Hetlingen. Der Hetlinger Hanns Ostmeier ist von einer Atlantik-Tour über 7000 Kilometer zurückgekehrt. Im Mai 2018 sticht er dann erneut in See.

Nach dem Abenteuer ist vor dem Abenteuer. Wenn Hanns Ostmeier Heiligabend in Hetingen mit seiner Familie an dem großen, schweren Esstisch in der Wohndiele seines Reetdachhauses zusammensitzt, sind seine Gedanken auch bei seiner Segelyacht „High Yield“ und der Crew, die er im Januar zusammenstellen wird, um das etwa 14 Meter lange Schiff drei Monate später von der Karibikinsel Grenada nach Hause zu bringen.

Doch zunächst hat der 57-Jährige seiner Familie viel zu erzählen. Von dem großen Abenteuer, das er gerade bewältigt hat. Mit seiner sechsköpfigen Mannschaft ist Ostmeier nämlich von Arrecife auf Lanzarote aus über den Atlantik gesegelt. 24 Tage lang, rund 7000 Kilometer weit bis zur Karibikinsel Grenada.

Wer Ostmeier in dessen 650 Quadratmeter großen reetgedeckten ehemaligen Bauernhaus mit Blick auf die Elbe besucht, erlebt einen freundlichen, offenen, liebenswürdigen und sympathischen Mann. Das steht im Gegensatz zu seinem Ruf als „harter Hund“ in der Welt der Finanzen, der Welt, in der er zu Reichtum gekommen ist. Als Deutschland-Statthalter der US-Fondsgesellschaft Blackstone zum Beispiel kaufte er für Milliarden Euro Firmen auf. Er trimmte sie binnen weniger Jahre auf Höchstleistung und verkaufte sie wieder – oft mit bis zu 200 Prozent Gewinn. „Den Wert eines solchen Unternehmens zu vervielfachen, gradlinig und frei von Emotionen, das ist meine Aufgabe“, sagte der Unternehmer und Finanzinvestor einst.

Die Abenteuerlust ist größer als die Angst

Was treibt einen kühl kalkulierenden Mann dazu, sich den Naturgewalten, Wasser, Wind und Wetter mit allen Gefahren und Strapazen einer Atlantik-Regatta auszusetzen und die Komfortansprüche zu reduzieren? „Wir wollen vor allem Spaß haben“, ist die verblüffend einfache Antwort des Hetlingers.

Davor steht zunächst aber eine gewissenhafte Vorbereitung an. Den Billardtisch in dem offen gestalteten Erdgeschoss des 1843 erbauten Wohnhauses hatte Ostmeier zu einer Arbeitsfläche umfunktioniert. Dort lagen die Dinge, die für die Atlantiküberquerung wichtig, ja sogar überlebenswichtig sind. Kunststoffdosen mit Medikamenten, Material, um eine Wunde zu nähen, eine Zange, um Zähne ziehen zu können, eine Schiene und Gips, um Knochenbrüche zu versorgen. Und doch verknappt auf das Wesentliche. „Wenn einer einen Herzinfarkt bekommt, ist er eh verloren. Da kann man auf hoher See nichts machen“, sagt Ostmeier.

Auch sein Sohn Niels nicht, erst 26 Jahre alt und schon als Arzt an der Uniklinik Kiel tätig. Er gehört ebenso zum Atlantik-Team wie sein Bruder Martin (24, Veterinärstudent), Fynn Fanenbrock (24, Schiffsmechaniker), Timo Strauch (26, Bauunternehmer) Georg Ruland (22, Bauingenieur) und Rüdiger Koch (62), ein Ex-Soldat und Koch. „Rüdiger kann alles“, sagt Ostmeier.

Zur Ausrüstung für Ostmeiers fünfte Atlantiküberquerung gehören eine Rettungsinsel, Peilsender für jedes Crewmitglied, Schwimmwesten und Sicherheitsleinen, die überall an Bord verankert werden können. „Niels achtet sehr darauf, dass alle Jungs ständig diese Sicherheitssysteme am Körper haben. Da kennt er kein Pardon“, sagt Ostmeier.

Bei tückischen Winden, vier Meter hohen Wellen und der potenziellen Gefahr, mit schlafenden Pottwalen oder verlorengegangenen Containern, die unter der Wasseroberfläche treiben, zu kollidieren, ist diese Lebensversicherung unerlässlich. Gekocht wird auf einem frei schwebenden Herd, der sich dem Wellengang anpasst. „Vor allem Dosenfutter wie Ravioli und Eintöpfe sind angesagt“, sagt Ostmeier, der auch Vorsitzender des „Hamburgischer Verein Seefahrt“ ist. Das Essen wird aus einem Napf gelöffelt. „Mit einer Hand muss man sich immer festhalten“, sagt Ostmeier. Besteck und Porzellan sind hinderlich, das Geschirr könnte zerbrechen, Scherben an Bord wären gefährlich. 750 Liter Wasser sind an Bord, dieser Vorrat wird rationiert, es gibt nur Katzenwäsche. „Der Körper stellt sich erstaunlich schnell um, er stinkt nach ein paar Tagen nicht mehr nach Schweiß, die Haare werden nicht fettig“, sagt Ostmeier. Ständig müssen zwei Crewmitglieder Wache schieben, diese Teams wechseln alle drei Stunden.

