Kreis Pinneberg. Seit einem Jahr absolviert die Kreisverwaltungschefin fast alle Dienstfahrten mit ÖPNV und Fahrrad. Warum das nicht alle gut finden.
Ist Pinnebergs Landrätin Elfi Heesch zu umwelt- und kostenbewusst? Verliert sie durch ihre Konzentration auf eine klimafreundliche Mobilität, der sie vieles unterordnet, die Bürgerfreundlichkeit und das gute Verhältnis zu den kleineren Kommunen aus den Augen?
Seit einem Jahr verzichtet Elfi Heesch auf einen Dienstwagen und wickelt fast alle ihre Dienstfahrten mit Fahrrad, E-Bike und ÖPNV ab. Dieser bewusste Verzicht aufs Auto, der wohl einmalig im Land für eine Kreisverwaltungsleitung sein dürfte, bringt ihr nun Kritik ein.
So klagen Bürgermeister wie Rolf Lammert aus Bönningstedt, dass die Landrätin in zweieinhalb Jahren Amtszeit noch nie in seiner Gemeinde war. Und auf Landesebene soll die Landrätin Heesch bei wichtigen Terminen oft zu spät oder gar nicht auftauchen, berichtet CDU-Kreisfraktionschefin Heike Beukelmann.
Rad statt Dienstwagen: Ist Pinnebergs Landrätin deshalb oft spät dran?
Eine interne Prüfung der Kreisverwaltung vor einem Jahr brachte das Ergebnis, dass auch Landrätin Heesch den geldwerten Vorteil eines Dienstwagens zu versteuern habe. Das betraf in ihrem Fall ein Elektrofahrzeug im Wert von 60.000 Euro, das sie zu einem Viertel Prozent (150 Euro) im Monat zu versteuern habe.
„Hinzu kommt ein geldwerter Vorteil in Form der ersparten Fahrtkosten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte“ der Landrätin, also der Arbeitsweg zwischen Altona und dem Kreishaus in Elmshorn, teilt die Verwaltung auf Nachfrage mit. Die Kosten dafür, wohl je nach Nutzung bis zu 400 Euro im Monat, seien der Landrätin bis Juni 2022 in Rechnung gestellt worden.
„Die Landrätin braucht kein Auto, um zur Arbeit zu kommen“
Seitdem verzichte sie aber gänzlich auf einen eigenen Dienstwagen, heißt es aus der Kreisverwaltung. „Die Landrätin braucht kein Auto, um zur Arbeit zu kommen“, teilt ihre Sprecherin Katja Wohlers mit. „Für sie macht es also keinen Sinn, einen Dienstwagen zu finanzieren, der kaum genutzt wird.“ Auch privat habe sie kein Auto.
„Die Landrätin ist schon seit vielen Jahrzehnten überzeugte und begeisterte Radfahrerin.“ Und wenn es doch einmal zeitlich eng werden oder ein Zielort mit dem ÖPNV nicht erreichbar sein sollte, könne die Landrätin jederzeit auf eines der 30 E-Autos aus der Flotte der Kreisverwaltung zurückgreifen, so die Sprecherin, die betont: „Der für die Landrätin vorgesehene Dienstwagen kann seit Juni 2022 von allen Mitarbeitenden genutzt werden – als ganz normaler Teil der E-Flotte.“
Manche Orte sind mitunter mit der Bahn schneller zu erreichen als mit dem Auto
Um Termine in Kiel beim Landkreistag oder in Neumünster beim Verwaltungsrat der Sparkasse Südholstein zu erreichen, nehme Landrätin Heesch die Bahn. „Die Entfernung ist mit Bahn und Faltrad kein Problem“, teilt ihre Sprecherin mit. „Orte wie Kiel oder Neumünster lassen sich von Elmshorn aus bestens mit der Bahn erreichen – mitunter auch durchaus schneller als mit dem Auto.“
Sollte es mal Probleme bei der Anbindung geben, dann nutze die Landrätin ein Fahrzeug der E-Flotte. „Kommt aber selten vor“, teilt die Verwaltung mit und präzisiert: „Die Landrätin nutzt die Fahrzeuge bisher ausschließlich dienstlich.“
90 Prozent der Dienstreisen mit der Bahn zurückgelegt
Sollte sie aber doch einmal ein Fahrzeug privat nutzen, so würden ihr die Kosten am Jahresanfang für das vergangene Jahr nach der Fahrtenbuchmethode in Rechnung gestellt, so wie es bei ihrem Amtsvorgänger Oliver Stolz der Fall gewesen sei. „Herr Stolz hatte einen Dienstwagen, den er auch für private Fahrten – vor allem den Weg zur Arbeit – genutzt hat. Die Abrechnungen sind jedes Jahr über die Fahrtenbuchmethode abgewickelt worden.“
Im Zeitraum von August 2022 bis Juli 2023 habe Landrätin Heesch insgesamt 7835 Kilometer an Dienstreisen zurückgelegt, davon seien es 6935 Kilometer per Bahn (88,5 Prozent) und 680 Kilometer mit Auto der E-Flotte (8,7 Prozent) der Kreisverwaltung gewesen. 142 Kilometer sei sie im Auto mitgenommen worden. Die Bahn-Reisekosten der Landrätin betrugen in diesem Zeitraum 1820,74 Euro.
