Pinneberg. Verwaltung und Politik wollen letzte städtische Kitas verkaufen. 120 Kinder sind betroffen. Der Elternrat zeigt sich bestürzt.
Die Überraschung war groß, Proteste seitens der Politik hingegen hielten sich eher im Rahmen. Doch nun sorgt ein Brandbrief für Aufruhr, nachdem die Pinneberger Stadtverwaltung Anfang September 2023 die Verkaufsabsichten für ihre beiden städtischen Kindertagesstätten mitteilte. Damals gab es zwar entsetzte Stimmen aus Kreisen der Eltern, die Kritik aus dem politischen Lager hingegen war eher moderat. Wenn es denn überhaupt Kritik gab.
Zum Beispiel aus Reihen der FDP war schon damals zu hören, dass die Trägerschaft für eine Kita nicht zu den Kernaufgaben einer Stadtverwaltung zu rechnen sei und dass Externe eine wesentlich größere Expertise für diese Aufgabe hätten. „Für einige wenige Kitas nicht auf diese Expertise zurückzugreifen, wäre in unseren Augen ein Fehler. Daher begrüßen und unterstützen wir dieses Umdenken“, sagte damals der FDP-Vorsitzende Lukas Alexander Ellgoth.
Buntes Pinneberg befürchtet durch einen Verkauf den Verlust an Vielfalt
Die Fraktion Buntes Pinneberg befürchtete hingegen schon damals den Verlust der Vielfalt, wenn eine andere bereits in Pinneberg tätige Institution die Trägerschaft übernehme.
Geschehen ist seitdem offiziell nicht viel. Das Thema der Übergabe der Trägerschaft für die Kitas Richard-Köhn-Straße und Saarlandstraße zum 1. August soll nun im ersten Quartal 2024 in den städtischen Entscheidungsprozess aufgenommen werden. Aber zumindest gesprochen haben die beteiligten Seiten – Stadt und Elternschaft – miteinander. Endlich.
Im November kommt es zum Gespräch zwischen Stadt, Eltern und Personal
„Nach fast drei Monaten ohne weiterführende Kommunikation folgte im November ein offener Austausch zwischen der Stadtverwaltung und der Politik Pinnebergs sowie dem Personal der Städtischen Kita und den Eltern. Die Stadt erklärte, dass die Auflagen des am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen schleswig-holsteinischen Kindertagesförderungsgesetzes (KiTaG) der Grund für den möglichen Verkauf seien“, teilt die Elternratsvorsitzende Pauline Peters-Vetter in einem an das Hamburger Abendblatt adressierten Offenen Brief mit.
In den Ausführungen der Stadt habe es geheißen, dass sie den hohen Auflagen des KiTaG nur unter enorm großem Aufwand gerecht werden könne. Peters-Vetter: „Zu unserem Entsetzen mussten wir dabei feststellen, dass die anscheinend überforderte Stadtverwaltung es versäumt hatte, sich in den letzten drei Jahren fachlichen Rat einzuholen.“
Elternschaft holt eigenes Gutachten ein – mit überraschendem Ergebnis
Die Elternschaft habe dies umgehend und selbstständig nachgeholt und der Stadtverwaltung sowie der Politik Pinnebergs ein Gutachten vorgelegt. „Darin wird aufzeigt, dass der Aufwand zur Umsetzung des KiTaG auf ein sehr kleines Maß heruntergebrochen werden könnte – wenn man denn wollte“, sagt die Elternratsvorsitzende und nimmt die Stadt damit in die moralische Pflicht.
Und es sei Eile geboten, denn der eingeschlagene Weg zeige bereits negative Auswirkungen. „Das dilettantische Vorgehen der Stadt Pinneberg hat zu einer großen Verwunderung und Verunsicherung nicht nur bei uns Eltern geführt, sondern auch bei den Mitarbeitenden der Kitas. Einige wurden bereits abgeworben und es drohen weitere Weggänge“, schildert Petters-Vetter einige Folgen.
Die ungewisse Situation beeinflusst den aktuellen Kita-Betrieb
Und die Elternratsvorsitzende dreht das Rad noch weiter: „Hinzu kommt, dass sich aufgrund der ungewissen Zukunft der Kitas keine Erzieher/-innen mehr auf offene Stellen bewerben. Somit wird die sowieso schon bestehende Personalknappheit zusätzlich verstärkt“, schreibt Petters-Vetter. „Es kommt zu Gruppenschließungen; Eltern müssen zu Hause bleiben, um ihre Kinder zu betreuen. Dabei fürchten sie teils selbst um ihren Arbeitsplatz und fehlen der Gesellschaft als wichtige Arbeitskraft.“
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Und auch mit der Politik geht die Elternratsvorsitzende ins Gericht: „Die Politik wollte ,keine Entscheidung zulasten der Kleinsten (treffen)‘. Leider führt das Nicht-Entscheiden nun genau zu der Belastung, die man vermeiden wollte“, klagt die empörte Mutter.
„Die Politik ist sich der brenzligen Situation aufgrund der drohenden Verschärfung der Personalknappheit in der Kita durchaus bewusst. Wir sind enttäuscht, dass die Stadt nicht erst die notwendigen Voraussetzungen für einen Erhalt der Kita hat fachlich prüfen lassen, bevor die Möglichkeit eines Verkaufs in Erwägung gezogen wird.“
Die Elternratsvorsitzende sieht akuten Handlungsbedarf
In diesem Zuge hat Pauline Petters-Vetter gleich mehrere Fragen an die Entscheidungsträger: „Welche Interessen werden in der Politik Pinnebergs eigentlich vertreten? Wer übernimmt die Verantwortung für die bereits entstandenen Konsequenzen?“ Für die Elternratsvorsitzende ist klar: „Die aktuelle Situation in der Kita ist katastrophal und es besteht dringender Handlungsbedarf.“