Hamburger Fußballverband will die Gefahr von Manipulation eindämmen. In der Oberliga lässt sich mit den „richtigen“ Ergebnissen viel Geld verdienen
Pinneberg . „Wie kann einer bloß so unverfroren sein?“, fragt sich Michael Fischer. Im vergangenen Jahr bekam der Trainer des VfL Pinneberg von einem Facebook-Eintrag Wind. Ein Spieler der Hamburger Fußball-Oberliga prahlte ganz unverblümt damit, eine Wette gegen die eigene Mannschaft abgeschlossen und auf diese Weise eine Stange Geld gewonnen zu haben. „Es war ein Ergebnis, das seinerzeit den Abstiegskampf zu Ungunsten des USC Paloma beeinflusst hat“, erinnert sich Fischer.
Sie heißen bet365, BetVictor, BWin, Tipico oder YouWin. Bei mindestens fünf von zahlreichen Wettanbietern und auch in Wettbüros konnten die Zocker am 17. November 2013 den Ausgang der Oberligapartie des VfL gegen die SV Halstenbek-Rellingen (0:0) tippen. Wer mit dem Unentschieden richtig lag, der bekam bis zum 3,6-fachen seines Einsatzes zurück. Wer auch noch auf zweimal Rot für HR-Akteure gesetzt hätte, wäre reich geworden. Andere Partien bieten noch höhere Quoten. Die Angst vor Absprachen und Spielmanipulationen auch im Amateurfußball geht um. Der Hamburger Fußball-Verband schlägt Alarm und ergänzt seine Durchführungsbestimmungen.
Demnach ist es ab sofort „allen Mitgliedern des HFV, deren Funktionsträgern, Verantwortlichen, Spielern, Trainern und Schiedsrichtern untersagt, auf Gewinnerzielung gerichtete Sportwetten selbst oder durch Dritte, insbesondere nahe Angehörige, für eigene oder fremde Rechnung auf den Ausgang oder den Verlauf von Fußball-Spielen oder Wettbewerben, an denen ihre Mannschaften oder sie selber als Schiedsrichter mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind, abzuschließen.“
In der von Verbandssprecher Carsten Byernetzki verbreiteten Erklärung ergeht außerdem die Aufforderung, dass interner Informationsfluss oder Sonderwissen Dritten nicht zur Verfügung gestellt werden darf. Wer auffliegt, dem droht eine Sperre wegen „grober Unsportlichkeit im Sinne der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB“. Für Michael Fischer geht das nicht weit genug. „Spieler oder Trainer, die Spiele verschieben, sind Straftäter, auch in der Oberliga. Sie müssen die ganze Härte des Gesetzes spüren“, fordert er.
Die Hamburger Kicker reagieren amüsiert. „Huch. Wettverbot für Spieler und Verantwortliche. Das haut rein“, heißt es auf dem von Mario Jurkschat, Stürmer des SV Rugenbergen, betriebenen Internet-Portal „Blog-Trifft-Ball“. „Wie soll man den Amateuren denn Absprachen oder merkwürdige Fehler nachweisen? Eine TV-Kamera steht doch nur ganz selten im Stadion“, sagt Teamgefährte Dennis von Bastian. Der Mittelfeldspieler bekennt sich zu seiner Wettleidenschaft: „Ich kreuze gerne mal die Bundesligaspiele an und habe auf diese Weise auch schon mal ein paar hundert Euro gewonnen.“
Der Gedanke, auf Spiele des eigenen Teams zu wetten, sei für ihn abwegig: „Wir sind eine Wundertüte, spielen zu unterschiedlich. Als Tipper würde ich die Finger von Spielen des SV Rugenbergen lassen.“ Nikola Maksimovic, Defensivmann der SV Halstenbek-Rellingen, legt seine Hand ins Feuer: „Ich kann nicht verlieren, auch nicht gegen Bezahlung. Zu 100 Prozent denken meine Teamkollegen ganz genau so.“
Wer aber ist anfällig dafür, Wetten gegen die eigene Mannschaft abzuschließen und dann auf dem Platz eine entsprechend schlechte Leistung abzuliefern? „Junge Leute, die wenig Geld haben, leicht zu beeinflussen sind und in schlechte Gesellschaft geraten sind“, glaubt Thorsten Zessin, Trainer des Wedeler TSV. Schon zu seiner Zeit als Wedeler Oberligaspieler habe er davon gehört: „Wetten in der Oberliga auf eigene Spiele sind ziemlich verbreitet.“
Damit muss aber nicht automatisch ein Betrugsversuch einhergehen. „Ich kann auf einen Erfolg der eigenen Mannschaft tippen und mich so zusätzlich motivieren. Ich kann auch auf eine Niederlage wetten, um die Siegprämie kämpfen und mich, wenn es nicht klappt, mit dem Wettgewinn trösten“, gibt Michael Fischer zu bedenken. Wetten gegen das eigene Team würde er nie dulden: „Einen Spieler, den ich dabei erwische, der spielt bei mir nicht mehr.“
Wetten auf Spiele der fünften Liga und damit der Verführung der Kicker zu Absprachen dürfte es seiner Ansicht nach nicht geben. Doch über im Ausland erworbene Lizenzen drängen immer mehr Anbieter in den deutschen Markt, ein Dschungel, den keiner mehr durchblickt. Fatal: Konnte man bis Mitte des vergangenen Jahres nur in Kombinationswetten gewinnen, indem man den Ausgang von mindestens drei Partien richtig tippte, so sind jetzt Wetten auf ein einziges Spiel möglich. Live-Wetten bieten zusätzliche Gewinnmöglichkeiten: Wer schießt das nächste Tor, wer bekommt den nächsten Elfmeter? „Mit Verdächtigungen soll man sehr vorsichtig sein, erst recht, wenn man nichts beweisen kann. Aber vielleicht sollte man in Zukunft auch mal nachhaken, wenn ein Spieler den Ball kurz vor Schluss im eigenen Strafraum in die Hand nimmt“, empfiehlt Fischer.
Zur Klarstellung: An jenem 17. November ging im Stadion 1 alles mit rechten Dingen zu. Der VfL hatte Pech mit einem Pfostenschuss, die Halstenbeker beschwerten sich bitter über den Schiedsrichter. Doch dass der Hamburger Verband das Wettverbot für Vertragsspieler, die den DFB-Mustervertrag unterschreiben, nun auf seine Amateure ausweitet, lässt nur einen Schluss zu: Es wird auf den Sportplätzen weiterhin betrogen, jede Wette.