Die beiden Spitzenkandidaten Torsten Albig und Jost de Jager stritten im Fernsehen vier Tage vor der Wahl über den Sparkurs des Landes.

Kiel. Ein Stück weit erinnerte die Atmosphäre an rivalisierende Fan-Gruppen im Fußballstadion: Vor dem Kieler Funkhaus des NDR tobte die Auseinandersetzung zwischen Anhängern von SPD und CDU bereits rund 90 Minuten vor Beginn des TV-Duells der Spitzenkandidaten beider Parteien in Schleswig-Holstein. Von Torsten Albig (SPD) und Jost de Jager (CDU) war am Mittwochabend noch lange keine Spur, als Jusos und Junge Union sich als Empfangskomitee bereit machten.

Der Sozialdemokraten-Nachwuchs hatte rote Fahnen und auch einige gefälschte CDU-Wahlplakate dabei. Die Kontrahenten bildeten für de Jager ein Spalier und stimmten lautlos ein rhythmisches „Jost de Jager Ministerpräsident“ sowie „Hier regiert die CDU“ an. Die Jusos konterten mit einem knackigen „Noch“. Während de Jager sich schließlich feiern ließ, nahm Albig einen anderen Eingang.

Vier Tage vor der Landtagswahl im nördlichsten Bundesland stellten sich die beiden Politiker in einem einstündigen TV-Duell den Fragen von NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz. Unterschiede traten vor allem in der Finanzpolitik zutage. Wirtschaftsminister de Jager kündigte an, vorgenommene Kürzungen beispielsweise beim Blindengeld nicht zurücknehmen zu wollen. Albig warf er vor, nur „konkret zu werden, wenn es ums Geld ausgeben geht“. Seine Partei habe durch den harten Sparkurs erst Freiräume für Investitionen geschaffen.

Der Sozialdemokrat hingegen bemängelte bei der CDU fehlenden Gestaltungswillen. Die Union betreibe Politik mit der „Attitüde eines Mathematikers“. Die SPD wolle den Bildungsbereich stärken, weniger Lehrerstellen streichen und das Landesblindengeld auf 300 Euro anheben. CDU-Kritik, die SPD wolle die Gymnasien langfristig abschaffen, wies er kurz und knapp als „Unfug“ zurück.

Weiter enges Rennen im Norden

CDU und SPD liefern sich in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Gesucht wird ein Nachfolger für den scheidenden Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU). Albig liegt bei den Persönlichkeitswerten in den Umfragen vorn. Regieren will er nach der Wahl mit den Grünen, braucht dazu aber voraussichtlich den Südschleswigschen Wählerverband (SSW), die Partei der dänischen Minderheit.

Ein solches Bündnis mit dem SSW funktioniere auf kommunaler Ebene in Kiel gut, sagte Albig. Entsprechende Angriffe der CDU auf ein solches Bündnis im Wahlkampf seien nicht anständig. „Der SSW ist eine Partei wie jede andere.“ CDU-Mann de Jager wies Vorwürfe zurück, Ressentiments gegen die Minderheiten-Partei zu schüren. Gleichwohl sei „eine solche Dänen-Ampel nicht stabil“.

Nach dem Duell zeigten sich beide Seiten zufrieden mit dessen Verlauf. Das Gespräch sei kämpferisch gewesen, sagte de Jager. „Sehr eindeutig“ machte er dabei Vorteile für sich aus. Albig empfand den Verlauf als „ganz okay“. Darüber werde die SPD die Wahl nicht verlieren.

Am frühen Abend hatten zuvor die Spitzenkandidaten der vier kleinen, im Landtag vertretenen Parteien FDP, Grüne, Linke und SSW miteinander debattiert. FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki machte mit Blick auf ein mögliches Dreierbündnis aus CDU, FDP und Grünen einige Gemeinsamkeiten mit den Grünen aus. Derlei Gedankenspiele wies Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck kurzerhand als „Hirngespinst“ zurück.

Politkwissenschaftler Krause lobt sachlichen Ton

Der Politikwissenschaftler Joachim Krause hat den überwiegend sachlichen Ton des TV-Duells zwischen den beiden schleswig-holsteinischen Spitzenkandidaten Torsten Albig (SPD) und Jost de Jager (CDU) gelobt. „Das war eine Wohltat im Vergleich zu Stegner/Carstensen vor drei Jahren“, sagte der Forscher von der Kieler Christian-Albrechts-Universität in einem Interview. SPD-Landeschef Ralf Stegner war 2009 gegen den nun scheidenden Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU) angetreten.

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„Das kann sich für CDU und SPD am Wahltag auf Kosten der kleineren Parteien auszahlen“, sagte Krause. Albig habe in dem Duell stark angefangen, de Jager sei zunächst wegen der unglücklichen Kampagne gegen eine Dänen-Ampel fast hoffnungslos in der Defensive gewesen. „Allerdings hat dann de Jager bei den energiepolitischen, haushaltspolitischen und den wirtschaftspolitischen Themen deutlich mehr Kompetenz gezeigt als Albig, der sich viel zu häufig in Allgemeinheiten verlor.“

In der Bildungspolitik war aus Krauses Sicht keiner der beiden Spitzenkandidaten gut. „Was die Bildungspolitik betraf, ist mir nicht deutlich geworden, wo die Unterschiede zwischen beiden Parteien liegen.“ Er fügte hinzu: „Albig hat im Vergleich zu de Jager aber mehr soziale Kompetenz gezeigt – er vermag es, die Bürger direkter anzusprechen.“

Beide Kandidaten hätten für ihre Parteien Wähler mobilisieren können, glaubt Krause. „Der eine mit Kompetenz, der andere mit kommunikativen Fähigkeiten. Wer dabei für seine Partei relativ gesehen mehr hat herausschlagen können, lässt sich nicht voraussagen.“ (dapd/abendblatt.de)