Die Zahl der Bußgeldfälle ist im Kreis Pinneberg stark gestiegen. Für einen Teil der Fotos gibt es jedoch eine kuriose Erklärung.

Der Kreis Pinneberg und die Polizei haben im vergangenen Jahr mehr Raser erwischt als 2022. Dazu beigetragen hat die erhöhte Zahl der mobilen Messungen – und der Blitzeranhänger namens „Zeus“, der rund um die Uhr eingesetzt werden kann.

Kreisweit existieren an sieben Standorten stationäre Messanlagen, sogenannte Starenkästen. Sechs davon verfügen über dieselbe Technik namens Traffipax der Firma Jenoptik, die ab Ende dieses Jahres laut Kreisangaben nicht mehr erneuert wird.

Blitzer: Zwei der sechs Altstandorte sind dauerhaft außer Betrieb

Daher verzichtet der Kreis inzwischen auf teure Wartungen der Altstandorte. Folglich waren zwei der sechs Standorte im vergangenen Jahr außer Betrieb – und werden das auch bleiben.

In Borstel-Hohenraden müssten die Mess-Sensoren in der Fahrbahn turnusgemäß ausgetauscht werden. Weil dieser Standort zukünftig wegfällt, wird diese Maßnahme nicht mehr ausgeführt. Gleiches gilt für Heidgraben. Dort hätte die Eichung der Anlage erneuert werden müssen.

Mobile Messungen fanden auch in Heidgraben und Borstel-Hohenraden statt

In beiden Orten hat es im vergangenen Jahr dennoch eine Tempoüberwachung gegeben. „An beiden Standorten sind mit der mobilen Messanlage allerdings regelmäßig Messungen durchgeführt worden“, sagt Kreissprecherin Katja Wohlers.

Die sechs Blitzer namens Traffipax der Firma Jenoptik, die im Kreis Pinneberg noch aktiv sind, gehen Ende 2024 altersbedingt außer Betrieb.
Die sechs Blitzer namens Traffipax der Firma Jenoptik, die im Kreis Pinneberg noch aktiv sind, gehen Ende 2024 altersbedingt außer Betrieb. © Arne Kolarczyk

Der Kreis verfügt über vier Kameras, die eigentlich abwechselnd in den sechs Säulen eingesetzt werden. Weil im Vorjahr nur vier Standorte in Betrieb waren, hat jeder eine Kamera erhalten. Folglich wurde an diesen Orten dauerhaft gemessen.

An den vier aktiven Standorten wurden 3794 Temposünder (2022: 3493) erwischt. Dabei handelt es sich um Autofahrer, deren Verstöße in den Bußgeldbereich fallen. Diese bearbeitet der Kreis selbst.

Kreis Pinneberg: Kleinere Verstöße werden in Neumünster bearbeitet

Bei geringfügigen Tempoüberschreitungen, die mit einem Verwarngeld geahndet werden, ist die Zentrale Ordnungswidrigkeitenstelle des Landes in Neumünster zuständig. Diese Zahlen liegen dem Kreis derzeit noch nicht vor.

Aus den 3794 Fällen resultierten letztlich 1561 Bußgeldbescheide (2022: 747), also mehr als eine Verdopplung gegenüber 2022. In 262 Fällen (2022: 198) waren die Verstöße derart gravierend, dass die Behörde ein befristetes Fahrverbot aussprechen müsste.

Einsatzfahrten von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst verfälschen die Bilanz

Müsste deshalb, weil in diesen Zahlen auch die Einsatzfahrten von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr enthalten sind. Wenn diese mit Blaulicht unterwegs sind, gelten für sie die Tempolimits natürlich nicht.

Diese Fälle werden trotzdem erfasst und bearbeitet, dann letztlich jedoch eingestellt. 210 der 262 Fahrverbote wurden demnach gar nicht ausgesprochen. Ein Beispiel: der Blitzer an der Altonaer Straße in Rellingen. Dort wären 92 Fahrverbote zu verhängen gewesen.

Blitzer in Rellingen erwischt sehr häufig Krankenwagen mit Blaulicht

Tatsächlich ausgesprochen wurde jedoch nur ein Fahrverbot. Dass diese Fälle ausgerechnet in Rellingen so häufig auftreten, erklärt sich dadurch, dass der Blitzer auf der häufig von Rettungswagen genutzten Verbindung zwischen dem Regio-Klinikum Pinneberg und dem Albertinen Krankenhaus Schnelsen liegt.

