Kreis Pinneberg. Erschreckend ist auch die Bilanz der Unfälle mit E-Rollern. Polizei regt ein Comeback des „7. Sinn“ und ein E-Scooter-Verbot an.
Vor gut einem Jahr stirbt ein 88 Jahre alter Mann bei einem tragischen Unfall in Halstenbek mit seinem Elektro-Rollstuhl. Während er auf dem Gehweg neben dem Gefährt steht, kommt er wahrscheinlich versehentlich an den Gashebel, wird mitgerissen, stürzt und erliegt später seinen schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus – er ist einer von neun Toten des vergangenen Jahres auf den Straßen des Kreises Pinneberg, wie aus der aktuellen Verkehrsstatistik der Polizei hervorgeht.
Auch in Klein Nordende ereignet sich im Frühjahr 2023 ein furchtbarer Unfall. Eine Seniorin (70) stürzt mit ihrem E-Roller und stirbt noch an der Unfallstelle. In Wedel kippt im Oktober ein Fahrradfahrer auf die Fahrbahn und wird überrollt. In Bokholt-Hanredder fährt im Sommer ein Motorradfahrer dem vor ihm haltenden Fahrzeug fast ungebremst auf. Vier tödliche Unglücke, die auch die fähigste Polizei nicht verhindern kann. So steigt die Zahl der im Verkehr Gestorbenen gegenüber den Vorjahren (2021 sechs Tote, 2022 vier Tote) so deutlich an wie lange nicht mehr.
„Immer mehr Fahrzeuge, aber nicht mehr Straßen“
Insgesamt hat sich die Zahl der Verkehrsunfälle gegenüber dem Vorjahr ebenfalls deutlich erhöht. Sie stieg im Kreis Pinneberg von knapp 6700 auf mehr als 7300 und liegt mit fast zehn Prozent über dem Landesdurchschnitt (plus 7 Prozent). Noch deutlicher stieg der Zahl der Unfälle mit Verletzten, und zwar auf fast zwölf Prozent.
Joachim Lang von der Polizei in Pinneberg macht zum einen die wachsende Zahl an Verkehrsteilnehmern als auch eine wachsende Rücksichtslosigkeit bei einem Teil der Bürger Sorge. „Wir haben immer mehr Fahrzeuge im Kreis Pinneberg, aber nicht mehr Straßen.“ Nach der Phase der großen Rücksichtnahme wegen der Corona-Pandemie beobachtet der erfahrene Polizist nun genau das Gegenteil.
Aufklärungsfilme wie 7. Sinn zur Vorbeugung
Um diesem Trend gegenzusteuern, will die Polizeidirektion Bad Segeberg, die auch für den Kreis Pinneberg zuständig ist, die Präventionsarbeit verstärken. Joachim Lang hat dafür eine besondere Idee: „Wir sollten den 7. Sinn, der früher mit kleinen Filmchen im Fernsehen zur Verkehrsaufklärung viel beigetragen hat, wieder neu einführen.“
Darüber hinaus gibt die neue Verkehrsstatistik weitere Aufschlüsse über Zahlen und Trends im Kreis Pinneberg: Positiv entwickelt sich etwa die Lage bei den elektrounterstützten Fahrrädern (Pedelecs). Sie sind um etwa 15 Prozent weniger in Verkehrsunfälle verwickelt gewesen, wobei jeder angezeigte Unfall 2023 (95 Fälle) auch mit einer Verletzung endete.
Zahl der Verletzten hat sich verdoppelt: E-Roller-Verleih wie in Paris verbieten?
Gleichzeitig steigt die Beteiligung der 2019 eingeführten E-Roller an Unfällen drastisch an. Diese E-Roller werden insbesondere in den Städten genutzt. Mit 80 Verletzten mussten fast doppelt so viele Fahrer von E-Rollern ärztlich versorgt werden wie im Vorjahr. „Paris hat voriges Jahr die E-Roller verboten“, sagt Joachim Lang, einer der Verkehrsexperten bei der Polizei in Pinneberg.
Glücklicherweise wurde 2023 kein Kind bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt. Auch die Zahl der schwerverletzten Kinder ging deutlich (gut 15 Prozent) zurück, während mehr leichtverletzte Jungen und Mädchen registriert wurden (plus acht Prozent).
Autounfälle Pinneberg: Kein tödlicher Unfall mit jungen Fahrern
Junge Fahrer waren zwar an mehr Unfällen als noch im Vorjahr mehr beteiligt, die Statsitik weist ein Plus von 17 Prozent aus. Es gab aber wie im Vorjahr keinen tödlichen Unfall mit Heranwachsenden. Die Verkehrsunfälle mit Senioren stiegen ebenfalls deutlich an. Als Verursacher wurden sie aber nur in fünf Prozent aller Unfälle im Kreis Pinneberg ermittelt.
Die Anzahl der Verkehrsunfälle mit alkoholisierten Fahrern ist im Vergleich zum Jahr 2022 von 105 auf 121 um 15,2 Prozent gestiegen. Eine deutliche Zunahme ist ebenso bei den Unfällen unter dem Einfluss von Drogen von elf auf 28 (+154,5 %) zu verzeichnen. Allerdings sind in absoluten Zahlen vier Mal so viele Unfälle unter Alkohol registriert worden als unter Drogen.
Unfalldaten vor Corona noch deutlich höher als 2023
Trotz der starken Steigerungen der Unfallzahlen gegenüber dem Vorjahr liegt der Kreis Pinneberg mit seinen 7326 Unfällen noch immer unter den Vergleichszahlen aus der „Vor-Corona-Zeit“. 2019, das letzte Jahr ohne Kontaktbeschränkungen und eingeschränkter Mobilität, hatte die Polizei 7700 Fälle aufgenommen.
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Die Verkehrssicherheit, so verspricht Andreas Görs, Leiter der auch für den Kreis Pinneberg zuständigen Polizeidirektion Bad Segeberg, wird „trotz hoher Aufgabendichte (...) weiterhin ein Schwerpunkt der polizeilichen Tätigkeit sein“. Das Team Prävention soll noch mehr mit den anderen Gruppen vernetzt werden, um die Zahl der Unfälle zu verringern.
Görs: „Diese Zusammenarbeit wird bereits Ende September dieses Jahres mit einem großen Verkehrssicherheitstag in Bad Segeberg ihre ersten Früchte tragen.“