Der von Albert Ballin gegründete Hamburgische Verein Seefahrt plant den ganz großen Törn: von Australien über Südamerika quer über den Atlantik an die Elbe.

Hamburg. Hier fällt es zunächst schwer, sich ein großes Ozean-Abenteuer vorzustellen. In dem sehr hanseatischen Kontorhaus nahe der Binnenalster hat Hanns Ostmeier ein paar Kekse für seine Besucher hingestellt, eine Mitarbeiterin serviert einen kräftigen Kaffee, während draußen der Winterregen gegen das Bürofenster klatscht. Aber auf dem Tisch hat der Vorsitzende des Hamburgischen Vereins Seefahrt auch eine Stelltafel mit einer Weltkarte platziert – und das stimmt dann schon bei aller Gemütlichkeit ein auf das, was Ostmeier seinem Besucher heute erläutern möchte: Eine rote Linie spannt sich dort über viele Stecknadeln, die in die Ozeane gesteckt sind. Von Australien über Tasmanien verläuft diese Linie, durch die Weite des südlichen Pazifiks, um Kap Hoorn herum, hoch an der südamerikanischen Küste entlang bis Rio und dann quer über den Atlantik bis in die Elbmündung. „Unsere Southern Ocean Challenge“, wie Ostmeier sagt.

Tatsächlich dürfte es auch für diesen so traditionsreichen Hamburger Verein eine gewaltige Herausforderung sein, die er sich für die Jahre 2015 und 2016 vorgenommen hat. Das Vereinsschiff, die „Haspa Hamburg“, wird, so der Plan, mit wechselnden Crews und in etlichen Etappen in dieser Zeit diese Hochseestrecke segeln und dabei auch an verschiedenen Regatten teilnehmen. So gleich zum Beginn an dem legendären Sydney-Hobart-Race.

Vielfach schon sind Schiffe dieses Vereins über Ozeane gesegelt, 1996 gab es sogar die Teilnahme bei einer Round-The-World-Regatta. Doch eine so weite Strecke mit so vielen Zielen und Mannschaften, das sei diesmal auch logistisch eine ungewöhnlich große Aufgabe. „Wir müssen etliche Flüge buchen, Werftaufenthalte und Crewwechsel planen, das muss alles passen“, sagt Ostmeier.

Doch 2015 ist für den Verein auch ein besonderes Jahr, in dem eben auch eine besondere Reise anstehen soll: Um das zu verstehen, muss man wohl ein wenig in seine mehr als 100-jährige Geschichte einsteigen. Anfang des 20. Jahrhunderts waren Hochseeregatten vor allem bei den Engländern und Amerikanern beliebt. Damals wie heute ein Sport, in dem viel Hightech und ebenso viel Geld eine große Rolle spielt. Auch der marineverliebte Kaiser Wilhelm II. mischte höchstselbst mit seiner Yacht „Meteor III“ in dieser Szene mit, es gab auf nationaler Ebene aber keinen ebenbürtigen Gegner, schon gar kein ebenbürtiges Schiff.

Große Reise 2015 und 2016 soll an zwei Jubiläen erinnern


Der Hamburger Reeder, Hapag-Gründer und Kaiserfreund Albert Ballin, war es dann, der viele Wirtschaftsführer, Reeder und Senatoren der Stadt zusammenführte, um ein großes Hamburger Yachtprojekt auf die Beine zu stellen. Ein Schiff, das mit der Kaiseryacht mithalten sollte.

Mit ihrer Mitgliedschaft in dem 1903 von Ballin gegründeten Hamburgischen Verein Seefahrt (HVS) finanzierten die Mitglieder das erste Schiff, einen 49 Meter langen Schoner, die erste „Hamburg“. Wobei die Herren nicht unbedingt selbst segelten, vielmehr gewann Ballin seine Mitstreiter auch mit dem Argument, auf solchen Hochsee-Rennyachten einen guten, seemännischen Nachwuchs ausbilden zu können. Eine Art Kaderschmiede für junge Leute, die sich auf hoher See bewähren wollen.

