Elmshorn. Konzern hat die 540 Mitarbeiter informiert, die Deutschlandzentrale 2025 zu schließen. Was der Betriebsrat vorhat.

Trauer, Wut und Enttäuschung: So ist die Stimmungslage unter den etwa 540 Mitarbeitern des Elmshorner Autoteileherstellers Autoliv, nachdem sie am Donnerstagmorgen über die beabsichtigte Komplettschließung des Standortes Anfang 2025 informiert worden sind.

„Wir sind kampfbereit und werden es notfalls dem Konzern so teuer wie möglich machen“, kündigt der Betriebsratschef Klaus Brüggemann an. Die Mitarbeitervertretung hatte um 8.15 Uhr von den Plänen des schwedisch-amerikanischen Konzerns erfahren, der Sicherheitssysteme für die Automobilindustrie entwickelt und herstellt.

Elmshorn: Autoliv-Aus – bei der Verkündung flossen Tränen

30 Minuten später trat Deutschlandchef Stefan Wagner in einer eilends einberufenen Mitarbeiterversammlung kurz vor Ferienbeginn vor die Belegschaft, um das Aus für den Standort – der eigentlich die Deutschland-Zentrale des Konzerns ist – zu verkünden. Das Ende von 500 Vollzeitstellen.

Etwa 160 Mitarbeiter waren vor Ort, andere online zugeschaltet. „Für uns war das ein Schock, mit so etwas hatten wir nicht gerechnet“, so der langjährige Betriebsratschef weiter.

Es habe Tränen bei der Verkündung gegeben, laut Brüggemann herrschte eine „Grabesstille“. Es sei „eine sehr bedrückende Veranstaltung“ gewesen. Inzwischen dominiere die Wut. Das Gebäude habe sich in kurzer Zeit geleert.

Sie sind kampfbereit: Teile des Betriebsrat von Autoliv Elmshorn um den Vorsitzenden Klaus Brüggemann (v.l.), Anke Krummer, Torsten Kock, Gerd Müller, Marco Meins und Knut Janzen.
Sie sind kampfbereit: Teile des Betriebsrat von Autoliv Elmshorn um den Vorsitzenden Klaus Brüggemann (v.l.), Anke Krummer, Torsten Kock, Gerd Müller, Marco Meins und Knut Janzen. © Arne Kolarczyk

Bereits 2021 hatte der Konzern entschieden, die Produktion von Sicherheitsgurten in Elmshorn zu schließen und nach Ungarn und Rumänien zu verlagern. Das kostete mehr als 200 Arbeitsplätze. „Die letzten Kollegen aus der Produktion sind Ende Juni diesen Jahres gegangen“, so der Betriebsratschef.

Autoliv-Aus: Schließungspläne in der leeren Produktionshalle verkündet

Ironie des Schicksals: Ausgerechnet in der leeren Produktionshalle verkündete der Deutschland-Chef nun die endgültige Schließung des Standorts. „Wir hatten uns auf weitere Einsparmaßnahmen, auf weiteren Personalabbau eingestellt. Aber auf so etwas nicht“, so Brüggemann.

Nach dem Aus für die Produktion sind in Elmshorn noch hoch qualifizierte technische und kaufmännische Angestellte tätig – etwa in der Kundenbetreuung, Finanzbuchhaltung, in Einkauf und Vertrieb sowie im Engineering. Auch eine Entwicklungsabteilung für Sicherheitsgurte hat in der Krückaustadt ihren Sitz.

Elmshorn: Autoliv will alle Aufgabenbereiche nach Dachau bei München verlagern

Alle diese Aufgaben will der Konzern bis spätestens Anfang 2025 nach Dachau bei München verlegen, wo Autoliv einen weiteren Standort hat und vor Kurzem in ein neues Gebäude eingezogen ist. „Offenbar hat der Konzern entschieden, dass er in Deutschland nur einen Standort haben will“, so Kai Trulsson, Erster Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Unterelbe.

Trulsson bezeichnet die Ankündigung als „Schock“. Die Gewerkschaft werde eng mit dem elfköpfigen Betriebsrat von Autoliv zusammenarbeiten und die weiteren Maßnahmen abstimmen. „Theoretisch ist alles möglich“, so Trulsson, der auch einen Streik nicht ausschließen will.

