auch andere Punkte, in denen Gesprächsbedarf bestehe. Sondierungsgespräche seien für Donnerstag geplant, förmliche Koalitionsverhandlungen folgten voraussichtlich in der kommenden Woche. In der Sitzung des Parteirates am Abend wird es auch um die Nachfolge von Kalbens als Landeschefin gehen, die erstmals dem neuen Landtag angehören wird.
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Auch Grünen-Chef Cem Özdemir ist überzeugt von einer regierungsfähigen Dänen-Ampel. Andere Koalitionen hätten bereits erfolgreich mit einer Stimme Mehrheit regiert, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir am Montag in Berlin. „Das diszipliniert auch“, betonte der Parteivorsitzende. Er sehe dabei kein allzu großes Problem. Wichtig sei nicht nur eine arithmetische Mehrheit, sondern auch eine inhaltliche. Alle drei Parteien hätten eine gemeinsame Agenda. Özdemirs Co-Vorsitzende Claudia Roth räumte ein, die Mehrheit für die Dänen-Ampel sei „zwar nicht üppig“. Ihre Partei werde aber verantwortlich mit der Situation umgehen. Die Option für einen Machtwechsel in Schleswig-Holstein sei da.
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte den Führungsanspruch seiner Partei. Die CDU habe keinen Partner für eine Regierung, sagte Gabriel am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Nun gebe es Gespräche für eine Koalition aus SPD, Grünen und dem SSW. Ein solches Bündnis habe im Gegensatz zur schwarz-gelben Vorgängerregierung eine Stimme Mehrheit, die der Verfassung entspreche, betonte der SPD-Vorsitzende mit Blick auf ein Urteil des Landesverfassungsgerichts. Die Richter hatten das Landeswahlgesetz für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin kam es zu Neuwahlen.
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer rät unterdessen der Union, als Konsequenz aus dem Wahlergebnis in Schleswig-Holstein auf die „eigene Stärke“ zu setzen. Dies sei die „direkte Botschaft“ vom Sonntag, sagte Seehofer am Montag dem Bayerischen Rundfunk. In den vergangenen Monaten sei ständig über das Schicksal anderer Parteien „philosophiert“ worden. Er werde nun dem CSU-Vorstand vorschlagen, „dass wir weiterhin ein starkes Profil zeigen“. Seehofer betonte zugleich: „Ich sage seit Monaten, dass die FDP nicht tot ist, sondern dass sie wiederkommen wird.“ Es gebe „Potenzial“ für den „Liberalismus“ in Deutschland
Bei der Wahl hatte die CDU 30,8 Prozent erzielt, die SPD kam auf 30,4 Prozent. Drittstärkste Kraft wurden die Grünen mit 13,2 Prozent. FDP und Piraten erreichten jeweils 8,2 Prozent. Der SSW ist mit 4,6 Prozent wieder im Kieler Landtag; die Partei der dänischen Minderheit ist von der Fünf-Prozent-Hürde befreit. Die Linke verfehlte den Wiedereinzug mit 2,2 Prozent.
Mit Material von dpa/dapd