Pinneberg. Kerstin Kohlpoth kickte mit dem VfL Pinneberg zuletzt in Changchun. Sie trainiert im DFB-Stützpunkt und tritt für eine U16-Auswahl an.

Auf den ersten Blick klingt es verwirrend: Kerstin Kohlpoth hat bis vor zwei Jahren in der Kreisauswahl in Hiltrup gespielt. Im Juli dieses Jahres hat die Fußballerin zwei Partien im Nordosten Chinas absolviert. Als Spielerin vom VfL Pinneberg trainiert sie nun einmal pro Woche in Tangstedt – und in Jenfeld, wo sie unter Beobachtung von Bundesligavereinen steht. Wie das alles zusammenpasst? Der Reihe nach.

Geboren und aufgewachsen ist die heute 14-Jährige im nordrhein-westfälischen Münster-Hiltrup. Mit fünfeinhalb Jahren trat Kerstin in die G-Mannschaft der Jungen des TuS Hiltrup ein: „Ich wollte immer das machen, was mein älterer Bruder gemacht. Also habe ich mit ihm und seinen Freunden Fußball gespielt“, erklärt die Jugendliche. Sie fand den Sport nicht nur „sofort voll cool“ – sie lernte auch schnell, sich im Zweikampf gegen die Jungs auf dem Platz durchzusetzen. Früh gelang ihr der Sprung in ein dortiges Auswahlteam.

Mit dem Umzug ihrer Familie 2015 nach Pinneberg stand für Kerstin, die inzwischen D-Juniorin war, ein Vereinswechsel an. In Pinneberg fand sie beim VfL eine Mädchenmannschaft ihres Jahrgangs (2003), die bis heute in der höchsten Spielklasse (Verbandsliga) unterwegs ist.

Sven Lempfert, seit 2016 Jugendleiter im Verein, zum damaligen Zeitpunkt Trainer jener Mannschaft, bemerkte, dass der Neuzugang eine echte Verstärkung werden könnte: „Mir ist beim ersten Training aufgefallen, dass sie vorher schon ein paar Jahre Fußball gespielt haben muss.“ Als sehr gute Defensivspielerin mit hohem Drang nach vorne sei sie „bis auf die Positionen Tor und Sturm überall einsetzbar“, so der heutige Teammanager. Und wo spielt Kerstin selbst am liebsten? „Eigentlich überall, bis auf Links- oder Rechtsaußen“, zeigt sich die Allrounderin mannschaftsdienlich.

Genau diese Flexibilität ist ein Kriterium, in einer Auswahlmannschaft zu landen. Kerstin Kohlpoth trainiert in sogar in zwei Teams; montags beim DFB-Stützpunkt an der Pinneberger Kampfbahn B. In dieser Gruppe ist sie nur eines von vier Mädchen. Aber das kennt sie ja von früher. „Das ergänzt sich sehr gut: Die Jungs haben eine ganz andere Spielweise, da lerne ich viel mehr Taktik“, sagt die Kickerin. In der U16-Auswahl des Hamburger-Fußballverbands, bei der sie mittwochs in Jenfeld spielt, arbeitet sie unter anderem an ihrer Spieleröffnung.

C-Jugendteam des VfL hatte die China-Reise gewonnen

Neue Einblicke in eine fremde Welt eröffneten sich ihr bereits im Sommer:
29 Pinneberger reisten, finanziert von einem chinesischen Unternehmen, nach China. 19 VfL-Spielerinnen, zwei Trainer und acht Eltern waren für neun Tage in Changchun zu Gast. Der VfL hatte eine Ausschreibung zur Förderung des Frauenfußballs gewonnen. Die Pinnebergerinnen testeten gegen junge Chinesinnen, die in Sportinternaten bis zu achtmal pro Woche trainieren. Die VfL-Delegation hat auch verschiedene Schulen im Land besucht – und dabei stets eine Vereinsfahne und einen Wimpel hinterlassen.

Für Lempfert, der wie alle Teilnehmer erstmalig in das bevölkerungsreichste Land der Erde gereist ist, bleiben viele Eindrücke im Kopf, etwa Schmetterlingslarven als Lebensmittel auf Wochenmärkten. Oder WhatsApp-Nachrichten, die in China teilweise über Stunden blockiert wurden („Facebok hat überhaupt nicht funktioniert.“). Zu der Dolmetscherin, eine junge Studentin, halten manche Pinnebergerinnen bis heute Kontakt – mit chinesischem Nachrichtendienst. „Ich habe mich gefühlt wie in einer komplett anderen Welt“, sagt Lempfert. Auch Kerstin sind viele Erinnerungen geblieben: „Jeder wollte mit uns Selfies machen“, ist eine davon. „Wir entsprechen dort wohl dem Schönheitsideal. Schon am Flughafen haben fremde Menschen um Fotos gebeten.“

Kohlpoth könnte indes schon bald erste Kontakte zur Bundesliga knüpfen. Die B- Juniorinnen des HSV messen sich in ihrer Staffel bereits mit Teams aus ganz Norddeutschland. Ein Entwicklungsschritt, der möglich ist, für den sie aber den Club wechseln müsste. „Ich muss gucken, was sich ergibt. Vielleicht ist das auch erst später realistisch“, sagt das Pinneberger Talent und betont: „Hier beim VfL kenne ich alle Mädchen sehr gut. Wir wissen, wie jeder spielt, und wir sind gute Freunde.“

20 Fußballerinnen umfasst der VfL-Kader derzeit. Die gesamte Mädchenfußball-Abteilung des Clubs, die Lempfert vor fünf Jahren ins Leben gerufen hat, zählt 120 Fünf- bis 17-Jährige. Im Kreis liegt der Verein mit dieser Zahl vorne, nur ein Frauenteam gibt es (noch) nicht. Für die ersten B- und C-Mädchen sowie eine Jungenmannschaft (Jahrgang 2006, 1. D) gibt es dafür seit Beginn dieser Saison ein wöchentliches Training auf Kunstrasen. Nicht in Pinneberg, sondern in einer Nachbargemeinde. „Wir konnten eine Kooperation mit dem Tangstedter SV eingehen“, sagt Lempfert, der den meisten Pinneberger Plätzen einen „katastrophalen Zustand“ attestiert.

Für die Einheiten auf modernstem Untergrund verlangen die Tangstedter Geld, das Sponsoren zahlen.

Ob Kerstin Kohlpoth irgendwann in der Bundesliga spielt, bleibt abzuwarten. Gerade freut sie sich einfach, nach einer Verletzungspause (Innenbanddehnung im Sprunggelenk) wieder ins Training zurückgekehrt zu sein. „Gefühlt bin ich bei etwa 70 Prozent“, sagt sie. Schon damit wird sie ihrem Team schnell helfen können – ihr Trainer kann sie schließlich auf fast jeder Position einsetzen.