Von den vier aktiven Blitzern weist der auf der B4 in Bilsen traditionell die höchsten Zahlen auf. Dort wurden voriges Jahr 1386 Autofahrer geblitzt, die erheblich zu schnell waren. Dicht dahinter folgt die Anlage in Heede mit 1142 Fällen, dort stieg die Fallzahl im Vergleich zu 2022 um 170 an.

Altanlage in Bokholt-Hanredder ging im Vorjahr wieder in den Betrieb

Die Anlage in Bokholt-Hanredder, die 2022 ganzjährig außer Betrieb war, ging im Vorjahr wieder ans Netz und kam auf 696 Fälle. In Rellingen wurden 570 Raser geblitzt.

In Schenefeld stehen an der LSE auf Höhe des Stadtzentrums zwei feste Blitzer mit Lasertechnologie des Herstellers Vitronic. Für beide gibt es eine dauerhafte Kamera, die in Fahrtrichtung Pinneberg auch Rotlichtverstöße an der dortigen Ampel erfassen kann.

In Schenefeld wird an der LSE mit moderner Lasertechnik geblitzt

Aus dieser Anlage kamen 3218 Fälle (2022: 3445) bei der Bußgeldstelle des Kreises an. Sie verhängte 1671 Bußgelder (2022: 1319) gegen Raser und erließ 280 (2022: 291) Fahrverbote.

Der Spitzenreiter fuhr um 1.37 Uhr satte 98 Kilometer pro Stunde schneller als erlaubt. Allerdings handelte es sich auch hier um eine Einsatzfahrt der Polizei. Von den 280 Fahrverboten gingen 97 auf das Konto von Einsatzfahrzeugen, sie wurden also nie ausgesprochen.

693 der 3218 Fälle betreffen Rotlichtmissachtungen. Zum Vergleich: 2022 knipste die Anlage 677 Rotlichtsünder. Bei 127 Fahrern zeigte die Ampel bereits länger als eine Sekunde Rot, bei knapp unter einer Sekunde Rotlicht passierten 566 Autofahrer die Ampel.

Blitzer: 7604 Bußgelder kommen aus mobilen Messungen zustande

Aus den mobilen Messungen, die entweder direkt aus dem VW Bus oder über ein Stativ erfolgen, resultieren 10.507 Fälle (2022: 8709), die zunächst dem Bußgeldbereich zugeordnet wurden. Also auch hier ein sattes Plus. Letztlich wurden 7604 Bußgelder (2021: 1589) und 181 Fahrverbote (2022: 156) ausgesprochen.

Der höchste gemessene Verstoß stammt aus Schenefeld, wo ein Fahrer auf der LSE mit Tempo 180 gemessen wurde. Erlaubt waren 80 Kilometer pro Stunde. Die Strafe: drei Monate Fahrverbot, 1400 Euro Geldstrafe, zwei Punkte im Verkehrszentralregister.

Die Zahl der Messeinsätze wurde im vorigen Jahr erhöht

Die Zahl der Messeinsätze wurde 2023 ausgebaut, was die gestiegenen Zahlen erklärt – und sie erfolgten meist auch in beide Fahrtrichtungen. Es gibt aus der Bevölkerung viele Anfragen zu diesem Thema. Wenn an einer solchen Messstelle eklatante und häufige Überschreitungen festgestellt werden, wird diese regelmäßig angefahren.

Blitzeranhänger Zeus überführt 5293 Temposünder im Kreis Pinneberg

Der Blitzeranhänger Zeus hat sich zur wichtigen Säule der Tempoüberwachung entwickelt. Er überführte im Vorjahr 5293 Raser (2022: 6123). Daraus ergaben sich 3346 verhängte Bußgelder (2022: 1062) und 181 angeordnete Fahrverbote (2022: 200).

Der Blitzeranhänger Zeus wurde Mitte Februar 2023 Opfer eines Brandanschlags. Die Schäden waren aber minimal, das Gerät musste nur kurz pausieren.
Der Blitzeranhänger Zeus wurde Mitte Februar 2023 Opfer eines Brandanschlags. Die Schäden waren aber minimal, das Gerät musste nur kurz pausieren. © HA | Florian Sprenger / Westküsten-News

Die höchste Überschreitung meldete Zeus von der Friedrichsgaber Straße in Quickborn, wo an einem Mittwoch um 23.51 Uhr ein Autofahrer mit Tempo 125 geblitzt wurde. Zulässig waren dort 50 Kilometer die Stunde. Allerdings: Auch in diesem Fall handelte es sich um eine Einsatzfahrt der Polizei.

