Elmshorn/Barmstedt. Dem Barmstedter Talent wird das Highschool-Stipendium verlängert. Zurzeit ist der 17-Jährige zu Hause; er trainiert und spielt hier

Anfang September begann für Erik Bockisch das Abenteuer USA, inklusive eines Vollstipendiums an der Salisbury Highschool (US-Bundesstaat Connecticut). Zurzeit macht der Footballer Urlaub in Deutschland bei seiner Mutter Birgit in Bullenkuhlen und trifft seine alten Freunde. Bis zu drei Jahre kann er an einer der teuersten Privatschulen der Vereinigten Staaten an seiner persönlichen Bildung und sportlichen Ausbildung feilen – ohne in sein eigenes Portemonnaie greifen zu müssen. Er hat nun die Zusage, dort das Jahr 2020 verbringen zu dürfen.

Seine schulischen Leistungen stimmen, auch die Football-Coaches sind mit dem 17 Jahre alten, 1,94 Meter großen und 130 Kilo schwerem Bockisch zufrieden, sodass er von Ende August an die 11. Klasse in der Schule und auf dem Feld seine Gegenspieler attackiert. Nach seinem Realschul-Abschluss an der Gottfried-Semper-Schule in Barmstedt, die er mit der Abschlussnote 2,3 beendet hatte, wiederholte in den USA die 10. Klasse.

Gibt es etwas, was er vermisst? „Das Essen, die norddeutsche Art und natürlich auch die Familie“, sagt er. Auch wenn es in der Kantine größtenteils gesundes Essen sowie Obst und auch eine Salat-Bar gebe, was nicht unbedingt überall so sei. Die oftmals übertriebene Art der US-Amerikaner ist für einen in Barmstedt aufgewachsenen Jugendlichen etwas anstrengend. „Das ist oft so aufgesetzt freundlich“, sagt Bockisch mit einem Achselzucken, wohlwissend, dass an diesem Way-of-Life, der bisweilen Richtung vollendete Oberflächlichkeit abdriftet, nicht zu rütteln ist.

Mit Mutter Birgit oder Vater Ralph hat er in seiner Abwesenheit telefoniert. „Meist sonntags, aber auch nicht jeden“, sagt Bockisch, der als Left Tackle und Right Guard in der Offensive-Line spielt und in der Abwehr als Defensive Tackle eingesetzt wird. Einer wie Erik Bockisch will einfach nicht übertreiben. Nicht so viel schnacken, sondern einfach machen.

20 Highschools haben sich für den 15-Jährigen interessiert

Als er im Vorjahr an die Highschool kam, gab es drei Trainingseinheiten täglich. „Das war schon hart. Auch weil es zusätzlich zum Sport sehr, sehr heiß war. Außerdem musste ich in der Pre-Season das Playbook lernen“, erzählt Bockisch, der bei einem „Gridiron Imports“-Camp des ehemaligen deutschen NFL-Profis Björn Werner teilgenommen hatte, und sich als damals 15-Jähriger auch gegen bis zu vier Jahre ältere Gegenspieler behaupten konnte. Die anwesenden US-Scouts waren angetan. Über 20 High­schools zeigten Interesse. Bockisch entschied sich für Salisbury und einen ziemlich durchgetakteten Tag. „Wir haben bis 15 Uhr Schule, dann wird bis 18 Uhr trainiert. Fünfmal in der Woche. Danach mache ich meine Hausaufgaben und gehe ins Bett“, sagt der Exil-Barmstedter.

Schule läuft gut – keine Note ist schlechter als eine Zwei

Anfangs habe er mit der Sprache vor allem in Mathe und Physik noch so seine Probleme gehabt, mittlerweile laufe es aber sehr gut. Und Bockisch ist ehrlich: „So schwer ist die Schule nicht, meiner Meinung nach.“ Bei den sechs Fächern (Mathe, Physik, Englisch, Spanisch, Geschichte und Religion/Philosophie) ist die Note 2 die schlechteste, dazu gesellen sich vier Einsen und eine 2+.