Durch die Nutzung der Bahn sei sie klimafreundlicher unterwegs, betont die Verwaltungssprecherin. „Gegenüber Dienstfahrten mit einem herkömmlichen Verbrenner hat sie 70,3 Prozent an CO eingespart. Gegenüber Dienstfahrten mit E-Auto liegt die Einsparung immer noch bei 43,2 Prozent.“
FDP: Radfahren kostet möglicherweise zu viel Arbeitszeit
Doch nicht überall kommt ihre Leidenschaft für das Rad- und Bahnfahren gut an. „Eine Verwaltung zu leiten und zu lenken ist wichtiger als Radfahren“, kritisiert FDP-Kreisfraktionschef Olaf Klampe. Es stelle sich die Frage, wie viel Arbeitszeit durch das Radfahren bei der Landrätin verloren gehe. „Ich würde es nicht so machen. Ich würde die Aufgaben anders angehen.“
Vielleicht käme Landrätin Heesch nur deshalb zu Terminen im Land zu spät, weil der ÖPNV so unzuverlässig sei, mutmaßt CDU-Fraktionschefin Beukelmann. Jedenfalls werde ihr das von Kollegen im Land zurückgemeldet. Doch eine Landrätin müsse auch erkennen, dass sie rechtzeitig vor Ort zu sein habe, findet Beukelmann. Denn auch Bürgermeister im Kreis äußerten dazu ihre Kritik „laut“.
„Landrätin Heesch war noch nie in Bönningstedt“
Wie zum Beispiel Rolf Lammert in Bönningstedt. „Landrätin Heesch war noch nie in Bönningstedt. Die Zusammenarbeit mit ihr ist wirklich nicht gut“, klagt er. Als er sie Ende 2022 bei einem Treffen im Kreishaus darauf aufmerksam machte, habe Elfi Heesch gesagt, sie würde nach der Kommunalwahl im Mai dafür Zeit haben. „Aber sie hat nicht einmal angerufen“, wundert sich Lammert.
Auch bei der Frage der Kreisumlage, die alle Kommunen wegen der enormen Rücklagen des Kreises gesenkt wissen wollen, unterstütze sie diese nicht. „Das zeigt mir, dass sie die Sorgen der Kommunen überhaupt nicht ernst nimmt.“
CDU wundert sich über „hohe personelle Fluktuation im Umfeld der Landrätin“
Dazu teilt die Kreisverwaltung mit: „Die Landrätin nimmt alle Termine wahr, die ihre Präsenz erfordern. Die Kriterien bei der Auswahl sind Priorität und Verfügbarkeit, nicht Erreichbarkeit mit ÖPNV.“ Und: Landrätin Heesch stehe „in einem intensiven Austausch mit den Kommunen“. Dies geschehe vor allem in der Konferenz der Verwaltungsleitungen, in der die hauptamtlichen Bürgermeister*innen und Amtsleitungen vertreten sind. „Mit den ehrenamtlichen Bürgermeister*innen kommt sie ebenfalls regelmäßig zusammen. Wenn es darüber hinaus aktuelle Themen zur Klärung gibt, kommt es zu bilateralen Kontakten.“ Offenbar gilt das nicht für alle.
CDU und SPD äußern zudem noch weitere Kritikpunkte. So wundere sie sich über „die hohe personelle Fluktuation im unmittelbaren Umfeld der Landrätin“, sagt Heike Beukelmann. „Das betrachte ich mit großer Sorge.“ Ein Insider sagt dazu: „Man könnte mit Elfi Heesch persönlich Pferde stehlen.“ Das Charakterbild ändere sich aber, sobald es um ihre Arbeit als Landrätin gehe.
SPD: Viel mehr Dienstleistungen und Anträge müssen online gestellt werden
SPD-Kreisfraktionschef Hans-Peter Stahl erkennt an, dass ihre Leidenschaft für die klimafreundliche Mobilität „ein persönliches Anliegen der Landrätin Heesch und ihre große Stärke ist“, weil das auch Vorbildcharakter habe. Doch er vermisse dabei, dass die Kreisverwaltung bei der Digitalisierung endlich vorangehe. „Das ist eine Riesenaufgabe für die Verwaltung, ohne die wir den Fachkräftemangel nicht in den Griff kriegen werden“, ist Stahl überzeugt. Weil bald gar nicht mehr genug Personal da sein werde, um all die behördlichen Aufgaben zu erledigen.
Darum müssten viel mehr Dienstleistungen und Anträge online gestellt werden können. Es gebe aber gerade mal sechs Online-Formulare bei der Kreisverwaltung Pinneberg, kein Erklärvideo, nicht einmal eine Online-Terminvergabe, kritisiert Stahl.
- Wedel: Gestohlen? Eingeschmolzen? Rätsel um Schiffsschraube hält an
- Geschäft in Flammen: 80.000 Euro Schaden nach Feuer in Elmshorn
- Bürgermeisterwahl in Pinneberg: Frage nach Wohnort sorgt für Verwirrung
„Die hat doch heute fast schon jeder Friseur und jede Gaststätte“, sagt er und fordert: „Das ist Aufgabe der Landrätin. Sie müsste bei der Digitalisierung vorangehen.“
Landrätin Heesch verweise stets auf die „Kundenorientierung“
Wenn er Landrätin Heesch darauf anspräche, sage sie, dass ihr die „Kundenorientierung“ wichtig sei. „Das ist mir zu wenig“, sagt Stahl. „Es geht um die Bürgerorientierung der Verwaltung.“ Ein Kunde konsumiere. „Ein Bürger hat Rechte und Pflichten“, sagt Stahl und fordert auch ein „Feedbacksystem“ ein, in dem die Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck bringen könnten, ob und wie zufrieden sie mit der Dienstleistung der Verwaltung seien. „Wir wissen gar nicht, wie gut unsere Kreisverwaltung arbeitet und wo sie besser werden sollte.“