Der große Vorteil des Blitzeranhängers ist, dass er rund um die Uhr ohne personelle Überwachung arbeiten kann. Und dank des eingebauten Akkus kann das Gerät bis zu einer Woche an einem Standort eingesetzt werden.

Blitzeranhänger Zeus ist nahezu unkaputtbar

Das Gerät verfügt über eine CO2-Löschanlage im Innern, sodass die Technik auch einen Brandanschlag überstehen kann. Dazu kam es auch im Februar 2023 in Rellingen. Der Schaden war angesichts der Vorkehrungen minimal.

Zudem ist der Innenraum abgekapselt und die Scheiben verfügen über eine Panzerung. Das half auch beim Anschlag mit einem Hammer, dem das Gerät Anfang März an der Lindenstraße in Bokel ausgesetzt war. Damals mussten lediglich zwei Scheiben ausgetauscht werden.

Tempokontrolle: 22.812 Fotos werden 2023 als Bußgeldfälle eingestuft

Rechnet man alle Messarten zusammen, wurden 22.812 Fotos als mögliche Bußgeldfälle eingestuft. Zum Vergleich: 2022 kamen lediglich 21.770 solcher Fälle bei der Bußgeldstelle an. Allerdings muss erwähnt werden, dass ein Teil der Fälle aus Einsatzfahrten der Polizei resultiert. Bei den stationären Anlagen gehen zusammengerechnet 307 der 542 möglichen Fahrverbote auf Blaulichtfahrten zurück.

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Fünf Messangestellte des Kreises betreuen gemeinsam mit Polizisten die Messeinsätze, 13 Mitarbeiter – teilweise in Teilzeit – arbeiten in der Bußgeldstelle. Gearbeitet wird 2024 auch daran, die neuen Blitzerstandorte einzurichten.

Alle bisherigen Standorte im Kreis Pinneberg auf den Prüfstand gestellt

Nach dem technischen Ende für die sechs Altstandorte hatte der Kreis alle bisherigen Standorte – außer Schenefeld – auf den Prüfstand gestellt. Von den Standorten in Bilsen, Bokholt-Hanredder, Borstel-Hohenraden, Heede, Heidgraben und Rellingen bleibt nur der Blitzer in Bilsen übrig.

40 mögliche neue Standorte wurden geprüft. Die Meldungen kamen von Polizei und Kommunen, außerdem flossen eigene Erkenntnisse des Kreises ein. Zwölf Standorte blieben am Ende übrig. Weil die Polizei einer Ausweitung mangels Personal in der Zentralen Ordnungswidrigkeitenstelle eine Absage erteilt hatte, bleibt es bei sieben Anlagen. Kreis und Polizei sind seit Juli 2005 bei der Geschwindigkeitsüberwachung Projektpartner.

In diesem Jahr soll die technische Umsetzung an den neuen Standorten erfolgen

Außer Schenefeld und Bilsen, wo künftig analog zu Schenefeld beidseitig mit zwei Säulen gemessen wird, blitzt es in Zukunft in Bokholt-Hanredder – dann auf Höhe Schule/Kita –, in Rellingen neu an der Adlerstraße 37 Höhe Krupunder Ring sowie in Elmshorn (B 431 Westerstraße Höhe Netto Markt), Bönningstedt (Kieler Straße 129, Schule) und Hemdingen (Steindamm, Höhe Schule/Kindergarten).

„Aktuell laufen die erforderlichen Prüfungen für die sechs Standorte, damit die technische Umsetzung im Laufe dieses Jahres erfolgen kann“, sagt Kreissprecherin Katja Wohlers. Sie werden wie in Schenefeld mit Lasermesstechnik ausgestattet sein und im Gegensatz zur alten Technik beidseitig blitzen.

An allen neuen Standorten erfolgt die Tempokontrolle künftig beidseitig

In Schenefeld und Bilsen erfolgt dies aus zwei Säulen an den Fahrbahnrändern, in Bönningstedt, Bokholt-Hanredder, Elmshorn, Hemdingen und Rellingen aus einer Säule. Die vier noch aktiven Altstandorte sollen noch bis Ende 2024 weiterbetrieben werden.