In der abgelaufenen Saison lief es für das Football-Team Salisbury Knights im Vergleich zur Vorsaison gut. „Von acht Spielen haben wir fünf gewonnen, die anderen knapp verloren. Davor gab es einen Sieg und sieben Niederlagen“, so Bockisch, der bei Angriffsspielzügen den Weg an vorderster Front freiblockt, damit die Mitspieler punkten können. Das Niveau in den USA sei doch erheblich höher als hierzulande: „Dort sind alle Spieler nochmal schneller und stärker.“

Die Coaches sind zufrieden mit dem Deutschen. „Ich glaube, dass es immer besser geht“, sagt Bockisch, der sich ein Zimmer mit einem Kanadier teilt. Als die Footballer im Winter pausierten, probierte sich Bockisch als Ringer aus: „Das war extrem anstrengend und hat mir nicht so viel Spaß gemacht.“ Im Frühling geht es für ihn mit der Mannschaftssportart Lacrosse weiter, bei der ein Hartgummi-Ball mit einer Art Kescher in ein Tor geworfen wird. „Ich bin in der dritten Mannschaft, ganz entspannt“, sagt er mit einem Lächeln.

Wie es mit ihm in der Zukunft weitergehen soll? „Ich möchte möglichst einen guten Highschool-Abschluss nach der 12. Klasse machen, um dann ans College zu kommen. Damit hätte ich weiter die Chance, auf einem professionellen Level Football zu spielen“, erzählt Bockisch. Falls es mit dem Football als Beruf nicht klappen sollte, möchte er „etwas machen, was mich glücklich macht“. Ob er sich vorstellen kann, sein ganzes Leben in den USA zu verbringen. „Vincent Sprenger aus Hamburg, der auch an der Salisbury Highschool ist, meinte mal, dass er sich vorstellen könne, in den USA zu leben, aber nicht zu sterben. Das trifft es ganz gut.“

Bockisch trainiert auch hier und spielt für die Fighting Pirates

Um den Traum, Football-Profi zu werden, eventuell verwirklichen zu können, arbeitet Bockisch auch in Elmshorn hart. Er trainiert zweimal wöchentlich mit dem U19-Team der Pirates und spielt bis zu seiner Abreise auch mit. Am Sonnabend gewannen die Nachwuchspiraten gegen die Braunschweig Lions mit 60:14. Fünfmal ist er derzeit im Fitness-Studio, damit er als eher schwerer Junge die für seine Position nötige Kraft und Explosivität an den Tag legen kann.

Salisbury ist ein eher dörflich geprägter Ort. Oder um es in Bockisch’ Worten zu sagen: „Es gibt unsere Highschool und dann im Umkreis von sechs Kilometer Nichts.“ Er hat dort mit dem Angeln angefangen. „Und ich schlafe echt viel.“ In diesem Moment huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Fast klingt es so, als ob es dort zu langweilig sein könnte oder er sich unwohl fühle. Aber Bockisch ist einfach herrlich pragmatisch und unaufgeregt. „Das Ambiente an der Schule ist top. Von Anfang an waren alle nett zu mir und haben mir geholfen. Ich verstehe mich wirklich mit den meisten echt gut und habe Spaß.“

Er kann sich im Football enorm weiterentwickeln – nur das scheint zu zählen. Alles andere ist nicht komplett egal, aber momentan einfach nicht so wichtig. „Ob ich durch meinen Aufenthalt jetzt ein großes Stück erwachsener geworden bin, weiß ich nicht. Aber ich bin schon erwachsener geworden“, sagt der 17-Jährige. Und vielleicht wird sich der Prozess ja noch fernab der Heimat bis 2021 – und ab dann am College – weiter beschleunigen. Aber immer ganz entspannt...