Elmshorn. Adventskalender, Maske 11: Karsten Tiedemann, Geschäftsführer des Kreissportverbands Pinneberg, ist jetzt gefragter denn je.
Karsten Tiedemann, seit 1983 im Kreissportverband (KSV) Pinneberg der Geschäftsführer, ist nicht gerade bekannt dafür, wortkarg zu sein. Als aber die Frage aufkommt, wie Ehefrau Wiebke, seit weit über 30 Jahren mit ihm verheiratet, ihn beschreiben würde, wird es gefühlt mehr als eine halbe Minute ungewöhnlich still in den Räumen an der Beselerstraße in Elmshorn. Der 59-Jährige überlegt. Das soll nicht heißen, dass er es sonst nicht macht – aber die Bedenkzeit des sympathischen Elmshorners Typ Menschenfänger mit sonorer Märchenonkelstimme ist sonst weitaus kürzer. Wie also tickt Karsten Tiedemann aus Sicht seiner Gattin?
„Sie würde sagen, dass ich neugierig und aktiv bin. Und sehr kontaktfreudig. Und meinen Familiensinn würde sie nennen. Und dann würde sie bestimmt auch sagen, dass ich manchmal zu viel an die Arbeit denke.“
„Aus sportlicher Sicht ein düsteres, bedrückendes Jahr“
In diesem besonderen Jahr vielleicht sogar noch etwas mehr als sonst: „2020 ist aus sportlicher Sicht ein düsteres und bedrückendes Jahr. Um es in der Herr-der-Ringe-Sprache auszudrücken: Ich hoffe, dass sich im Frühling 2021 die Schatten wieder heben.“ Für ihn selbst und sein Mitarbeiterteam mit Mark Müller, Kerstin Hemme und Christa Nordwald war es ein „arbeitsreiches, wechselhaftes Jahr voller Veränderungen. Es war beratungsintensiv und kontaktreich.“
Wie auf allen Ebenen drehte die Corona-Pandemie auch die Sportwelt einmal komplett auf links. Nach den Lockerungen im Sommer wurden die Zügel wieder deutlich angezogen. Seit Anfang November ruht der Teamsport. Die Politik auf Landesebene traf Entscheidungen, oft wenig konkret ausgestaltet in ihren Landesverordnungen. Der Kreissportverband Pinneberg – knapp über 180 Sportclubs mit insgesamt gut 80.000 Mitgliedern sind in dieser Organisation vertreten – vermittelte die Informationen weiter und musste seinerseits selbst oft genug nachforschen, was jetzt genau noch erlaubt und was untersagt ist.
Der KSV Pinneberg fungierte als Übersetzer politischer Entscheidungen, der den Interpretationsspielraum der Gesetzestexte minimieren und für klare Fakten sorgen wollte, damit die Vereine stets im Rahmen des Erlaubten blieben. Es gab regelmäßig einen exponentiellen Anstieg der Anrufe, wenn die Landesregierung sportpolitische Entscheidungen verkündete. Zudem gab es aktuelle Texte für Vereinsvertreter und Sportler auf der Homepage des KSV Pinneberg „Es rufen immer viele Vertreter von Vereinen bei uns an, weil die Beratung einfach auch unsere Aufgabe ist. Aber es war in diesem Pandemie-Jahr, in dem gefühlte zehn Landesverordnungen kamen, anders. Die Gespräche waren lang, wir mussten auch trösten. Man hat von so vielen Ängsten gehört wie noch nie in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn“, sagt Tiedemann über die Arbeit am Sorgentelefon.
Ex-EMTV-Geschäftsführer ist ein Gewinn für den Verband
Es hat aber auch Positives gegeben: „Mark Müller, der acht Jahre beim Elmshorner MTV Geschäftsführer war, ist zu uns gekommen. Das ist ein absoluter Gewinn für uns. Er bringt all das mit, was mir klar fehlt.“ Müller hat Erfahrung als Vereinsgeschäftsführer und ist insofern vertraut mit der Ausgestaltung der Sportangebote, der Organisation des Sportbetriebs und der wirtschaftlichen Führung eines Vereins. Der Verband hat Vereins-Know-how erhalten.
