Pinneberg. Schon 120 junge Frauen in acht Teams sind in Pinneberg am Ball. 2019 will der Verein dann ein Damenteam zum Punktspielbetrieb anmelden.
Bis zum Jahr 2010, als Sven Lempfert (44) seinen Stiefsohn Nico bei den F-Junioren anmeldete und sich auch gleich notgedrungen als Betreuer zur Verfügung stellte, war der Fußball im VfL Pinneberg eine Männerdomäne. Celine und Marlene spielten mit den Jungen zusammen und verrieten Talent, vermittelten ihm jedoch den Eindruck, sich nicht optimal aufgehoben zu fühlen. „Bau doch was auf, wenn du willst“, riet ihm der damalige Jugendleiter.
Das machte Lempfert. Die Grund- und Gemeinschaftsschule an der Richard-Köhn-Straße und die Helene-Lange-Schule gaben ihm die Erlaubnis, in den Klassenzimmern Handzettel zu verteilen. Im Mai 2011 erschienen immerhin 25 Mädchen zum Probetraining auf dem Jahnplatz. Im Winter 2011/12 spielte das damalige E-Team, heute die C-Juniorinnen (zwölf bis 14 Jahre alt), seine erste Hallenrunde. Die Nachwuchskickerinnen des VfL Pinneberg fallen nicht nur sportlich, sondern auch optisch auf. Alle haben auf ihren blau-roten Trikots einen besonderen Aufdruck: „Because I am a Girl“ (Weil ich ein Mädchen bin). Damit erinnern sie auch an die gleichnamige Kampagne, die unterdrückten Mädchen und jungen Frauen in aller Welt eine Stimme gibt und den Welt-Mädchentag unterstützt.
Seit dieser Turnierserie stieg das Interesse am Mädchenfußball in Pinneberg. „Zwei Jahre später hatten wir 80 Mädchen.“ Da wirkte schon ein neuer Jugendwart (Dirk Schulze), der sich für die Mädchen stark machte.
Inzwischen sind 120 Spielerinnen für den VfL in acht Teams am Ball. Der Hamburger Fußball-Verband hat den 1. Mai zum „Tag des Mädchen-Fußballs“ ausgerufen. Jugendleiter Sven Lempfert stellt sich die Veranstaltung des VfL auf der Kampfbahn B (An der Raa 11) in Pinneberg dann wie folgt vor: „Unsere 120 Mädchen bringen alle ihre besten Freundinnen zum Spielen oder zum Zusehen mit. Ich kann mir vorstellen, dass einige dann Gefallen am Fußball finden werden.“
2014 wurde noch die SV Halstenbek-Rellingen (drei Mädchenteams) vom Verband mit 5000 Euro für erfolgreiche Arbeit im Mädchen- und Frauenfußball belohnt. „Mittlerweile sind wir unangefochten die Nummer eins im Kreis“, sagt Sven Lempfert, der Schulze 2016 als Jugendleiter ablöste. Ein Geheimnis des Booms scheint zu sein, dass er die Auswahl der Trainer sehr sorgfältig vornimmt und kompetente Eltern einbindet. Um nur drei Beispiele zu nennen: Maximilian Gloszat, der die B-Mädchen in der höchsten Hamburger Spielklasse coacht, stammt aus einer fußballbegeisterten Kummerfelder Familie. Der Tangstedter Nils Dröge kickte früher in der Oberliga und in der Landesliga (SC Egenbüttel). Jetzt trainiert er auch Tochter Lenja als Trainer der C-Juniorinnen. Aus Stefan Koeberer, Torwart aus Leidenschaft, wurde ein Trainer aus Leidenschaft – von Tochter Hannah und den E-Mädchen, die am 17. Februar die Hamburger Hallenmeisterschaft errangen.
Sven Lempfert hofft auf eine Nationalspielerin vom VfL
Der gebürtige Magdeburger Lempfert hat einen Traum. „Eines Tages möchte ich bei einer Partie der deutschen Frauen-Nationalmannschaft vor dem Fernseher oder im Stadion sitzen und über eine Spielerin sagen dürfen: Seht mal, die hat früher bei uns mit dem Fußball angefangen. “
Interne Vorbilder sind schon jetzt Mittelfeldspielerin Caroline Dierbach, die ein Zweitspielrecht für das B-Juniorinnenteam des HSV (Bundesliga) besitzt, Hamburgs U-14-Auswahlspielerin Hanna Gehlhaar, die zusätzlich für die männliche C-Jugend des TuS Appen kickt, sowie die U-12-Auswahlspielerinnen Janne Bergter und Ella Aslyn Daab. Torhüterin Leonie Jadlowski steht auf dem Sprung in Hamburgs U 16. Sie alle nennen sich „Löwinnen“, nachdem Lempfert mal ein Team, das sich nicht so viel traute, so titulierte, um Mut zuzusprechen.
Aber wohl nicht alle werden ewig die blau-roten Krallen ausfahren. Nicht erst, seitdem der VfL Pinneberg regelmäßig das wichtigste Sommerturnier Schleswig-Holsteins ausrichtet, verfügt Lempfert über gute Kontakte zu den Großen der Branche. 2019 soll erstmals ein schlagkräftiges Damenteam zum Punktspielbetrieb angemeldet werden. Wenn aber ein hochklassiger Club eine Löwin reizt, wird Lempfert dem Talent seine Unterstützung nicht verweigern.
Der Hamburger Verband sieht die Mühe, die sich der VfL macht. Als eine chinesische Firma Besuch erbat, um sich im Hinblick auf eine mögliche Weltmeisterschaft 2030 im Reich der Mitte Wissen anzueignen, bekamen 19 VfL-Mädchen den Zuschlag.
Die elftägige Reise nach Changchun (7,5 Millionen Einwohner) empfand Lempfert als „Lottogewinn“, der sich auch politisch vertreten ließ. In China leben mittlerweile viel zu viele Männer, Frauen werden vor allem in den Großstädten hofiert. Viele Eltern sind im Gegensatz zu früher über ein Mädchen genau so glücklich wie über einen Jungen. Auf der ganzen Welt soll Gleichberechtigung herrschen. Dafür setzen sich auch die Löwinnen ein, nicht nur im Kampf um den Ball.