Elmshorn/Kreis Pinneberg. Seit 1983 ist Karsten Tiedemann erster hauptamtlicher Geschäftsführer des KSV. Wer ihn nächstes Jahr in Elmshorn ablösen wird.
Weit ist er nicht gekommen. Wenn Karsten Tiedemann heute am Schreibtisch in der Elmshorner Beseler Straße 3 sitzt, kommen manchmal Erinnerungen hoch. Wie er hier 1978 in denselben Räumen Englisch oder Geschichte pauken musste, als das Gebäude noch zur Bismarckschule gehörte. Inzwischen hat der Kreissportverband (KSV) darin sein Hauptquartier, dessen Geschäftsführer der 61 Jahre alte Tiedemann seit nunmehr 40 Jahren ist. Der Elmshorner ist bislang der erste und einzige hauptamtliche in dieser Funktion.
Jubiläum Verbandsfunktionär: KSV-Vorsitzender nennt Tiedemann eine Institution
Diese einmalige Stellung und seine Verdienste für den Sport sollen ausgiebig gewürdigt werden. „Mit seiner umfangreichen Expertise und tiefgreifendem Verständnis für die Belange des Sports hat er den Verband zu einer herausragenden Institution entwickelt“, lobt der KSV-Vorsitzende Sönke-Peter Hansen Arbeit und Wirken Tiedemanns in diesen Jahren. Hansen ist der sechste Vorsitzende, mit dem Sportfunktionär Tiedemann beim Kreissportverband zu tun hat, den er überhaupt erst aufgebaut und zu einem der wichtigsten Förderer und Sprachrohre für den Breitensport in ganz Schleswig-Holstein gemacht hat.
Landessportverband ehrt Tiedemann auch für „die längsten Redebeiträge“
Das weiß auch der Landessportverband mit seinen zurzeit 763.840 Sportlern zu würdigen. Der überreichte dem Arbeitsjubilar Tiedemann über die für den landesweiten Breitensport zuständige Barbara Ostmeier eine liebe- und humorvolle Auszeichnung, die den umgänglichen, immer aussagekräftigen und gut vorbereiteten KSV-Chef in seiner Art ganz gut beschreibt: „Auszeichnung für die längsten Redebeiträge, konstruktive Dazwischenrufe, kreative Denkanstöße, kritische Anmerkungen und den unverzichtbaren Hinweis: ‚Wir in Pinneberg‘“, heißt es darin. Tiedemann habe sich verdient gemacht, „weil er sich unermüdlich für den Sport in Schleswig-Holstein eingesetzt hat.“
Heute betreut Tiedemann 78.987 Sportler in 191 Vereinen
Als er 1983 anfing, hatte der KSV 76.558 Mitglieder; heute sind es 78.987 in 191 Sportvereinen. Der fast drei Jahre andauernde Corona-Lockdown hat den Verband wie überall fast zehn Prozent an Mitgliedern gekostet. Ein Großteil davon konnte für den Sport zurückgeholt werden. Der Höchststand an Mitgliedern wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit 91.424 Mitgliedern erreicht.
Tiedemann ist 1983 ins kalte Wasser geworfen worden – oder mutig gesprungen. Er hatte nach der Schule in der Pinneberger Kreisverwaltung gelernt, wo er im Jugendamt arbeitete und ihn der damalige Kreisjugendpfleger Alfred Fichte unter seine Fittiche nahm. „Er war mein erster großer Mentor“, ist Tiedemann dem Mann dankbar, der auch 25 Jahre bis 1997 die Kreisjugendarbeit maßgeblich prägte.
Von Beginn an kümmert sich Tiedemann um Ferienfahrten und die Sportjugend
Der kaum 20-jährige Tiedemann kümmerte sich um Ferienfahrten und Sportjugend. Dazu gehörte auch das Zeltlager Neukirchen in Bad Malente an der Ostsee, das der KSV seit 1967 mehr als 50 Jahre betrieb und ihm seit 1972 gehörte.
Als das 2019 geschlossen werden musste, weil sich die Belegungszahlen mehr als halbiert hatten, sagte Chefbetreiber Tiedemann: „Wir müssen es verkaufen. Es reißt mir das Herz auf und macht mich traurig.“ So viel Arbeit und Herzblut hatte er selbst in dieses Ferienlager reingesteckt, in dem zuvor bis zu 1700 Kinder 9000 Urlaubstage im Jahr verbrachten. In den Sommermonaten fuhr er fast jedes Wochenende dorthin, baute Zelte mit auf, half bei der Organisation, werkelte im Garten. „Vielleicht habe ich es mit der Arbeit manchmal übertrieben“, gibt Tiedemann zu, der vor ein paar Jahren auch mal eine kleine gesundheitliche Auszeit zur Erholung brauchte.
Durch den Verkauf des Zeltlagers generiert Tiedemann Mittel für eine Sportstiftung
Immerhin gelang es ihm, mit Verkauf des Areals eine Sportstiftung zu initiieren, die mit 420.000 Euro für die Sportverbandsförderung bestückt ist. „Ein großer Trost für mich, so ist Neukirchen nicht ganz weg“, sagt Tiedemann über dieses große finanzielle Erbe, das er in einem Jahr seinem designierten Nachfolger Mark Müller (41) für die Sportförderung hinterlassen wird.
