Wedel. Die Sängerzahl sinkt. Vor allem Männer-Ensembles wie der Spitzerdorf-Schulauer Chor haben es schwer. Sind gemischte Chöre die Rettung?
Sie gehörten zu den Stammgästen des NDR und seines Hafenkonzerts im Radio. Sie traten in der legendären Schaubude auf. Sie haben zwei Langspielplatten herausgebracht und ungezählte kleine und große Konzerte auf den Bühnen in Wedel und anderswo gegeben – doch damit ist jetzt Schluss.
Der Spitzerdorf-Schulauer Männergesangverein ist Geschichte. 1886 hatten 15 Einwohner der Ortschaften Spitzerdorf und Schulau den Chor im Lokal des Herrn Peter Heinson gegründet. In der Schmiede Sauer hatten sie bereits vorher die Pläne dafür geschmiedet. Deshalb prangte bis zuletzt ein Hufeisen im Wappen des Vereins.
Letzter Glanzpunkt: Chorkonzert zum 125-jährigen Bestehen
13 Jahre ist es her, dass die „Spitzerdorf-Schulauer“ ihr letztes großes Jubiläum zum 125-jährigen Bestehen feiern konnten. Fast 60 Sänger waren es damals noch. Doch die Zeichen standen schon damals nicht gut, denn die Glanzzeit mit fast 80 Sängern lag bereits ein gutes Jahrzehnt zurück.
Auch wenn er offen gar nicht so gern darüber redete, plädierte der damalige Chorleiter Helmuth Brügmann dafür, aus dem Männerchor einen gemischten Chor zu machen. Ihm, der zwei Drittel von gut 600 Liedern der Spitzerdorf-Schulauer arrangierte, gefiel die gesangliche Breite von Männer- und Frauen-Stimmen sehr gut.
Mehr als zehn Jahre kämpfte der Schulauer Chor um neue Mitglieder
Doch auch dieser Wandel hätte Stimmen gekostet. Denn nicht jeder Mann wäre da mitgegangen. Stattdessen kämpfte der Verein unter Führung des ehemaligen Polizeibeamten Bernd Schumacher um neue Mitglieder.
Nach Brügmann, der den Chor 1984 übernommen hatte und damit als der dienstälteste Chorleiter in die Geschichte einging, hat der Verein die Arbeit mit verschiedenen Chorleitern und Charakteren probiert, sein Repertoire verändert, gezielt Neubürger und Migranten angesprochen. Doch am Ende hat es nicht gereicht.
Wedels ältester Kulturverein gab bereits Ende 2022 auf
Der Schulauer Gesangverein ist nicht der Erste, der aufgeben muss. Bereits Ende vorigen Jahres hatte der Wedeler Männerchor von 1858 endgültig die Gesangsbücher zugeschlagen.
Die letzten Jahre hatten die Wedeler gemeinsam mit den Heistmern aus der Nachbarschaft gesungen. Doch als zuletzt nur noch sieben Aktive kamen, schlug auch die bis dahin älteste Kulturgemeinschaft der Rolandstadt die Notenblätter zu.
Corona-Pandemie trug zum Sterben der Männerchöre bei
Die Auflagen der Corona-Pandemie haben sicherlich zum Ende dieser beiden Chöre beigetragen. Zum einen brach der Kontakt während der absoluten Sperrzeiten miteinander ab. Zum anderen traf das Virus gerade die älteren Menschen, darunter eben auch viele Sänger.
Weit über Wedel hinaus verbucht die Chorszene in Schleswig-Holstein erhebliche Rückgänge, gerade bei den reinen Männerchören. 260 Chöre mit 5800 Erwachsenen und knapp 1000 Kindern sowie Jugendlichen gehörten im vorigen Jahr dem Sängerbund an. Wenige Jahre vorher waren es noch 330 Chöre mit etwa 9000 Aktiven.
Wo Kinder- und gemischte Chöre stark wachsen
Große Hoffnung macht den Verantwortlichen der Chormusik der wachsende Zuspruch in den jungen Gemeinschaften wie dem Elbkinderchor und vielen anderen Gemeinschaften im Kreis Pinneberg.
Das Beispiel Elmshorn zeigte aber auch, dass es bei Erwachsenen anders geht. Dort hat sich der 1866 gegründete reine Männerchor vor gut zehn Jahren zum Gemischten weiterentwickelt und den Titel Liedertafel gegeben. Sechs Chöre singen mittlerweile unter einem Dach - angefangen vom Vorchor mit den ganz Kleinen bis hin zum Volkslieder-Singkreis.
- Förderbedarf „Bahnbrechendes“: Jede Klasse in Pinneberg bekommt Schulbegleiter
- Pinneberg: 15-Jährige aus Halstenbek ist weiter spurlos verschwunden
- Weltreise-Motorrad in Wedel verschwunden: Diebe stehlen 25.000 Euro teure BMW
Dass Menschen auch in diesen Zeiten gern singen, kann zurzeit jeder und jede bei den Wedeler Musiktagen miterleben. Allein 1000 Menschen beteiligten sich an der Veranstaltung „Wedel singt“. Und wo gesungen wird, da lass Dich ruhig nieder ...