Halstenbek. Die Brüder Christian und Ole Harder starten mit unterschiedlichen Ambitionen beim größten Radrennen Europas auf der 55-Kilometer-Strecke

Die Geburtstagsparty war nicht zu ausufernd. Schließlich steht am Sonntag, 23. August, die 20. Auflage der Vattenfall Cyclassics an. Christian Harder aus Halstenbek, der am Mittwoch den Beginn seines 40. Lebensjahres „mit einem Glas Wein“ feierte, geht bereits zum zehnten Mal in Folge beim größten Radrennen Europas an den Start. Auch seine Ehefrau Julia, 36, und sein jüngerer Bruder Ole, 32, treten über die Jedermann-Distanz von 55 Kilometern kräftig in die Pedale. Die Route führt vom Bahnhof Dammtor an der Alster durch den Kreis Pinneberg zurück zur Mönckebergstraße in Hamburg (siehe Karte). Auf der sonst flachen Strecke für die Jedermänner ist der Kösterberg in Blankenese mit der Bezwingung von 49 Höhenmetern (maximale Steigung neun Prozent) die größte Erhebung.

Christian Harder, der für das bei den Cyclassics sehr erfolgreiche Hamburger Team von Hacht fährt, wird dabei mehr Gas geben als die anderen beiden. „Ich möchte vorne mitmischen“, sagt er. Nachdem es bereits zweimal über die verschiedenen Distanzen (55, 100 (diesmal über Niedersachsen) und 155 Kilometer) jeweils zum undankbaren vierten Rang in der Einzelwertung reichte, möchte der Mitarbeiter im Controlling eines großen Hamburger Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmens nun nach Möglichkeit auf dem Treppchen landen. Im Mannschaftswettbewerb soll es für das Team – wie in der Vergangenheit häufig – wieder zum ersten Platz reichen.

Das ambitioniert betriebene Hobby Radsport wird dabei schon bis in den Beruf hinein verfolgt. Nahezu jeden Tag geht es von Halstenbek in die City Nord – mit dem Rad. Bei Wind und Wetter. „Ich fahre vielleicht einmal im Monat mit dem Auto. Auch im Winter. Ich bin auch schon bei -13,5 Grad Außentemperatur Rad gefahren“, sagt der Vater zweier drei- und sechsjähriger Töchter.

Sind diese um 8 Uhr morgens im Kindergarten untergebracht, ist er nach 16 Kilometern bei der Arbeit angekommen. Nach einer Dusche im Unternehmen kann dann der Arbeitstag beginnen. Im Jahr kommt Harder, der auch Mitglied des Vereins RG Uni Hamburg ist, auf 12.000 gefahrene Kilometer. Begonnen hat die Leidenschaft für den Rennradsport vor mehr als zehn Jahren. Der jüngere Bruder Sören, der mittlerweile in Berlin wohnt und mit großem Erfolg auf Inline-Skates bei Rennen unterwegs ist, kaufte sich von seinem Konfirmationsgeld ein Einsteiger-Rennrad. Christian Harder probierte es aus und war begeistert, „wie schnell man ohne viel Kraftaufwand“ Rad fahren konnte. Kurz darauf saß er auf seinem eigenen Rennrad, es folgte der Vereinseintritt und der erste Start beim Hamburger Radrennen.

Der gebürtige Elmshorner blieb auf dem Sattel ehrgeizig, besitzt mittlerweile ein rund 4500 Euro teures Sportrad und fährt, ausgestattet mit der Lizenz des Bundes Deutscher Radfahrer, rund zehn Rennen im Jahr. „Als früherer Pinneberger Basketballer habe ich den Wettkampfgedanken wohl verinnerlicht“, sagt der Halstenbeker die Motivation, im Radsport etwas mehr als nur das reine Hobby zu sehen.

Wohl keine andere Sporart steht so unter Generalverdacht, nach wie vor mit Doping-Problemen kämpfen zu müssen – auch im Amateurbereich. „Wer so etwas als Amateur macht, ist komplett übertrieben ehrgeizig. Ich habe auch solche Veträge unterschreiben müssen, theoretisch könnten Kontrolleure bei mir an der Haustür klingeln“, sagt Christian Harder. Für ihn wäre es ein gesundes Doping, „mal das Bierchen oder die Tüte Chips“ wegzulassen. Harder achtet bis zu einem gewissen Grad auf seine Ernährung. „Aber ich möchte ja auch noch leben können.“

Christian Harders Bruder Ole lässt es bei den Cyclassics ruhiger angehen

Der Reiz liegt vor allem in der Geschwindigkeit. Es sei ein wahnsinniges Gefühl, mit 60 Kilometern pro Stunde „in die Ortschaft zu ballern“. Im leistungsstärkeren Jedermänner-Block-A des Rennens liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 42 Stundenkilometern. „Wir starten um 7.25 Uhr. Vor 9 Uhr kommen wir wohl schon an“, so Harder, der sich der Unterstützung seiner Mutter Karin an der Strecke, die knapp fünf Kilometer von seinem Haus entfernt verläuft, gewiss sein kann. Vater Ernst-Joachim bevorzugt gerüchteweise eine längere Schlafphase. Zugejubelt wird dann auch Bruder Ole, der zwei Jahre nach seinem Bruder mit dem Sport begann, und Christian Harders Frau Julia, die sich um 7.45 Uhr in Hamburg auf den Drahtesel schwingen.

„Mein Ziel ist eine Zeit unter einer Stunde und 40 Minuten. Hauptsächlich geht es mir aber um den Spaß“, so der Einzelhandelskaufmann. Vier bis fünf RTF-Veranstaltungen (Radtourenfahren) absolviert der Quickborner jährlich. Bis zu 450 Kilometer verbringt er so radelnd. „Für mich ist das Radfahren nur ein Ausgleich zum Beruf“, sagt Harder. der sich unregelmäßig am Wochenende auf sein etwa 700 Euro teures Rennrad setzt. 2009 nahm er erstmals an den Cyclassics teil. In diesem Jahr gibt es das siebte Rennen in Folge. Nachdem die Brüder die Strapazen überstanden haben, wird es wohl wieder einen Drink geben. Statt Rotwein diesmal vielleicht ja ein (alkoholfreies) Weizenbier. Elekrolyte sind gerade nach großer Anstrengung gesund.