Wedel. Vereinsauflösung zum Jahresende: Vorstand Michael Koehn findet keinen Nachfolger. Warum er Verwaltung und Politik kritisiert.

Alle reden vom Klimaschutz, doch in Wedel wird der Verein Klimaschutz-Fonds zum Ende des Jahres aufgelöst. Nach 26 Jahren schmeißen die mehr als 50 Mitglieder, darunter auch Wedeler Firmen, hin. Doch warum?

Wedel: Klimaschutzfonds löst sich zum Jahresende auf

Bei einer Mitgliederversammlung Ende August fielen die Wahlen für einen neuen Vorstand mangels Kandidaten aus, auch am 27. Oktober fand sich niemand, der den Job übernehmen wollte. Weitere lose Gespräche brachten keinen Erfolg – nun folgt das endgültige Aus. Im Dezember 2023 wird der Klimaschutz-Fonds Wedel aus dem Vereinsregister gelöscht. „Leider ist es nicht gelungen, Menschen zu finden, die den Klimaschutzfonds Wedel führen möchten“, sagt Michael Koehn, der gemeinsam mit Valerie Wilms nun für die sogenannte Liquidation dieser gemeinnützigen Organisation zuständig ist.

Beim Thema Klimaschutz werde auch in Wedel mehr geredet, als gehandelt. Ist dieser Schritt vielleicht auch eine persönliche Kapitulation? „Man kann es so bezeichnen, ja. Ich habe vor gut sechs Jahren erste Gedanken gehegt, als Vorsitzender aufzuhören. Seit vier Jahren versuche ich nun ganz konkret, Nachfolger zu finden. Vergeblich.“ 14 Jahre Vorstandsarbeit hätten Koehn etwas mürbe gemacht.

Klimaschutzfonds sollte das Thema in die Köpfe der Bürger bringen

Jetzt muss über die Solaranlage auf dem Rathausdach entschieden werden, die bereits 1998 in Betrieb ging. Zwei Drittel der Anlage seien „nach mehr als 20 Jahren ausgefördert, das verbleibende Drittel erhält noch zehn Jahre Förderung“, sagt Koehn. Ein Restvermögen von geschätzt 21.000 Euro wird zum Ende des kommenden Jahres aufgeteilt. Der Großteil davon geht an Grund- und weiterführende Wedeler Schulen, die Schulvereine sowie eine Holmer Grundschule, die weiterhin Klima-Projekte durchführen sollen. Auch die Stadtbücherei für Klima-Literatur und der Verein Streuobstwiese werden noch bedacht. Die umfangreichen Sammlungen von Handys, Korken, PVC-Deckeln oder Kronkorken in der Stadtbücherei sollen möglichst von der Leitstelle Umweltschutz fortgeführt werden.

Die Aufgabe des Vereins – einst nach Ratsbeschluss gegründet worden – war, die Wichtigkeit des Klimaschutzes „in die Köpfe“ der Bürgerinnen und Bürger zu bringen und dort zu verankern. Übermäßig viel Unterstützung hätten Koehn und seine Mitstreiter seitens der Wedeler Verwaltung und Politik aber nicht immer erfahren.

Teile des Vereins: Hartwig Ihlenfeld (v.l.), Karl Hildebrandt, Manfred Schlund, Susann Pauls, Michael Koehn, Jörg Frenzel, Valerie Wilms
Teile des Vereins: Hartwig Ihlenfeld (v.l.), Karl Hildebrandt, Manfred Schlund, Susann Pauls, Michael Koehn, Jörg Frenzel, Valerie Wilms © Privat | Privat

Passagen der Auflösungsschreibens lesen sich wie eine Abrechnung

„Kurz vor der Pandemie hatte der Klimaschutzfonds im Wedeler Rat eine Resolution zum Klimanotstand eingereicht, die dort einstimmig angenommen wurde. In der Versammlung wiesen alle Fraktionen deutlich und manche mit ausschweifenden Reden darauf hin, dass diese Resolution nun von allen, Bürgern und Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft, mit Leben zu füllen sei. Ab diesem Zeitpunkt aber haben sich fast alle Fraktionen und Parteien aus der Mitarbeit im Beirat des Klimaschutzfonds komplett zurückgezogen!“, ärgert sich Koehn in einem Schreiben zur Vereinsauflösung. Einzig die Zusammenarbeit und der Austausch mit dem Umweltbeirat sei „stets zielorientiert und gut“ gewesen.

Auch Stadtpräsident Michael Schernikau habe in vielen Gesprächen vergeblich versucht, eine Nachfolgelösung zu finden. Oft habe es einfach keinen „guten Draht“ zwischen Politik, Verwaltung und Klimaschutzfonds gegeben.

