Norderstedt/Elmshorn. Bis Sonnabend laufen in Norderstedt die schwul-lesbischen EM-Titelkämpfe. Thomas Hitzlsperger ist zu Gast, der Elmshorner Kevin Reichmann spielt mit

Sie treten für eine wichtige Sache ein, werben um Toleranz, kämpfen gegen Homophobie im Sport. Aber ein bisschen Spaß muss dann doch sein, wie sich beim selbstironisch inszenierten Foto der Ballboys Hamburg zeigt. Sie gehören zu den teilnehmenden Teams bei der schwul-lesbischen Fußball-Europameisterschaft, die von Freitag, 13. Juni, bis Sonnabend, 14. Juni, in Norderstedt – gespielt wird auf dem HSV-Gelände an der Ulzburger Straße – und Hamburg – dort wird gefeiert und übernachtet – stattfindet.

Als internationaler Dachverband ist die IGLFA (International Gay & Lesbian Football Association) Veranstalter, Ausrichter ist der Hamburger Sportverein Startschuss, für den Alexander von Beyme die Organisation leitet. „Wir werden 400 homosexuelle Sportler auf den Plätzen haben, stellen so eine Sichtbarkeit her“, sagt er.

Einer, der zum Team der Hamburger Ballboys gehört, ist Kevin Reichmann aus Elmshorn. Der 24-Jährige ist gewissermaßen Gastspieler in der ersten Mannschaft der „Boys“ (Großfeld), nachdem ihn Alexander von Beyme mehrmals in den vergangenen Monaten darauf angesprochen hatte, ob er denn nicht Interesse hätte mitzuspielen. Hintergrund: Reichmanns Outing im August vergangenen Jahres („Nicht mehr Verstecken spielen“) kam in Fußballkreisen und auf Internetforen gut an. Zudem gilt der Elmshorner neben seinem offenen Engagement im privaten und sportlichen Umfeld als ausgewiesener Fußball-Experte. Er kennt sich im Hamburger Amateurfußball bestens aus, war in diversen Vereinen aktiv am Ball. Auch die Tatsache, dass er in seiner Karriere drei Kreuzbandrisse erlitt, hielt ihn nicht davon ab, aktiv ins Geschehen einzugreifen.

Gleichwohl tritt Reichmann jetzt insgesamt kürzer. Der Elmshorner, der in Norderstedt eine Lehre als Bürokaufmann absolviert, trainiert von der nächsten Saison an die neu gegründete Kreisklassen-Vertretung des FC Elmshorn (Zweite). Von Anfang März 2013 bis 19. August 2014 war der offensiv ausgerichtete Fußballer schon einmal beim FCE, ehe er für eine Saison beim Elmshorner Bezirksliga-Nachbarn TSV Sparrieshoop als Co-Trainer arbeitete.

Ganz nebenbei betreut Reichmann, der bis 2010 auch beim SV Eidelstedt und 2007 Trainer beim SC Concordia war, auch die Jugendfußballer der SV Lieth. Der Elmshorner, der noch Zwillingsschwestern und drei ältere Brüder hat, weiß, dass bei der EM nicht Hochleistungssport gefragt ist. „Für die meisten teilnehmenden Teams geht es vornehmlich darum, in der Öffentlichkeit für Akzeptanz zu werben“, sagt er. „Der Grundgedanke, mit dem wir auf den Platz gehen, ist Spaß zu haben und viel positive Energien zu wecken.“

Ob er die Kondition aufbringen wird, bei den EM-Titelkämpfe ordentlich Gas zu geben? „Ich hoffe doch. Meine schweren Verletzungen beeinträchtigen mich heute nicht entscheidend. In Zweikämpfe darf ich aber nicht so entschlossen wie früher hineingehen.“ Gänzlich entziehen kann sich Reichmann aber wohl nicht, denn bei den Ballboys ist er auf dem Posten des Innenverteidigers eingeplant.

Viel Aufmerksamkeit garantiert auch der Besuch des ehemaligen Nationalspielers Thomas Hitzlsperger. Der 33-Jährige war Anfang 2014 mit seinem Outing der bis dahin prominenteste Sportler in Deutschland, der sich zu seiner Homosexualität bekannte.

