Pinneberg. Pinneberg will zwei Plastik-Sportplätze bauen. Die Politiker wägen bei ihren Beratungen auch Gefahren für Mensch und Umwelt ab.
Es könnte so schön sein: Nie mehr auf Grandplätzen Schürfwunden mit scharfen Steinchen drin, und keine Gelenkschmerzen nach einem Spiel auf hartem Sommer-Rasen. Kunstrasen lautet das Zauberwort, bei dem Sportlerherzen erst mal höher schlagen, Vereine und Schulen, die mit permanenter Turnhallen-Knappheit kämpfen, bereits jetzt jubeln, weil künstlicher Rasen das ganze Jahr über rund um die Uhr bespielbar ist. Vor gut einem Jahr hat die Pinneberger Ratsversammlung den Sport-Entwicklungsplan verabschiedet. Die Phase der Umsetzung ist angebrochen.
„Pinneberg bräuchte drei bis vier Kunstrasenplätze, um die Engpässe bei den Hallen zu entzerren“, sagt Uwe Hönke, Geschäftsführer des VfL Pinneberg. Der Fußballplatz am Stadion 1 sei zum Beispiel nur vier bis fünf Monate jährlich bespielbar, und für die Hockeymannschaft gebe es „einen existenzbedrohenden Engpass“, da die Sportler in Norderstedt trainierten, „das ist langfristig unhaltbar.“ Alle Parteien haben sich erst mal für zwei Kunstrasenplätze in den Stadien 1 und 2 stark gemacht.
EU-Behörde prüft Granulat auf Gefährlichkeit
Bei aller Euphorie machen sich in Politikerkreisen inoffiziell aber erhebliche Bedenken breit: Wie ist die Haltbarkeit? Wie gefährlich sind die Kunststoffe für die menschliche Gesundheit und die Umwelt? Die unabhängige EU-Behörde „European Chemicals Agency“ (ECHA) in Helsinki konstatiert, dass die handelsüblichen Granulate für Sportplätze viele potenziell gefährliche Substanzen wie thermoplastische Elastomere, Polyethylene, Polycyclische aromatische Hydrokarbonate (PAH) und Weichmacher enthalten. Jedoch nur in „sehr wenig besorgniserregender“ Menge.
Allerdings haben die Niederlande im Juli 2018 bei der ECHA, die europaweite Verbote und Beschränkungen erarbeitet, den Vorschlag eingereicht, Granulate nur dann zuzulassen, wenn sie weniger als 17 Milligramm pro Kilogramm der acht verschiedenen PAHs enthalten.
„Wir werden fortfahren, die gesundheitlichen Auswirkungen weiterer Substanzen, die in den Verfüllungen auf Sportplätzen enthalten sind, und potenziell auch deren Auswirkungen auf die Umwelt im Auge zu behalten“, sagt Paul Trouth von der ECHA. „Die Untersuchungen könnten künftig zur Beschränkungen führen.“
Auch das renommierte Fraunhofer Institut Umsicht in Oberhausen erforscht die Auswirkungen von Plastik. In einer Studie ermittelten die Autoren 51 Mikroplastikquellen: „Verwehungen von Sport- und Spielplätzen liegen ganz vorn“, heißt es in der Studie. Das Problem: Durch Regen und Wind werden Makro- und Mikroplastik in die Ökosysteme gespült: „Mikroplastik akkumuliert in aquatischen Systemen und kann diesen bis heute mit keiner bislang auf dem Markt verfügbaren Technologie wieder entzogen werden“, heißt es in der Studie.
Deshalb „favorisieren wir den Einsatz wirkungsvoller Verwertungs- und Entsorgungskonzepte für Kunststoffe, um den Mikroplastikeintrag an der Quelle direkt zu vermeiden.“ Alle Beteiligten an der Studie seien sich bereits jetzt einig, „dass die Kunststoffe in der Umwelt reduziert werden müssen.“ Die niedersächsische Landesregierung hat das Problem erkannt und bereits Arbeitsgruppen zum Thema gebildet: „Man muss sich intensiv Gedanken machen, was man mit den Wasserabläufen der Kunstrasenplätze macht“, zitiert die Neue Presse den CDU-Umweltspezialisten Martin Bäumer.