Die Jugend werde durch das Hochseesegeln „körperlich und charakterlich ertüchtigt“, argumentierten die Vereinsgründer. Ein Satz, der im Grunde bis heute gilt, wenn auch mit zeitgemäßen Wortlaut. Von „außergewöhnlichen Erlebnissen und Erfahrungen“, die den Horizont erweitern, ist heute auf den Internetseiten des HVS zu lesen. Das Vereinsprinzip ist aber gleich geblieben. „Wir sind kein Segelverein, sondern ein Reederverein“, sagt Vereinschef Ostmeier dazu. Der Verein stellt zwei Hochseeyachten, die „Haspa Hamburg“ und die „Norddeutsche Vermögen Hamburg“.

Die Crews setzen sich aus vielen, oft jüngeren Seglern aus norddeutschen Vereinen zusammen. Eine Mitgliedschaft für aktive Segler ist dabei nicht teuerer als eine in anderen Vereinen, auch die Teilnahme an den Hochseereisen ist vergleichsweise günstig. Die Idee dabei ist, dass man nach seiner aktiven Zeit dabeibleibt und dann wie in einer Art Generationenvertrag jüngeren Seglern ebenfalls das Abenteuer Hochsee ermöglicht. Wobei die große Reise 2015 und 2016 jetzt an zwei Jubiläen erinnern soll. Vor 110 Jahren nahm die erste „Hamburg“ als einzige deutsche Yacht an einem Transatlantikrennen teil und belegte hinter der legendären amerikanischen „Atlantic“ den zweiten Platz. Und vor jetzt 80 Jahren gründete sich im Verein die Segelgruppe Störtebeker, in der die aktiven Segler und Skipper organisiert sind.

„Haspa Hamburg“ wird etwa 22 Tage bis zum Kap brauchen


Aktuell ist diese Gruppe noch mitten in der Vorbereitung, rund 60 Prozent der Crews sind festgelegt, Platz gebe es noch, sagt Ostmeier. Und weil ein Verein mit so viel Hochseeerfahrung viel Wert auf Sicherheit legt, hat er für diese besondere Reise den deutschen Profi-Segler Boris Herrmann als Routenberater gewonnen. Herrmann, selbst HVS-Mitglied, ist schon mehrfach um Kap Hoorn gesegelt und hat sich als Navigator bei großen Hochseeregatten spezialisiert.

Die Hamburger Crews, immer zwischen zehn und zwölf Personen pro Etappe, wird er über Satellitenkommunikation beraten und hat aus den Statistiken der vergangenen Jahre jetzt schon Kurs- und Zeitenvorschläge ausgearbeitet. Danach wird die „Haspa Hamburg“ im Herbst mit einem Frachter nach Australien transportiert und am zweiten Weihnachtstag zur ersten Regatta in Sydney starten.

Anschließend wird das etwa 17 Meter lange Hamburger Schiff nach Neuseeland segeln und dann zum größten Sprung über 5000 Meilen auf den südlichen Ozeanen ansetzen. „Ende Februar sollte Kap Hoorn erreicht sein, dann nimmt die Sturmhäufigkeit dort rapide zu“, sagt Herrmann und zeigt an der Tafel in Ostmeiers Büro die möglichen Kurse, die aber alle etwas nördlicher als die kürzeste Verbindung verlaufen. Aber die Hamburger Yacht wird dann auch in sicherem Abstand zu großen Tiefs und Eisbergen segeln können, die sich in den hohen und kalten Breiten austoben.

Etwa 22 Tage wird die „Haspa Hamburg“ bis zum Kap brauchen, hat Herrmann berechnet. Und trotz des nördlichen Kurses rechnet er immer noch damit, dass an 20 Prozent der Tage Wellenhöhen von mehr als vier Metern auftreten. Aber man solle sich nicht Bange machen lassen, sagt er. Die Wellen sind auch lang, es gebe kaum große Brecher. „Die Nordsee kann da viel ungemütlicher werden.“

Vom Kap Hoorn führt die Reise der „Haspa Hamburg“ weiter entlang der Küste Südamerikas. Zwischenstopps sind geplant und schließlich der Kurs auf Rio abgesteckt, wo das Schiff während der Olympischen Spiele sein wird. Anschließend wird es mit anderen europäischen und amerikanischen Yachten von Rio aus wieder auf einen Regattakurs gehen, der über den Atlantik bis zu den Azoren führt. Die letzte Etappe wird dann bis in die Nordsee gesegelt. Ein Meer, das schon zu Hause, aber eben auch nicht zu unterschätzen ist.