Seitdem bekannt wurde, dass das Turnier für Vereinsmannschaften aus ganz Europa – separate Nationalteams gibt es (noch) nicht – im Großraum Hamburg ausgetragen wird, hat es einen Run gegeben auf die Startplätze. „Viele der Teilnehmer sind alte Bekannte, die schon seit Jahrzehnten Freundschaftsturniere organisieren“, so Alexander von Beyme. „Gerade in England ist Schwulenfußball top vernetzt mit einem eigenen Ligabetrieb.“

Bürgermeister Olaf Scholz übernimmt Schirmherrschaft des Turniers

Deutsche Teams haben Namen wie die Ballboys Hamburg – sie gehören zu Startschuss –, Cream Team Cologne, Vorspiel Berlin oder Leinebagger Hannover, auch der SC Sternschanze aus Hamburg ist dabei. Stolz ist man auf die internationale Resonanz. Die Dublin Devils aus Irland, Titelverteidiger Village Manchester, die Panamboyz aus Paris, die London Titans und die GFC Friends aus Prag kommen nach Norderstedt. Bei den Herren wird je nach Leistungsniveau in drei Divisionen gekickt, dazu gibt es einen eigenen Frauenwettbewerb.

Weit komplizierter, aber letztlich erfolgreich waren die Bemühungen, Sportler aus Nationen einzuladen, in denen Homosexualität gesellschaftlich nicht akzeptiert ist. So wie in Russland oder Serbien – lesbische oder schwule Sportler müssen dort im Falle eines Outings um ihre Sicherheit fürchten, das hat Alexander von Beyme oft erzählt bekommen. Deshalb ist es eben nicht so einfach, einen Kontakt zum FC Krylya oder zu den Moscow Minders herzustellen. „Wir haben vier Mannschaften aus Russland und Serbien eingeladen, sie bekommen Flüge und Unterkünfte von der Werder-Bremen-Stiftung bezahlt und von unserem Hauptsponsor Google“, so von Beyme.

Die EM soll vor allem Weltoffenheit demonstrieren. Um das Turnier aufzuwerten, übernimmt Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz die Schirmherrschaft. Der Deutsche Fußball-Bund ist mit im Boot, der HSV stellt sein Gelände zur Verfügung, Werder Bremen hilft über seine Stiftung, und der FC St. Pauli ist im Ballsaal der Haupttribüne im Millerntorstadion am Sonnabend um 22 Uhr Gastgeber der Siegerehrung.

Organisatoren kalkulieren mit einem Etat von rund 50.000 Euro

Damit sich der kleine Verein Startschuss (675 Mitglieder) finanziell nicht überhebt, wird vorsichtig kalkuliert. „Der Hamburger SV stellt uns seine Paul-Hauenschild-Anlage zu günstigen Konditionen zur Verfügung. Man kann das reine Turnier auch allein von den Teilnehmerbeiträgen veranstalten“, so Alexander von Beyme. Einschließlich der Einnahmen durch Werbepartner beläuft sich der Etat auf rund 50.000 Euro – der Eintritt bei der Europameisterschaft ist frei.

Innerhalb der Community gibt es übrigens nicht nur Befürworter derartiger Großveranstaltungen. „Da sind Stimmen, die sagen, dass man das Gegenteil erreicht, wenn wir uns separieren“, sagt Björn Augsten, Vorsitzender von Startschuss. „Andere sagen, es ist eine Überbetonung. Aber wir freuen uns, dass das Turnier Anlass gibt, über Homosexualität im Fußball zu reden.“

Die Europameisterschaftbeginnt am Freitag, 9.30 Uhr, auf der Paul-Hauenschild-Anlage in Norderstedt (Ulzburger Straße 94). Tags darauf geht es am Sonnabend ebenso um 9.30 Uhr los, die Finalmatches werden ab 14 Uhr angepfiffen. Der Eintritt ist frei.
Die Siegerehrung mit Thomas Hitzlsperger und anschließender Party beginnt Sonnabend (22 Uhr) im Ballsaal des Millerntorstadions.