Pinneberg/Wedel. Eine Auftragsarbeit der Pinneberger Künstlerin Gisela Meyer-Hahn ist in Wedel verschollen. Doch wie konnte das passieren?

Es war damals ihre erste künstlerische Arbeit nach ihrem Umzug aus Ratingen in den Kreis Pinneberg. 1993 fertigte die Pinneberger Künstlerin Gisela Meyer-Hahn im Auftrag des Kreises Pinneberg ein großes, schweres Kunstwerk an, das seitdem im Foyer des Krankenhauses Wedel hing.

Jetzt ist es verschwunden und vermutlich im Zuge der Stilllegung des Krankenhauses im August 2020 und dem anschließenden Verkauf der Immobilie an eine Hamburger Investmentfirma entsorgt worden. Meyer-Hahn, die es jetzt gerne in Lübeck ausgestellt haben wollte, ist außer sich: „Das kränkt mich sehr. Immerhin war es meine erste Arbeit hier im Kreis Pinneberg.“

Wedel: 200-Kilo-Kunstwerk verschwindet spurlos in Krankenhaus

Leicht zu übersehen war das Kunstwerk nicht. Ihr Werk aus Textil, Glas und Metall sei dreieinhalb mal zweieinhalb Meter groß und 200 Kilogramm schwer gewesen, sagt die Pinneberger Künstlerin, die vor allem für ihre Lichtinstallationen bekannt ist.

Ihr großflächiges Relief aus Seide, die zwei Spiralen in Spektralfarben im Zentrum hatte, sollte die damalige Philosophie des Wedeler Kreiskrankenhauses künstlerisch illustrieren. Der Titel hieß: „Alles Lebendige entsteht aus dem Wässrigen“, erinnert sich Meyer-Hahn. Damit habe sie in dem Objekt die Nähe zur Elbe thematisieren wollen.

Kreis Pinneberg lobte damals 50.000 D-Mark aus

Es war seinerzeit eine Auftragsarbeit bei dem Wettbewerb „Kunst am Bau“ für den Kreis Pinneberg, der damals noch alleiniger Eigentümer des Krankenhauses in Wedel war. Dort sollte ihr Textilrelief in der 130 Quadratmeter großen neuen Eingangshalle aus künstlerischer Sicht die Harmonie zwischen den Patienten sowie den Ärzten und Pflegekräften in einem geschützten Raum symbolisieren, erklärt Meyer-Hahn.

So berichtete das Abendblatt über die Einweihung des Kunstwerks von Gisela Meyer-Hahn im Krankenhaus Wedel.
So berichtete das Abendblatt über die Einweihung des Kunstwerks von Gisela Meyer-Hahn im Krankenhaus Wedel. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Ihre Arbeit sei damals von zwölf Bewerbungen ausgewählt worden. Der Kreis Pinneberg hätte 50.000 Mark für das gesamte Projekt ausgelobt. „Es war eine sehr aufwändige Arbeit“, erinnert sich die Künstlerin. „Sie bildete auch jahrelang die Grundlage für die Corporate Identity des Hauses. Sehr viele Menschen kannten und schätzten sie.“

Ähnliches Kunstwerk von Gisela Meyer-Hahn steht im Kieler Landtag

Ein ganz ähnliches Werk, noch größer und schwerer als das in Wedel, habe sie etwa zur selben Zeit für das Land angefertigt, das heute noch im Landtag ausgestellt sei.

Als sie dann 2019 davon hörte, dass das Krankenhaus in Wedel geschlossen werden solle, habe sie bei der Geschäftsleitung der Regio Kliniken nachgefragt, was mit ihrem Kunstwerk geschehen solle, sagt Gisela Meyer-Hahn. Daraufhin habe sie erfahren, dass es wohl abgehängt und eingelagert werden solle.

Björn Engholm hatte neue Ausstellungsmöglichkeit organisiert

Dann habe sie nichts weiter gehört, bis sie Ende 2022 erfuhr, dass es wohl nicht mehr in der inzwischen verkauften Immobilie vorhanden sein soll. Das habe sie schwer enttäuscht und geschmerzt, zumal ihr der frühere Ministerpräsident Björn Engholm eine neue Ausstellungsmöglichkeit für das Kunstobjekt in Lübeck vermittelt habe.

Das ist ein Bild des Originals aus dem Krankenhaus Wedel.
Das ist ein Bild des Originals aus dem Krankenhaus Wedel. © Burkhard Fuchs | Dieter Napiwotzki

Regina Hein, Geschäftsführerin der Regio Kliniken, bestätigt, dass sich die Künstlerin Meyer-Hahn nach dem Kunstobjekt erkundigte. „Es wurde 2018, auch auf Wunsch der Künstlerin, abgenommen, da es stark beschädigt war“, erinnert sich die Klinikchefin.

So seien im Laufe der drei Jahrzehnte Defekte am Objekt aus Seide entstanden, für die wohl der Krankenhausbetrieb, der Lichteinfall und das Alter verantwortlich gewesen sein dürften.