Autoliv: Sozialtarifvertrag garantiert Beschäftigungssicherung bis Ende 2024

Der Gewerkschaftschef weist auf einen Sozialtarifvertrag hin, den die Gewerkschaft anlässlich der Schließung der Produktion mit dem Konzern abgeschlossen hat. Er enthält eine Beschäftigungssicherung und eine Festschreibung der Beschäftigtenzahl bis Ende 2024.

Klaus Brüggemann arbeitet seit 1990 bei Autoliv in Elmshorn und ist der langjährige Betriebsratschef.
Klaus Brüggemann arbeitet seit 1990 bei Autoliv in Elmshorn und ist der langjährige Betriebsratschef. © Arne Kolarczyk

Betriebsratschef Brüggemann (59), der seit 1990 dem Unternehmen angehört, will rechtlich prüfen lassen, ob die heutige Ankündigung des Arbeitgebers einen Verstoß gegen den Sozialtarifvertrag darstellt. Er kann sich nicht vorstellen, dass Autoliv auf einen Schlag Anfang 2025 die gesamte Arbeit nach Bayern verlagern will.

In Elmshorn werden Sicherheitsgurte entwickelt, in Dachau Airbags

„Das kann eigentlich wenn überhaupt nur in mehreren Schritten gehen“, so der Arbeitnehmervertreter. Sollte damit bereits 2024 begonnen werden, könnte dies einen Verstoß gegen den Sozialtarifvertrag darstellen.

Weil die Kollegen in Dachau in völlig anderen Bereichen tätig sind, könne sich keiner in Elmshorn so richtig vorstellen, wie die Verlagerung der Aufgaben ohne Reibungsverluste vonstatten gehen soll. Während in Dachau aktuell etwa 360 Mitarbeiter in der Entwicklung von Airbags tätig sind, werden in Elmshorn insbesondere Sicherheitsgurte entwickelt.

Autoliv-Aus: Suchen viele Beschäftigte jetzt das Weite?

Brüggemann vermutet, dass am Standort in Süddeutschland neues Personal in großer Zahl eingestellt werden muss, um die aus Elmshorn übertragenen Aufgaben zu übernehmen. Von Angeboten, das Mitarbeiter den Standort wechseln können, sei bisher keine Rede gewesen.

Um die Zukunft seiner Kollegen in Elmshorn macht sich der 59-Jährige, der im Falle einer Standortschließung selbst seinen Job verlieren wird, keine Sorgen. „Das sind alles hoch qualifizierte Kollegen, die finden schnell einen neuen Job.“

Brüggemann geht davon aus, dass gerade viele jüngere Kollegen nach der Schocknachricht schnell das Weite suchen werden. „Eigentlich müssten wir mit dem Arbeitgeber jetzt über Halteprämien verhandeln“, sagt der Betriebsratschef mit Galgenhumor.

Autoliv-Aus: Noch 2024 stellte der Konzern in Elmshorn neue Mitarbeiter ein

Noch im vorigen Jahr habe Autoliv am Standort Elmshorn in größerer Zahl neue Kollegen eingestellt. Für den 59-Jährigen ist klar: Die werden als Erstes gehen.

In der nächsten Woche wollen sich Betriebsrat und IG Metall über das weitere Vorgehen beraten. Möglich ist es, dass Betriebsrat und Gewerkschaft dem Arbeitgeber Alternativen zu einer Standortschließung vorschlagen und darüber in Verhandlung treten.

Autoliv-Aus: Betriebsratschef spricht von „einem Schlag ins Gesicht“

„Wir müssen vorher gucken, wie die Stimmung in der Belegschaft ist“, sagt Brüggemann. Er könne sich vorstellen, das viele Kollegen jetzt endgültig die Nase voll von ihrem Arbeitgeber haben und lieber mit einer Abfindung auf die Suche nach einem neuen Job gehen.

„Die Nachricht heute ist für die Kollegen ein Schlag ins Gesicht“, so Brüggemann. Ihm und seinen zehn Kollegen im Betriebsrat kommt im Extremfall nun die Aufgabe zu, mit Unterstützung der Gewerkschaft mit dem Arbeitgeber über die Bedingungen der Standortschließung zu verhandeln.