Wedeler Klimaschutzfonds mit verbitterter Abrechnung

Einige Passagen des Schreibens gleichen einer verbitterten Abrechnung. In den vergangenen 18 Jahren sei die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung „sehr komplex“ gewesen. „Oft hatten aktive Mitglieder das Empfinden, es fehle massiv an Unterstützung seitens der Offiziellen, auch an Wertschätzung. Es fiel Mitgliedern oft nicht leicht, ihre ehrenamtliche Aufgabe mit Freunde wahrzunehmen: Selbst als der Klimaschutzfonds Geld für die Klimamanagerin sammelte, gab es keine Unterstützung aus der Verwaltung. Trotzdem waren 9.000 Euro zusammengekommen, der Rest der Fördersumme wurde aus dem Vereinsvermögen beigesteuert“, heißt es.

Bei einer am Nachmittag vom Johann-Rist-Gymnasium organisierten Fridays-for-Future-Demonstration „auf dem Platz vor dem Rathaus ließ sich weder ein Politiker blicken, noch Fachmitarbeiter aus der Verwaltung oder gar Bürgermeister Schmidt“.

Selbst für die Solaranlage auf dem Rathausdach habe der Verein wenig offizielle Unterstützung erhalten. Der Dank gelte „hingegen den Hausmeistern, die den Klimaschutzfonds immer sehr hilfsbereit unterstützten!“.

Klimaschutzfonds in Wedel wurde 1996 gegründet

Am 20. November 1996 war der Verein gegründet worden – auch die Stadtwerke Wedel waren mit an Bord. Der Verein habe in all den Jahren vieles getan und versucht, dem Satzungszweck nachzukommen „und die Menschen in unserer schönen Stadt für Klima und Klimaschutz zu sensibilisieren“, so der Vorsitzende. Es habe viele Aktionen gegeben, etwa die Energietage, die UmweltWoche, zuletzt wurden weitere Aktionswochen aber„ leider durch Corona ausgebremst“, so der Vorsitzende. Es gab Klimaschutz- und Energiespar-Treffs, später Klima-Gespräche mit namhaften Vortragenden wie etwa Professor Hans von Storch (Uni Hamburg), TV-Wetterfrosch Meeno Schrader oder dem damaligen Minister Robert Habeck.

Der Klimaschutzfonds hatte sich stets zu aktuellen Themen in Wedel positioniert, Politiker wurden vor Kommunal-Wahlen nach ihren Klimazielen befragt, oft waren Mitglieder auch in Gremien des Kraftwerks, Wedel-Nord oder im Umweltbeirat präsent. „Vielleicht ist das Format als kleiner Verein mittlerweile einfach generell überholt, beziehungsweise nicht mehr geeignet, Menschen zu interessieren oder zu erreichen. Vielleicht ist die Klimakrise zu groß für die lokal begrenzten Aktivitäten?“, fragt sich Koehn. Möglicherweise motiviere es Klima-Freunde eher, in großen Organisationen mitzuwirken.

Wedel: Klimaschutzfonds sauer über Politik und Verwaltung

Mit 66 Jahren wolle der Freiberufler sich nun vermehrt anderen Projekten – etwa dem Tansania-Projekt der Stadt Wedel – widmen. Er besucht das afrikanische Land regelmäßig. „Leider mit dem Flugzeug, paddeln geht ja schlecht“, sagt er. Trotzdem wisse jeder, wie sehr ihm das Klima am Herzen liegt. „Der Sommer 2022 war wohl einer der heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“, so Koehn. Waldbrände, Ernteeinbußen. „Das alles hätte auch hier in Wedel dazu führen sollen, die Sensibilität zu verstärken und diesen Themenkreis viel mehr in den Fokus zu rücken“, meint der Liquidator.

Leider sei es dem Klimaschutzfonds nicht gelungen, „dies in aktive Unterstützung für den Verein umzusetzen. Sogar das Pflanzen von Bäumen war mangels Flächen schwierig.“ Von der Gebrüder-Humboldt-Schule gespendete Bäume wurden entlang der LSE in Pinneberg gesetzt. „Die Ersatz-Bepflanzung eines Grundstücks am Bullenseedamm wurde aber seitens der Stadt an den Verein Citizens Forrest übertragen“, ärgert Koehn sich über die mangelnde Wertschätzung. Peter Germann, Klima-Manager der Stadt, habe bei vielen Aktivitäten den Klimaschutzfonds nicht einbezogen, „sondern eher Hamburger und Elmshorner Institutionen“ gewählt.