Pinneberg. Der Hamburger Verband startet eine weitere Kampagne zum Schutz der Schiedsrichter. TV-Mann Gerhard Delling ist Schirmherr dieser Aktion.
„Um Himmels Willen“, sagt Hans Jürgen Stammer, Präsident der SV Halstenbek-Rellingen. „So etwas darf sich niemals mehr wiederholen.“ Der Vater eines Spielers der Halstenbeker Oberliga-Fußballer hatte sich nach der Oddset-Pokalniederlage am 18. Dezember beim HSV Barmbek-Uhlenhorst so aufgebaut, dass sich der Schiedsrichter bedroht fühlte. Das Sportgericht verdonnerte den Club zu einer Geldstrafe in Höhe von 400 Euro.
Ein paar Wochen später stand der gute Ruf des VfL Pinneberg auf dem Spiel. Im Anschluss an die Oberligapartie auswärts gegen den FC Süderelbe kam es zu Rangeleien, nachdem sich ein Akteur der Gastgeber von einem VfL-Anhänger rassistisch („Schwarze Sau.“) beleidigt fühlte. Ob der Zuruf dem Schiedsrichter galt, ist nicht geklärt. Geschäftsführer Uwe Hönke distanzierte sich von dem Vorfall aufs Schärfste: „Bei uns ist kein Platz für Fremdenfeindlichkeit.“
Der Fußball-Vorstand forderte den ihm namentlich bekannten Unruhestifter schriftlich auf, unflätige Äußerungen in Zukunft zu unterlassen. „Ansonsten verhängen wir ein Stadionverbot.“
Der Hamburger Verband will es den Clubs leichter machen, ihr Hausrecht in Zukunft umzusetzen. Auf der Geschäftsstelle in Jenfeld liegen ab sofort Emailleschilder für die Vereine, die an den Eingangstoren angebracht werden sollen, bereit. „Wer den Schiedsrichter oder die Schiedsrichterin beleidigt, muss mit der Verweisung von der Sportanlage rechnen“, ist schwarz auf weiß zu lesen. Ähnliche Schilder waren in der Vergangenheit auf fast jeder Anlage zu finden, verwitterten aber mit der Zeit und wurden dann nicht mehr ersetzt. Hans Jürgen Stammer begibt sich demnächst auf den Weg nach Jenfeld. „Wir nehmen gleich zwei. Für jede Kasse eines.“ Sportschau-Moderator Gerhard Delling stellte sich als Schirmherr der Aktion zur Verfügung.
Bislang setzte Clubchef Stammer auf sein energisches Auftreten. Als Fans des SC Victoria auf dem Jacob-Thode-Sportplatz Knallkörper zündeten, stellte er die Gruppe ohne Scheu vor die Alternative: „Schluss damit, sofort, oder wir holen die Polizei.“ Die Drohung zeigte Wirkung. Dagegen lächelt Stammer nur müde, wenn er Sprechchöre aus dem Barmbeker Fanblock hört. „Kühe, Schweine, Dorfvereine.“ Das muss man seiner Ansicht nach auf dem Fußballplatz aushalten.
Bitter wurde es indes, als der nicht mehr existierende harte Kern des FC Elmshorn (Fanatics) mit Schmährufen („Barmbek-Schwulenhorst.“) reagierte. Friedliche Besucher mit dem Auto-Kennzeichen „PI“ sahen sich Jagdszenen ausgesetzt. Beim anschließenden Gastspiel ihrer Elf im unbeteiligten Pinneberg riefen BU-Fans unentwegt „Scheiß Elmshorn.“ Die Begeisterung der Fanatics für Pyrotechnik kostete den FCE mehrfach Strafgebühren wegen unsportlichen Verhaltens. „Es waren drei oder vier Schläger dabei“, räumte der ehemalige FCE-Präsident Helge Werner Melzer seinerzeit ein.
Wilfred Diekert (Appen) erlebte 1985 bei WM-Qualifikation Tankstellen-Explosion
„Ansonsten ist der Kreis Pinneberg eigentlich aber nicht unser Problemgebiet“, betont Hamburgs Schiedsrichter-Boss Wilfred Diekert aus Appen, seit 17 Jahren Ansprechperson Nummer eins der Männer, Frauen und Jugendlichen an der Pfeife. Eine Zeitlang hätten ihn täglich Mails und Briefe erreicht, er solle wegen zunehmender Gewalt gegen Schiedsrichter härtere Maßnahmen ergreifen. Der Vorschlag eines mehrwöchigen Streiks der Unparteiischen landete mehrfach auf seinem PC, speziell nach der körperlichen Attacke auf Mike Franke (SC Schwarzenbek) beim Landesliga-Punktspiel von Dersimspor in Bramfeld (Hammonia-Staffel). Franke kam erheblich verletzt ins Krankenhaus und bangte zeitweilig um sein Augenlicht.
Solche Zuspitzungen will Diekert, 1985 im hoch brisanten WM-Qualifikationsspiel von Nordirland in Belfast gegen England („Hinterher ist eine Tankstelle in die Luft gejagt worden.“) Schiedsrichter-Assistent, der Spielvereinigung HR unbedingt ersparen.
Als zuständiger Platzbeobachter vertritt er die Auffassung, den Grandplatz am Thesdorfer Weg nicht mehr als Ausweichplatz für Oberligaspiele zuzulassen. „Über dunkle Wege geht es 200 oder 300 Schritte zur Umkleidekabine. Wenn dann auch noch 200 oder 300 Zuschauer gleichzeitig den Heimweg antreten, ist die Gefahr von Übergriffen nicht von der Hand zu weisen.“ Auf eine Wahrscheinlichkeitsrechnung lässt sich Diekert nicht ein. „Ich möchte das Geschrei nicht hören, wenn tatsächlich etwas passiert.“
Gefährlich ist für ihn die fehlende Respektlosigkeit gegenüber den Schiedsrichtern, die in der Bundesligapartie von Bayer Leverkusen gegen Borussia Dortmund zum Ausdruck kam. Weil sich Bayer-Trainer Roger Schmidt weigerte, auf der Tribüne Platz zu nehmen und stattdessen den Unparteiischen Felix Zwayer wie einen kleinen Schuljungen zu sich zitieren wollte, war die Partie minutenlang unterbrochen worden. „So etwas färbt ab auf das Verhalten der Zuschauer, Spieler und Trainer in den unteren Ligen“, fürchtet Diekert, der das dreiwöchige Tätigkeitsverbot und die saftige Geldsperre für Schmidt ausdrücklich begrüßt.
Nachdem bisherige Kampagnen („Seid fair zum 23. Mann“) ihren Zweck offenbar verfehlten, soll nun ein kleines Emailleschild helfen, den Kreis Pinneberg vor solchen Auswüchsen zu bewahren. „Die Schiedsrichter haben die Befugnis, auch Trainer, die sich nicht benehmen, von der jeweiligen Anlage zu schicken“, stellt Wilfred Diekert klar.