Neuendeich. Dreiste Täter entwenden auf einem Hof in Quickborn CWD-Maßanfertigungen. Springreiter Sebastian Schaller erklärt ihre außergewöhnliche Wertigkeit.

Sebastian Schaller präsentiert ein Liebhaberstück der besonderen Art. Der Reitsportler aus Neuendeich (bei Elmshorn) hält es in die grelle Mittagssonne. So glänzt es noch mehr, das Leder wirkt edel und hochwertig. Es handelt sich um einen Pferdesattel, nicht um irgendeinen, sondern um ein Luxusteil der international bekannten Marke CWD und ist meist nur Kennern und Spezialisten der Reitsport-Szene bekannt – ein Hightech-Utensil fürs Wohlgefühl hoch zu Ross. Mehr geht nicht, wenn es um Topbedingungen für Auftritte im Parcours und im Dressurviereck geht.

Wie begehrt CWD-Sättel und wie schwer erhältlich sie sind, zeigte sich unlängst. Unbekannte haben in der Nacht auf einem Hof in Quickborn einen Pferde-Transporter in Quickborn ausgeräumt. Alle Sättel der französischen Edelfirma wurden gezielt und nach offensichtlich detaillierter Planung gestohlen. Der Schaden beträgt rund 20.000 Euro, die Polizei hatte keinen Erfolg bei der Ermittlung der Täter, die unerkannt entkamen.

Sebastian Schaller ist Springreiter, Pferdewirt und im Norden Niederlassungsvertreter der französischen Edelsattlerei. Er kann bestens nachvollziehen, wie ärgerlich der Schaden ist. Im vergangenen Jahr lernte der 33-Jährige die Dreistigkeit der Täter kennen, die außergewöhnlich konsequent vorgingen. Auf einem internationalen Messestand in Lanaken (Belgien) bei der Weltmeisterschaft der jungen Springpferde wurden 24 Sättel auf einem bewachten Gelände entwendet. Der finanzielle Verlust ist beträchtlich, schlimmer noch: Ohne Sattel kann natürlich nicht geritten werden. Bis neue angefertigt sind, vergehen sechs bis acht Wochen für einen Sattel, ein Zeitverlust, den niemand erstattet. Bei Turnieren verschwinden in Norddeutschland pro Jahr bis zu zehn Sättel.

In den vergangenen drei Jahren konnte die Firma CWD ihren Umsatz bundesweit verdreifachen. Die Franzosen sind Marktführer in Sachen Hightech-Sättel, gefolgt von den USA. Von zehn Topreitern satteln international sechs mit französischen Edelprodukten, die sich preislich zwischen 3400 bis 5000 Euro im Parcours bewegen. „Alle Sättel sind maßgeschneidert und handgefertigt. Wir schauen uns vor der Produktion genau die anatomischen Linien des Pferdes und des Reiters an“, erklärt Schaller.

Maßanfertigungen brauchen etwa sechs Wochen

Kunden haben heute hohe Ansprüche an Qualität und Design. Feinstes Leder, das rein pflanzlich gegerbt wird, wird verarbeitet. Zum Kundenkreis gehören Europa-, Weltmeister und Olympia-Teilnehmer. Rolf-Göran Bengtsson, internationaler Springreiter, mit seinem Verbandshengst Casall aus Elmshorn zählt ebenso zum Käuferkreis.

„Alle Kunden werden von uns bedient, ob Dressur-, Freizeit-, Spring- und Vielseitigkeitsreiter, die komfortabel mit einem leichten Sattel reiten möchten“, sagt Schaller. Die Gewichtserleichterungen beim Sattel betragen bis zu mehr als ein Kilogramm. Die Maßanfertigungen liegen dann nach einer sechswöchigen Produktion perfekt auf dem Pferderücken, genügend Bewegungsfreiheit ist für das Pferd berechnet. Die Rückenlinien verlaufen bei Menschen und Tieren nicht genormt, daher können Sättel nicht beliebig getauscht werden. Zudem wird die Sitzkurve des Sattels auf Kundenwunsch genau angepasst. Ein Reiter möchte im Sattel etwas tiefer sitzen, ein anderer lieber ganz flach.

Reiter müssen in der Hüfte beweglich bleiben, auch wenn die Steigbügel mal kürzer oder länger getragen werden, da darf nichts stören. Viele Reiter suchen Komfort, aber richtiges Sitzen ist wichtig, erst dann gehen die Bewegung des Pferdes und der Sport los. Ein guter Sattel kann reiterliche Probleme nicht lösen. „Wir sind immer auf der Suche nach Verbesserungen und Neuentwicklungen“, sagt Springreiter und Fachmann Sebastian Schaller. Einen alles könnenden, fliegenden Teppich auf dem Pferderücken gibt es nicht. Der Markt ist voll von Angeboten, und über die Angebote im Internet staunen selbst oft die Händler. „Billig gekauft ist im Grunde zweimal gekauft, das Prinzip hat sich noch nie bewährt“, resümiert Schaller. Gerade das mit Abstand teuerste Ausstattungsstück sollte sitzen. Allerdings haben alle Produzenten ein Ziel: mehr Bewegungsfreiheit für die Pferde.

Muskelveränderungen erfordern Sattelkorrekturen

Beim Pferd laufen am Widerrist (erhöhter Übergang vom Hals zum Rücken) Nerven zusammen, daher können Reflexpunkte gehemmt werden. Die Ausbildung der Muskelatur spielt auch eine Rolle. Der Körperbau verändert sich durch das Aufmuskeln eines jungen Pferdes oder durch Abmuskeln eines älteren Pferdes. Je genauer der Sattel angepasst wird, um so wichtiger ist es, die Lage immer wieder aufs Neue zu kontrollieren. Die Zeiten, in denen einfach mal eben aufgepolstert wurde, sind vorbei. Die Sattelwissenschaft ist sehr komplex. Besonders wichtig: Bei den modernen Sätteln ist es erwünscht, dass das Bein des Reiters näher am Pferd liegt.

Zurück zur Problematik Satteldiebstahl. Auch für bevorstehende Turniere wie das internationale Spring-Meeting in Bad Segeberg gilt: Wenn die Reitsport-Asse von Mittwoch, 22. April, bis zum Sonntag, 26. April, ihre Spitzenpferde satteln, werden Kontrollen an der Tagesordnung sein. Für die mittelschwere- und große Tour treffen Aktive aus rund 15 Nationen, von Aserbaidschan bis zu den USA, aufeinander. Einer von ihnen ist Sebastian Schaller. „Ich konzentriere mich auf die mittelschwere Springtour, wenn Stute Tamina fit ist“, sagt Schaller. Tamina ist ein Pferd seines Reiterkollegens Mikko Piirala aus Tangstedt.

Sein „Oldie“ Magic Boy wird mit 19 Jahren nur für besondere Turniere gesattelt. Bundesweit gibt es in diesem Alter nur drei Springpferde, die noch parcourstauglich sind. Schaller ist beruflich bei vielen nationalen und internationalen Turnieren und Messen unterwegs und in der Szene bekannt. Gefachsimpelt wird häufig über Reitsport. Abstammungen, Charakter, Beweglichkeit und Harmonie zwischen Pferd und Reiter. Ebenso Sattelerneuerungen und Zubehör – was ein Turnierpferd alles benötigt. Der neueste Sattel ist mit Carbon und Kevlar verarbeitet, eine Erneuerung in Zusammenarbeit mit einer französischen technischen und tierärztlichen Hochschule. „Dieser Sattel ist für Profisportler sehr strapazierfähig, die Druckpunkte verschieben sich“, erklärt Schaller.