Wedel. Wedeler „Batavia“-Kapitän Hannes Grabau gibt am Wochenende einen aus – und blickt zurück auf fünf bewegte Jahrzehnte.
Das Theaterschiff „Batavia“ liegt seit nunmehr 50 Jahren stets am Brooksdamm in Wedel. Tagein, tagaus. Eine bewegte Vergangenheit hat der Kulturkutter mit Bühne, einem Zuschauersaal für 70 Theater-Fans, integrierter Kneipe, Gaststätte plus Kino und Biergarten am Ufer aber trotzdem. 1972 kaufte Hannes Grabau, heute 83 Jahre alt, das Schiff und taufte es auf den Namen „Batavia“. Es ist der lateinische Name der Niederlande, bis 1946 hieß zudem auch die Hauptstadt von Indonesien Batavia.
Wedeler Theaterschiff „Batavia“ feiert 50-jähriges Bestehen
2022 feiert das Schiff sein 50-jähriges Bestehen als Teil der Rolandstadt. Die große Geburtstagsparty – der Eintritt ist kostenlos – beginnt am Freitag, 5. August, um 17 Uhr. „Hannes gibt einen aus, Klönschnack und Shake Hands“ ist bis 18 Uhr das Motto. Von 19.30 Uhr an tritt dann der dänische Country-Blues-Sänger Max Wolff auf. Auch am Sonnabend gibt es wieder ab 17 Uhr Gratis-Drinks, ehe Justus unplugged Küstenrock serviert. Von 19.30 Uhr spielen Reginas Racy Rocker für das Publikum Oldie-Hits.
Der Sonntag beginnt um 8 Uhr mit einem Flohmarkt, parallel sorgen von 11 Uhr an die Jazz-Musiker vom Uwe Becker Swing Quartett für musikalische Unterhaltung. Um 14 und 16 Uhr tritt dann das „Batavia“-Ensemble auf. Um 14.30 Uhr spielt Hot Asphalt Irish-Folk-Musik. Dann verschenkt der „Batavia“-Besitzer abermals noch eine Stunde von 17 bis 18 Uhr ein paar Getränke.
Udo Lindenberg war schon oft auf der „Batavia“ zu Gast
Um Bier ging es auch manchmal auf der „Batavia“. Schauspieler Hardy Krüger drehte einst einen englischen Werbefilm für den Gerstensaft. Die Szene mit „Hello, Hardy“ und einem frischgezapften Bier mit Probeschluck musste etliche Male wiederholt werden – dies sorgte für heitere Stimmung am Film-Set. Der junge Marius-Müller Westernhagen schaute ebenfalls für einen Filmdreh in Wedel auf der „Batavia“ vorbei.
Udo Lindenberg war auch schon oft bei Vorführungen da. „Aber welche Prominente hier in all den Jahren zu Gast waren, ist doch völlig egal. Ein Udo Lindenberg steht jeden Tag in der Zeitung“, sagt Grabau. Viel wichtiger seien doch die Personen, die das Theaterschiff all die Jahre am Leben halten und mit Leben befüllen. Es gibt zehn Mitarbeiter, etwa für Regie und Technik, sowie einen Pool von etwa 30 Schauspielern – die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche.
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Wedeler „Batavia“: Pippi Langstrumpf ist ein Dauerbrenner
Seine Frau Angelika Strub kümmert sich um das künstlerische Programm und Buchungen. „Das Organisatorische habe ich früher auch selbst gemacht, aber sie macht das besser. Mit dem Internet habe ich zum Beispiel nichts zu tun. Es gibt auch keinen Internetanschluss auf der ,Batavia’. Keiner schreibt mehr einen Brief“, sagt der „Batavia“-Gründer nachdenklich.
Er selbst schon, auch Postkarten, die in regelmäßigen Abständen in der Abendblatt-Redaktion eintreffen. Ein Smartphone habe er jedoch schon, aber er bevorzugt immer die direkte Konversation. Wer etwas möchte, kann auch immer zu ihm auf die „Batavia“ kommen. Das funktionierte meist auch während der Corona-Zeit, wenn es die Maßnahmen zuließen. „Wir sind auch mit den letzten beiden Jahren zufrieden. Wir hatten ein Zelt gekauft, um möglichst viele Aufführungen draußen machen zu können“, erklärt er.
Live, direkt und nah. Gab es in all den Jahren ein ganz besonders beeindruckendes Stück? „Wir hatten mal ein Obdachlosen-Ensemble aus Berlin-Mitte hier, das die Dreigroschenoper aufgeführt hat, das war schon sehr bewegend“, sagt der „Batavia“-Chef. Und dann fliegen einem ein paar Aufführungen beinahe um die Ohren: „Faust, Urfaust, Bella Italia, Lolli Molli, Till Eulenspiegel, Pippi Langstrumpf“, so Grabau. Ganze Generationen seien mit den Stücken in Wedel aufgewachsen. Werke mit Pippi Langstrumpf gibt es auch schon 34 Jahre auf dem Schiff. Das Freilichtkino laut Grabau schon 48 Jahre.
Wedeler Theaterschiff „Batavia“: Bald ein zweites Jubiläum?
Wie viele Vorstellungen hat es denn in all den Jahren über den Daumen gepeilt gegeben? Ist das schätzbar? Grabau schaut überrascht. „Das kann man doch überhaupt nicht zählen. Es waren tausende. Wir feiern einen 50. Geburtstag“, sagt er und wühlt weiter in der Kiste mit den alten Fotos. „Hier, zehn Jahre haben wir auch Dinner for One gemacht. Das habe ich dann auf Plattdeutsch als ‘Eeten för Een’ umgeschrieben“, so die Wedeler Kultur-Legende. Dann hält er plötzlich ein Foto von sich als „Dummer August“ in den Händen, kurz darauf singt er ein Lied von „Hundefänger-Jack“. Ein Treffen mit ihm fühlt sich wie ein ganz eigenes Theaterstück an.
Es geht zu wie im echten Leben. Vieles ist schnell, bunt, wirr, manchmal wild und chaotisch. Spürt er sein Alter eigentlich? „Ich habe keine Schmerzen. Wenn der Vorhang fällt, sind alle Wehwehchen weg“, so Grabau. Sein Sohn Tom Schmitt hat mittlerweile die Kneipe übernommen. Denkt Grabau ans Aufhören? „Solange ich lebe, bleibe ich Kapitän der ,Batavia’“, sagt er voller Energie. Und er hat eine zweite Chance für eine Jubiläumsfeier: Erst 1974 war die „Batavia“ nämlich zum Theaterschiff umfunktioniert worden – also könnte 2024 die Kultur sich erneut hochleben lassen.