Regio Kliniken sahen keine weitere Verwendung für die Kunst

„Der Abnahmevorgang gestaltete sich schwierig und trug nicht zum besseren Zustand des Objektes bei“, so Regina Hein. „Das Objekt wurde dann eingelagert, das hatte ich mit Frau Meyer-Hahn besprochen.“

Die Krankenhaus-Leitung habe der Künstlerin angeboten, ihr das Kunstwerk wieder auszuhändigen, wenn sie es abholen würde, „da wir keine weitere Verwendung dafür sehen und ein Krankenhausbetrieb mit seinen vielen logistischen und vor allem hygienischen Anforderungen auch auf Sicht gesehen keine passenden Rahmenbedingungen bieten kann“, so Klinikchefin Hein.

Eigentümer sei nach Ablauf der Frist der Klinikkonzern

Eigentümer des Objektes seien aber die Regio Kliniken. „Rechtlich stellt sich die Situation so dar, dass auch öffentlich geförderte Gegenstände nach Ablauf der Abschreibungsdauer in das Eigentum des Fördermittelempfängers übergehen.“ Und das waren „in diesem Fall die Regio Kliniken GmbH“, so Regina Hein weiter.

In ihrem Atelier hat Gisela Meyer-Hahn noch diverse Entwürfe für das nun verschollene Werk.
In ihrem Atelier hat Gisela Meyer-Hahn noch diverse Entwürfe für das nun verschollene Werk. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

„Der Eigentümer kann frei über sein Eigentum verfügen. Die angebotene zur Verfügungsstellung ist ein Entgegenkommen unsererseits gewesen“, betont die Klinikchefin. Dieses Angebot aber stellte „keine fortwährende Verpflichtung oder einen kostenlosen dauerhaften standortunabhängigen Einlagerungsvertrag“ dar.

Künstlerin Gisela Meyer-Hahn habe sich nicht gemeldet

Seit Anfang 2019 habe sie von Gisela Meyer-Hahn nichts mehr gehört, so die Klinikchefin. „Da wir drei Jahre keine Rückmeldung von Frau Meyer-Hahn bekommen haben, und dies auch, als medial 2020 sehr breit angekündigt wurde, dass wir den Standort verlassen und planen, diesen zu veräußern, mussten wir davon ausgehen, dass es für sie nicht mehr interessant ist.“

Sie könnte ja verstehen, dass die Künstlerin „eine starke emotionale Bindung zu dem Kunstwerk“ hatte, so Regina Hein. Aber für die Krankenhausleitung stehe die Gesundheitsversorgung der Patienten im Vordergrund, nicht die Einlagerung von Kunstwerken. Das Krankenhaus Wedel sei Ende 2021 „besenrein“ an den neuen Eigentümer übergegangen, so Hein. „Bei der Räumung ist wohl auch das Bild geräumt worden.“

Im Lockdown hatte Gisela Meyer-Hahn andere Sorgen

Der Künstlerin ist ihr erstes Werk im Kreis Pinneberg noch sehr wichtig. Sie habe allerdings während des Corona-Lockdowns als freischaffende Künstlerin „andere Sorgen“ gehabt, erklärt sie, warum sie dort nicht früher wieder nachgefragt hätte. Ihre Auftragsbücher seien in der Zeit plötzlich auf null zusammengebrochen.

„Von einer Zeitfrist einer Einlagerung der Kunst hatte niemals jemand gesprochen“, wundert sich Meyer-Hahn darüber, dass das Kunstwerk offenbar ohne weitere Rücksprache entsorgt worden sein könnte.

CDU-Politiker: „Das ist sehr unerfreulich“

„Ich habe natürlich keine Rechte mehr daran“, sagt die Künstlerin. „Aber mich irritiert gewaltig, dass ich im Glauben gelassen werde, man trägt Verantwortung und lagert das Objekt sicher ein, dann weiß man nicht, wer es haben könnte, und dann sei es ‘eben verschwunden, da ich mich nicht gemeldet habe’.“

In der Kreispolitik sorgt das verschwundene Kunstobjekt ebenfalls für Verärgerung. „Das ist in jedem Fall sehr unerfreulich“, sagt der CDU-Kreistagssprecher und langjährige Kreispräsident Burkhard E. Tiemann. „Wenn Kunstwerke verschwinden, bin ich allergisch.“

Wedel: Kunstwerk ist an neuen Eigentümer übergegangen

Die Kreisverwaltung – der Kreis ist ja weiterhin zu etwa 25 Prozent an den Regio Kliniken beteiligt – teilt dazu mit: „Das Kunstwerk ist beim Verkauf der Immobilie an den Eigentümer Regio übergegangen. Sein Wert ist somit Teil der Erlössumme gewesen. Der Umgang oblag der Geschäftsführung von Regio.“

Die Regio Kliniken hatten sich 2004 aus den ehemaligen Kreiskliniken gegründet, 2009 wurden sie zu 75 Prozent an die Sana AG verkauft.