Pinnebergs Sportplätze könnten absacken
In Pinneberg kommen erschwerend die schwierigen Bodenverhältnisse in den Stadien 1 und 2 hinzu, da sie „erhebliches Setzungspotenzial“ haben, erklärt Stadtsprecherin Maren Uschkurat: „Dieses hängt mit der Zusammensetzung des Baugrundes zusammen, wo der Anteil an organischer Substanz zu hoch ist.“ Es bestehe die Gefahr, dass sich die organische Substanz zersetze und schrumpfe: „Dies hätte eine Absenkung der Spieloberfläche zur Folge.“
Rainer Reischuck vom Pinneberger Umwelthaus meint: „Ökologisch ist die Lebensbilanz von Plastik-Sportplätzen verheerend.“ Das ist auch die Hauptaussage eines Artikels im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, erschienen im Oktober 2018. Dieser plädiert nach einer ernüchternden Bilanz der ökologischen Schäden von Kunstrasenanlagen für den Naturrasen: „Während ein Naturrasen bei guter Pflege unbegrenzt hält, muss der künstliche Belag nach zehn bis zwölf Jahren komplett erneuert werden.“
Reischuck beruft sich darüberhinaus auf einen niederländischen Sender, der herausgefunden habe, dass „auf Kunstrasenplätzen nach Stürzen, Ausrutschern und dadurch entstandenen Verbrennungen auf der Haut krebserregende Stoffe nachzuweisen seien“.
Von gesundheitlichen Risiken einiger Granulate weiß der eine oder andere Pinneberger Politiker, weniger aber von den ökologischen Folgen, die sich indirekt ebenfalls auf die Gesundheit von Mensch und Tier auswirken können. Die Fraktion von Grünen&Unabhängigen möchte nun nachhaken: „Die Anzahl der Standorte ist beschlossene Sache. Uns geht es aber um das Granulat. Der Bodenbelag ist umstritten“, sagt Joachim Dreher, Fraktionsvorsitzender. Und: „Wir möchten den VfL zum Gespräch in die Fraktion einladen.“
Was Problemstoffe im Granulat angeht, so sei es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen, meint auch Herbert Hoffmann (SPD): „Nichts ist teurer, als wenn Schrott eingekauft wird. Das ganze Problem wird mit Sicherheit Bestandteil der weiteren Beratungen sein.“ Weniger kritisch reagiert zunächst Jürgen Jacob (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses: „Der Umwelt schadet alles. Und wenn wir weiter einen Naturrasen haben, dann muss der auch einmal in der Woche gemäht und gedüngt werden. Das ist alles gegenzurechnen.“ Dennoch sagt auch er: „Um Umweltfragen müssen wir uns kümmern. Da muss man dran bleiben. Billige Lösungen kosten am Ende immer mehr.“
Politiker haben auch steigende Kosten im Blick
Die Stadt Pinneberg werde „selbstverständlich bei der Planung und Realisierung neuer Sport- und Spielflächen die gesetzlichen Vorschriften und aktuelle ökologische Erkenntnisse berücksichtigen“, sagt Rathaussprecherin Maren Uschkurat. Es geht also weniger um das Ob als um das Wie. Zur nächsten Sitzung des Ausschusses für Kultur, Sport und Jugend am 6. Februar (18.30 Uhr, Rathaus) wird derzeit in der Verwaltung eine Beschlussvorlage erarbeitet.
In der wird es auch um die Kosten gehen. Werner Mende (FDP) fragt sich schon jetzt, ob ein eine Million Euro teurer Hockeyplatz für 185 Mitglieder beim VfL wirklich sinnvoll ist, der jetzt wegen der Notwendigkeit aufwendiger Bewässerung auch noch erheblich teurer wird: „Das Ganze war von Anfang an schöngerechnet“, so Mende. Damit spielt er auf die Kostensteigerung an, die sich abzeichnet (wir berichteten).
Die verteuerten neuen Plätze zu finanzieren, darin sieht Herbert Hoffmann (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Kultur, Sport und Jugend, kein Problem: „Wir wollen die Kunstrasenplätze. Das ist unser erklärtes Ziel. Sportförderung ist aber nicht zum Nulltarif zu haben. Durch Verschiebungen im Haushalt lassen sich solche Kostensteigerungen regulieren.“