Er sollte erster hauptamtlicher Geschäftsführer des KSV werden, bot ihm der damalige Vize-Vorsitzende Helmut Schultz an, der wie Tiedemann in der Kreisverwaltung arbeitete. Was solle er denn beim Kreisschwimmverband, dachte sich der 21 Jahre junge Tiedemann, weil auf seinen Urkunden als Leistungsschwimmer beim EMTV auch KSV draufstand. Nein, nein, das sei der große Sportverband, erklärte man ihm. Und so fing Tiedemann am 1. Juli 1983 an und löste Helmut Thiel ab, der diese Aufgabe 37 Jahre lang ehrenamtlich von Rellingen aus machte. Anfangsgehalt: 2299,97 Mark brutto.
In der Pinneberger Leuschnerstraße beginnt Tiedemanns Arbeit für den KSV
In der Leuschnerstraße 13 in Pinneberg fing es an. Es gab neue Möbel, 23 Umzugskartons, ein Telefon und einen Tischkopierer. Sonst nichts. „Totenstille“, erinnert sich Tiedemann an den Anfang. Keine 1000 Kollegen wie im alten Kreishaus. Amtsvorgänger Thiel kam anfangs täglich vorbei, um ihn einzuarbeiten und zu unterstützen. Schon bald hatte sich Tiedemann freigeschwommen und erste Akzente gesetzt, gefördert vom neuen KSV-Vorsitzenden Kurt Desselmann, sein zweiter großer Mentor. Ein Jahr später bekam er mit Elke Schröter seine erste Assistentin. Heute sind es vier Mitarbeitende in der KSV-Geschäftsstelle, zwei in Vollzeit und zwei in Teilzeit.
Ein großes Highlight seiner Ära, das den KSV bis heute unabhängig macht und ausstrahlt auf andere Verbände im Kreis Pinneberg, ergab sich 1992 in einem griechischen Restaurant in Pinneberg. Dort traf er auf Landrat Berend Harms und dessen engsten Mitarbeiter Jürgen Tober. Dort entwickelten sie gemeinsam auf einem Blatt Papier die Budgetförderung für den KSV, die später auf den Kreisjugendring übertragen wurde. 427.000 Mark plus Miete erhielt der KSV ab 1993 jährlich für die ersten fünf Jahre. Heute sind es 960.000 Euro.
Schon nach sieben Jahren ruft Tiedemann die Jugendsport-Kulturwochen ins Leben
Der KSV unterstützt Sportvereine, berät sie in allen Angelegenheiten, bildet deren Trainer und Übungsleiterinnen aus und organisiert Jugendsport-Kulturwochen, die Tiedemann vor 33 Jahren ins Leben rief. Von 1988 an wurden auch große Spielgeräte ausgeliehen, die der Verband ab 1991 in seinen Garagen am Drosteipark 9 lagerte. Bis zu 110-mal holten sich die Vereine hier Schwingtücher, Pedalos und andere Großspiele wie die Schokokuss-Wurfmaschine für eigene Feste ab. Das lief vor rund zehn Jahren aus, weil die Vereine das selbst übernahmen.
2001 zieht die Geschäftsstelle in die Friedrich-Ebert-Straße um, wo heute der SPD-Kreisverband residiert, und ist nun seit sechs Jahren im Anbau der Bismarckschule zu Hause, den die Stadt Elmshorn extra für den KSV renoviert hat. „Die Stadt Elmshorn wollte uns unbedingt haben und unterstützt den Verband seit den 70er Jahren“, sagt Tiedemann und lässt den Blick vom Schreibtisch einmal quer durch sein früheres Klassenzimmer schweifen.
Es gelingt ihm stets, für wichtige Projekte finanzkräftige Unterstützung zu finden
Tiedemann ist ein umtriebiger und erfolgreicher Sportfunktionär. Ihm gelang es, für die Jugendsportwochen mit der Sparkasse Südholstein und für „Sterne des Sports“ die VR Bank in Holstein als Finanziers zu gewinnen – und zu behalten. Er initiierte den Sportförderfonds, der Vereine beim Bau von Sportstätten unterstützt. Auf Landesebene gehört er seit 32 Jahren dem Vorstand des LSV für den Breitensport an.
- Der Mann, der dem Sport eine Stimme gibt
- Sportvereine im Kreis verlieren 6000 Mitglieder
- Kreis Pinneberg Drastisch mehr Geld – Millionen-Deal für die Sportvereine
Dort werden die Initiativen aus dem Kreis Pinneberg geschätzt und beachtet, wie die eingangs erwähnte Urkunde beweist. „Wir waren und sind immer in Bewegung und hinterfragen alles“, sagt Tiedemann, der noch ein Jahr lang den Ton angeben wird, was den Sport hierzulande angeht. „Der Kreissport hat mein Leben bestimmt“, sagte er über seine Berufsauswahl, die auch Berufung gewesen zu sein scheint. „Es gab mehr Sonnen- als Schattenseiten. Meine Freude daran, den Vereinen zu helfen, ist ungebrochen.“ Sein Elan ist es sicher auch.