Schenefeld. So geht Workation: Lennart Studt arbeitet für eine Kanzlei, tourt aber im VW-Bulli durch Europa. Wie und wieso das funktioniert.

Im regnerischen Norwegen hat Lennart Studt schon Mandanten betreut, in der spanischen Hitze und in der französischen Idylle. Und das, obwohl der 28-jährige Steuerberater-Anwärter für eine Kanzlei in Schenefeld arbeitet.

Möglich ist das, weil sein Chef ihm eine „Workation“ (dt. etwa „Arbeitsurlaub“) abgesegnet hat. Wie Studt dazu gekommen ist, auf Reisen zu arbeiten, wie es sich in einem VW-Bulli lebt und warum er das geliebte Gefährt jetzt dennoch verkaufen will.

Aus dem VW-Bulli: Steuerexperte arbeitet von unterwegs für Schenefelder Kanzlei

Ein ganzes Jahr lang tauschten Steuerberater-Anwärter Studt und seine Frau das, was der Zuhausegebliebene seine eigenen vier Wände nennt, gegen einen fahrbaren Untersatz. Im selbst ausgebauten VW T5 entdeckten die beiden Europa von den Nordlichtern der Lofoten bis zum südlichsten Zipfel Tarifa – und zwar „mit all den Herausforderungen, die so ein Bulli mit sich bringt, und sei es nur die Größe“, sagt Studt, „denn es ist auf Dauer unglaublich eng da drinnen, sobald das Wetter für mehrere Tage regnerisch ist und sich das Leben im Van abspielt!“

Erstaunlich: Für den gemeinsamen Trip musste das Paar nicht einmal Urlaub nehmen. Studt erledigte seine Arbeit ganz neuzeitlich direkt aus dem Bulli, seine Frau schrieb während der Reise an ihrer Masterarbeit. Nach Feierabend widmeten sich die beiden ihren liebsten Hobbys, etwa dem Surfen oder Wandern.

„Du hast überall besseres Internet als in Deutschland“, erzählt der Europareisende

Die beiden reisten zuerst von Dänemark nach Skandinavien, wo sie Norwegen, Schweden und Finnland besuchten. „Ich glaube, wir haben unser Herz beide mal wieder in Norwegen verloren, auf den Lofoten“, schwärmt Studt.

Anschließend tuckerten sie wieder zurück nach Deutschland, um von hier aus einen kurzen Abstecher nach Kanada, der Heimat von Studts Frau, zu machen – selbstverständlich per Flug statt im Bulli. Zurück in Europa tourten die beiden dann mehrere Monate lang durch Frankreich und Spanien.

Strom? Wasser? Alles kein Problem – auch nicht beim „Freistehen“

Dabei stand der Bulli die meiste Zeit über frei, also nicht auf einem Campingplatz, erzählt Studt. Möglich machten das zwei Ersatzbatterien, die sich über Solarpanele laden lassen. Auch das Frischwasser mussten sie nur alle vier bis fünf Tage auffüllen.

Und was das Netz angeht, hat man unterwegs sowieso gute Karten, sagt Studt: „Es ist unglaublich, du hast überall besseres Internet als in Deutschland. Der Internetempfang war also das geringste Problem.“ Den Besprechungen mit seinen Mandanten per Videotelefonie stand demnach nichts im Weg.

Alles auf Pragmatik: Viel Platz fürs Arbeiten hat Steuerexperte Lennart Studt in seinem VW-Bulli nicht.
Alles auf Pragmatik: Viel Platz fürs Arbeiten hat Steuerexperte Lennart Studt in seinem VW-Bulli nicht. © Lennart Studt

Das Reisen und das Arbeiten passen für Studt nicht nur unter einen Hut, sondern gehören schlichtweg zusammen. Sein damals noch unerfüllter Wunsch, das Schöne mit dem Nützlichen zu fusionieren, war für ihn vor rund einem Jahr sogar Kündigungsgrund.

Studt kündigte altem Arbeitgeber, weil er keine „Workation“ machen durfte

Zu jener Zeit arbeitete Studt für eine der „Big Four“, also eine der gewichtigsten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt. Für viele ein absolutes Karriereziel, doch Studt wollte seine Tätigkeit mit einer Europareise verbinden, wofür sein Arbeitgeber ihn nicht freistellte – und so reichte er die Kündigung ein.

Kein Grund für Zukunftsängste, erst recht nicht auf dem heutigen Arbeitsmarkt, wusste Studt. „Ich bin gut geschult, ich bin studiert, mich kann man gebrauchen“, dachte er sich und fand wie geplant schnell eine Stelle bei einem Arbeitgeber, der seinen Reiseplänen nicht im Weg stand und bei dem es auch menschlich einfach passte: der digitalen und innovativen Steuerberatung Erich Erichsen aus Schenefeld.

Feierabend in hochromantisch: Der VW-Bulli unterm Nordlichter-Sternenzelt
Feierabend in hochromantisch: Der VW-Bulli unterm Nordlichter-Sternenzelt © Lennart Studt

Schenefelder Kanzlei erfüllt dem Reiselustigen seinen Traum

Die Kanzlei macht schon seit einigen Jahren mit ihrer modernen Mitarbeiterführung und flexiblen Arbeitszeiten auf sich aufmerksam, ist technisch hervorragend ausgestattet und hat bereits die 25-Stunden-Woche eingeführt – bei gleichbleibendem Lohn für die Mitarbeiter.

Kanzleiinhaber Erichsen fiel es daher nicht allzu schwer, sich in Studts Wünsche einzufühlen, das unternehmerische Wagnis zu schultern und seinem neuen Mitarbeiter die Arbeit im Dauerurlaubsmodus zu gestatten – solange die Ergebnisse stimmen.

Studt möchte aber auch hervorheben, dass die gute technische Ausstattung der Kanzlei Erichsen der Grundstein für das Unterfangen „Workation“ ist. Weiterhin seien Chef und Mitarbeiter hier stets in reger Kommunikation, ohne die seine Europareise ebenfalls undenkbar gewesen wäre. Im Laufe des Reisejahres besuchte Studt die Kanzlei zudem alle paar Monate, um regelmäßig persönlichen Kontakt zu den Kollegen zu halten.

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Rund ein Jahr nach Reisebeginn ist Studts Bulli-Abenteuer jedoch erst einmal Geschichte – das Fahrzeug wird verkauft. Ein wenig tut es Studt leid, das ist unmissverständlich. Doch habe sich auf großer Fahrt abgezeichnet, dass ein anderes Reisegefährt den Gewohnheiten des Paares sowie eventuellem Familienzuwachs wahrscheinlich besser entspricht.

Deshalb basteln Studt und Frau nun an einem Anhänger, der ihre neue Heimstatt auf Rädern werden soll. Der autarke, ausgebaute VW-Bulli wiederum sucht derzeit einen neuen Käufer.

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Sobald der Anhänger reisebereit ist, soll es wieder auf Tour gehen. „Das Reisen steckt einfach in unserer DNA. Ich würde am liebsten sofort wieder losfahren“, sagt Studt. „Uns hält nicht viel an einem Ort.“ Zumal es für das Paar noch immer viel zu entdecken gibt auf unserem Kontinent.

Durch Osteuropa würde Studt beispielsweise gern einmal reisen, erzählt er. Wo auch immer es hingeht: Neugierige können ihn und seine Frau beim Reisen und Arbeiten auf ihrem Instagramkanals elmar.nomads verfolgen.