Doch irgendwie scheint wie bei allen anderen auch doch eher das Negative zu überwiegen. Das Feriencamp in Neukirchen bei Malente, das seit 1967 vom KSV geführt wurde, und vieles vom Inventar konnte verkauft werden. „Das ist mein traurigster beruflicher Moment. Das war quasi Lebensinhalt und nicht nur Beruf. Das war definitiv mein Baby“, so Tiedemann, der zwar keine eigenen Kinder hat, sich aber darauf verlassen konnte, dass der Rest des Familien-Clans für reichlich Nachschub sorgt.
Die Ungewissheit, wie Sportvereine in diesen schwierigen Zeiten finanziell überleben sollen, treibt den KSV-Chef an. „Gerade die Mehrspartenvereine mit vielen hauptamtlichen Mitarbeitern und Trainern stehen unter erheblichem Druck. Meine Vermutung ist, dass kreisweit leider bis zu 7000 Mitglieder aus ihren Vereinen austreten werden. Es muss Corona-Hilfen für die zweite Welle geben. Aus unserer Sicht hat es zu lange gedauert, ehe Kiel diese Dramatik für die Existenzen der Sportvereine erkannt hat.“ Noch besteht die Hoffnung, dass vor Weihnachten Geld beantragt werden kann. Zumindest steht das auf Tiedemanns Wunschzettel.
Mit 21 Geschäftsführer geworden
Geboren wurde er in der Krückaustadt. Verließ die Bismarck-Schule in Elmshorn 1978 infolge aufkeimender „Lustlosigkeit“ – mittlerweile sitzt er wieder im selben Raum, den er einst nicht mehr sehen wollte, denn die Geschäftsstelle ist in seinem alten Klassenzimmer. Zunächst absolvierte er eine Ausbildung in der Kreisverwaltung zum Verwaltungsfachangestellten und war in der Jugendgerichtshilfe tätig. Später war er in der Jugendpflege aktiv und hatte erstmals mit Jugendgruppen, Vereinen, Zeltlagern und Ausflügen zu tun. Aus dieser Tätigkeit heraus wurde er angesprochen, ob er nicht Geschäftsführer des KSV Pinneberg werden möchte. Mit damals noch 21 Jahren ging es flott die Karriereleiter hoch. Karsten Tiedemann war der erste hauptamtliche Geschäftsführer eines Kreissportverbandes in ganz Schleswig-Holstein.
Im Mittelpunkt steht er nur gern, wenn es einer sinnvollen Sache dient. Für andere hat sich Tiedemann aber schon immer gern eingesetzt, auch als Klassensprecher. „Ich habe immer eher gern für andere gekämpft als für mich“, so der ehemalige EMTV-Schwimmer, Abteilungsleiter und EMTV-Vorstand, der aufgrund eines chronischen Nackenleidens regelmäßig Reha-Gymnastik macht.
Mit der Stimme wäre auch eine Radio-Karriere denkbar
Sich auch mal zu schonen und die Arbeitswut etwas einzudämmen – das musste Tiedemann erst lernen. Dies funktioniert auch gut mit einem Glas Rotwein (Favorit: Filieri Rosso aus Sardinien), in der eigenen Sauna oder im Garten. Der Fan von guter Satire und rockiger Musik – unter anderem Deep Purple, ACDC, Electric Light Orchestra – trifft sich gern mit Freunden zum Essen und – wie soll es anders sein – schnacken. Aufgrund seiner angenehmen Stimmfarbe wird Tiedemann, der ohne den KSV „vielleicht beim Radio gelandet“ wäre, regelmäßig für Moderationen angefragt – und sagt viel davon ab.
Es muss eben schon passen. So wie mit dem KSV Pinneberg und Karsten Tiedemann. Diese Partnerschaft soll noch weitere dreieinhalb Jahre gehen – mit mehr Licht als Schatten. So, wie er es sich für alle am Sport Beteiligten für 2021 wünscht.