Quickborn/Leipzig. 98-jährige Frau aus Quickborn war vom Landgericht zu Bewährungsstrafe verurteilt worden. Jetzt steht der Termin für ihren Einspruch.

Das Urteil gegen die aus Quickborn stammende, ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard F. (98) wird am 31. Juli höchstrichterlich überprüft. Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat für diesen Tag eine Hauptverhandlung anberaumt, um das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 20. Dezember 2022 zu überprüfen. Die Angeklagte selbst hat den Richterspruch mit der Revision angefochten.

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ist für den Fall zuständig, den das Landgericht Itzehoe nach einem fast zwei Jahre andauernden, spektakulären Verfahren, das auch als Stutthof-Prozess bekannt wurde, kurz vor Weihnachten 2022 abgeschlossen hatte.

Angeklagte soll durch ihre Schreibarbeit Beihilfe zum Holocaust geleistet haben

Die Richter hatten die betagte Angeklagte, die von 1943 bis 1945 rechte Hand des Lagerkommandanten im KZ Stutthof bei Danzig war, wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und fünf Fällen des versuchten Mordes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt – ausgesetzt zur Bewährung.

Das Landgericht war zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagte durch die Erledigung von Schreibarbeit in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof die Haupttäter willentlich dabei unterstützt habe, Gefangene durch Vergasungen, durch die Schaffung lebensfeindlicher Bedingungen im Lager, durch Transporte in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und durch Verschickung auf sogenannte Todesmärsche grausam zu töten oder dies versucht zu haben.

Angeklagte war nach Jugendstrafrecht verurteilt worden

Ihre Arbeit sei für die Organisation des Lagers und die Durchführung der grausamen, systematischen Tötungshandlungen notwendig gewesen, sie war damit ein notwendiger Bestandteil der Mordmaschinerie.

Weil Irmgard F. zur Tatzeit 18 beziehungsweise 19 Jahre alt und damit Heranwachsende war, hatten die Richter das Jugendstrafrecht angewandt. Dies wurde möglich, weil Reifeverzögerungen bei der Angeklagten zum Zeitpunkt der Taten zumindest nicht ausgeschlossen werden konnten.

Landgericht verkündete nach 41 Prozesstage ein Urteil

An 14 der 41 Prozesstagen, die von großem Medieninteresse begleitet waren und für die das Landgericht Itzehoe extra einen externen Gerichtssaal angemietet hatte, hatte der historische Sachverständige Stefan Hördler sein Gutachten erstattet. Auf dieses hatte sich letztlich die Kammer beim Schuldspruch gestützt. Acht Überlebende sagten entweder persönlich aus oder waren per Videoübertragung zugeschaltet.

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Bereits am Tag des Urteils hatten die Verteidiger moniert, dass keine der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen in der mündlichen Urteilsbegründung Erwähnung fanden. Dies betreffe die aus Sicht der Verteidiger problematische Rolle des historischen Sachverständigen sowie den Ortstermin im KZ Stutthof außerhalb der Hauptverhandlung, dessen Ergebnisse die Juristen für nicht verwertbar hielten. Sie legten daraufhin Revision ein.

Der Generalbundesanwalt hatte dann beantragt, einen Termin zur Revisionshauptverhandlung anzusetzen, weil die Revision der Angeklagten grundsätzliche Fragen zur Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord durch die Dienstverrichtung in einem Konzentrationslager, das nicht zugleich ein reines „Vernichtungslager“ gewesen sei, aufwerfe, über die der Bundesgerichtshof für diese Konstellation noch nicht entschieden habe. Es handelte sich um das erste Urteil gegen eine Zivilangestellte in einem Konzentrationslager.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird im August verkündet

Der Bundesgerichtshof wird am 31. Juli von 10 Uhr an im Großen Sitzungssaal des Reichsgerichtsgebäudes in Leipzig, Simsonplatz 1, über die Revision der Angeklagten verhandeln. Eine Entscheidung wird in diesem Tag jedoch nicht fallen. Die Verkündung ist entweder für den 6. oder den 20. August an selber Stelle vorgesehen.