pINNEBERG. Auf Kunstrasenplätzen – auch im Kreis Pinneberg – ist gesundheitsgefährdendes SBR-Granulat aus Autoreifen verbaut. Andere Clubs setzen auf Kork
„45.000 Euro. 15 Euro pro Quadratmeter.“ Beim Architekten seines Vertrauens hat Andreas Wilken, Fußball-Abteilungsleiter von Blau-Weiß 96, nach den voraussichtlichen Sanierungskosten gefragt. Es geht um das mittlerweile als gesundheitsschädigend eingestufte SBR-Granulat aus geschredderten Autoreifen auf dem kleinen Trainingsgelände am Schenefelder Stadion Achter de Weiden. Die EU plant ein Verbot von Gummigranulat, das als einer der größten Verursacher von Mikroplastik gilt, auf Kunstrasenplätzen. 2022 soll das Gesetz in Kraft treten.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht den Breitensport in Gefahr und setzt sich für eine Übergangsfrist von sechs Jahren ein. Und dann? Bei der SV Lieth läuten die Alarmglocken.
„Im Moment haben wir Urlaubszeit. Danach werden wir uns aber sofort mit dem Thema beschäftigen“, kündigt die stellvertretende Vorsitzende Maike Sommer an. 2014 war der mit Gummigranulat versetzte Kunstrasen in Klein Nordende für 630.000 Euro gebaut worden. Die SV Lieth verpflichtete sich, die Kosten für die erste Erneuerung der Oberschicht nach zwölf Jahren – mindestens 150.000 Euro – selbst zu tragen. „Wir hatten von Anfang an damit begonnen, dafür zu sparen“, versichert Sommer. Kommt auf den Club und die Gemeinde jetzt eine noch höhere finanzielle Belastung zu? Fußball-Abteilungsleiter Bo Hansen fordert Bestandsschutz. „Schließlich ist unser Platz seinerzeit nach gültigen gesetzlichen Bestimmungen hergestellt worden.“ Sinn mache das Verbot Hansens Ansicht nach allenfalls beim Bau neuer Kunstrasenplätze.
„Ich hatte das alles geahnt“: Beim SSV Rantzau ist der stellvertretende Vorsitzende Günter Thiel des SSV Rantzau froh, dass er vor einem Jahr beim Kunstrasen-Projekt an der Düsterlohe Kork anstatt Gummi befürwortete. „Die 24. 000 Euro Mehrkosten zahlen sich nun aus.“ Bei hohen Außentemperaturen habe er auf dem Klaus-Waskow-Platz der SV Lieth eine „Dunstglocke“ aufziehen sehen. Gift vor allem für Kinder?
Jan Ketelsen, der zwei Herrenteams des 1. FC Quickborn auf Kunstrasenplätzen der älteren Generation am Ziegenweg und im Holstenstadion trainiert. macht sich keine Sorgen um die Gesundheit der kleinen und großen Sportler in den kurzen Hosen. „Wir haben andere Probleme als Mikroplastik auf unseren Fußballplätzen“, sagt er. „Die ganze Diskussion ist doch absurd, wenn ich an die Abermillionen von Plastikflaschen im Umlauf denke.“
Am 10. Juni hatte Union Tornesch das Entscheidungsspiel um den Oberliga-Aufstieg gegen den VfL Lohbrügge auf dem Kunstrasen des Eimsbütteler TV 2:1 gewonnen. Fotos zeigen, wie das Gummigranulat hochgewirbelt wurde. In ihrem Sportpark „Torneum“ mit fünf Kunstrasen-Plätzen, der im Januar 2015 eröffnet wurde, kicken die Tornescher ausschließlich auf Natur-Füllstoffen (Kork). „Von vornherein hatten wir alle uns bekannten gesundheitlichen Risiken ausgeschlossen. Wir werden die letzten sein, die sich mit der drohenden EU-Verordnung beschäftigen müssen“, sagt Torneum-Vermarkter Frank Mettal.
Der VfL Pinneberg setzt ebenfalls auf Naturstoffe. Sofern der Sportausschuss der Stadt am 4. September die Kunstrasenwünsche des Großvereins absegnet, kommen im Stadion I Quarzsand und ein Korkgemisch sowie später im für die Hockeyabteilung bestimmten Stadion II Sand oder Wasser zum Einsatz. „Nach jetzigem Stand werden wir allen Vorschriften gerecht“, betont VfL-Geschäftsführer Uwe Hönke. Um die Fußballabteilung konkurrenzfähig und die Begeisterung der Hockey-Spieler aufrecht zu halten, sei der Umbau, der im Sommer 2020 erfolgen soll, unumgänglich.
Bei der SV Halstenbek-Rellingen bedauert der Vereinsvorsitzende Hans Jürgen Stammer längst nicht mehr, dass sich sein Traum von einem Kunstrasen auf dem Jacob-Thode-Platz aus finanziellen Gründen nicht umsetzen ließ. „Ich habe mal beim Spiel unserer zweiten Mannschaft in Heidgraben beobachtet, wie kleine schwarze Gummiperlen vom Kunstrasen in die Kanalisation flossen. Da fing ich an, mir Gedanken zu machen.“ Für den Clubchef steht fest, dass die Spielfelder aus Plastik auch dem Erdreich darunter schaden. Die Stadt Barmstedt präsentierte dem SSV Rantzau aus ökologischen Gründen sogar eine Rechnung und forderte für den Bau des Kunstrasens eine „Ökoausgleichsabgabe“ in Höhe von 10.000 Euro.