Am 2. Dezember um 20.47 Uhr notiert Kapitän Ostmeier im Logbuch: „Mittlerweile sind wir voll im Passatwind angekommen. Mit 15 bis 20 Knoten weht dieser aus Nordost und schiebt uns munter gen Westen. Endlich machen wir Strecke aufs Ziel. Nachts ist es dank Vollmond taghell, erst gegen 5 Uhr geht der Mond unter, und uns erwartet ein herrlicher Sternenhimmel ohne Wölkchen. Um den Sonnuntergang herum sind die fliegenden Fische offenbar besonders munter. Gestern wurden Boot und Mannschaft von mehreren Fischen getroffen. Einer flog sogar durch das offene Luk in unser WC, dann gilt: schnell raus damit, denn die stinken fürchterlich! Morgen werden wir vorsorglich alle Luken zumachen.“

Am 7. Dezember um 13.09 Uhr: „Gestern Nacht hat uns der Wind verlassen, sowohl die Stärke als auch die Richtung. Jetzt liegt die Hälfte zum Ziel hinter uns. Bisher gesegelt sind wir aber schon 2170 Meilen (circa 4000 Kilometer). Dies ist den durch ungünstige Winde erzwungenen Umwegen geschuldet.“ Mittlerweile ist klar: „Die Crew muss über sich hinauswachsen, um das Ziel pünktlich zu unseren Rückflügen zu erreichen“, notiert Ostmeier. „Wir sind jetzt knapp unter 350 Seemeilen von der Küste entfernt. Für Hochseesegler eine magische Zahl, denn dies ist die maximale Einsatzreichweite der Rettungshubschrauber“, heißt es am 14. Dezember um 11.39 Uhr im Logbuch.

Am 15. Dezember müssen der Kapitän und seine Crew einen ungeplanten Boxenstopp auf Barbados machen. Der war aus zwei Gründen notwendig geworden. „Erstens hatten wir ein paar kleine Schäden, die wir nicht auf See reparieren konnten. Unsere Mess- und Antenneneinheit am Masttop hatte sich gelockert und musste festgeschraubt werden, damit sie nicht ganz verloren ging. Ein Verlust hätte bedeutet, dass wir keine Funkverbindung mehr hätten herstellen können. Das wollten wir nicht riskieren“, berichtet Ostmeier. „Zweitens war die ganze Reise wetterbedingt recht lang, und es war nicht zu garantieren, dass mein Sohn Niels seinen Flieger nach Deutschland von Grenada aus erreicht hätte. Daher haben wir ihn dann sicherheitshalber auf Barbados aussteigen lassen, genauso wie Timo Strauch, der auch zurück musste. Wir haben ungefähr 24 Stunden Zeit verloren, der Umweg betrug circa 120 Meilen.“

Um eine gute Platzierung bei der Regatta ging es nicht

Schließlich kommt die „High Yield“ im Ziel an, „ohne Chance auf eine nennenswerte Wertung im Feld der 26 Regatta-Yachten“, sagt Ostmeier. Doch für den 57-Jährigen ist die Platzierung unwichtig. Der Weg war das Ziel, und den erhofften Spaß hatte der Hetlinger allemal. Der wiegt auch die Strapazen auf. „Wenig Wind fast direkt von achtern macht das Segeln schwer und anstrengend. In der Welle drohen die Segel zu schlagen. Damit das nicht passiert, muss fast jede Welle aktiv ausgesteuert werden. Auf einer Strecke von 7000 Kilometern ist das schon sehr anspruchsvoll.“ Bei einer Segelfläche von 110 Quadratmetern war die „High Yield“ durchschnittlich sieben Knoten (etwa 12 Kilometer pro Stunde) schnell.

Das Wichtigste für den Kapitän: Niemand hat sich verletzt. „Die Crew hat alles bestens gemeistert.“ Hart durchgreifen musste er nicht. „1000 Meilen vom nächsten Land entfernt macht jeder, was er soll. Nur das Team kann das Boot sicher nach Hause bringen. Das weiß jedes Crewmitglied und handelt danach. Das war wirklich toll.“ Allerdings: „Der eine oder andere hat wohl erst einmal genug gesegelt.“

Die „High Yield“ liegt derzeit an Land in einer Werft auf Grenada. „Da ist sie auch vor Dieben sicher.“ Am 10. Mai startet dann eine Segeltour von Antigua nach Bermuda. „Im Juli beginnt die Rückregatta mit Richtung Hamburg.“ Den Spaß lässt er sich dann noch einmal rund 50.000 Euro kosten.