Kreis Pinneberg. Unterwegs mit der Zollkontrolle: Von einem Mann, der oft seinen Ausweis verliert, überrumpelten Arbeitern und akribischen Beamten.
Auf einem Parkplatz irgendwo im Kreis Pinneberg. Sechs Zoll-Fahrzeuge, eine Traube von 24 Zöllnerinnen und Zöllnern um einen ausgedruckten Plan herum. So beginnt der Einsatz. Der Einsatzleiter zeigt der Truppe ein Satellitenbild mit Pfeilen, die für die jeweilige Zugriffsrichtung und Positionierung der Beamten stehen. „Die Zivilbeamten gehen vor, klären die Lage!“
Die Beamten rücken immer in Gruppen von mehreren Seiten an das Hotel oder Restaurant heran, kommen durch alle Eingänge. Die Zollermittler bedienen sich an einer Großpackung Gummibärchen – eine letzte Stärkung vor dem Einsatz. „Wir machen heute im ganzen Bundesgebiet eine verdachtslose Prüfung zum Thema Mindestlohn und Schwarzarbeit“, sagt Thomas Gartsch, Sprecher des für den Kreis Pinneberg zuständigen Hauptzollamts Itzehoe.
Pinneberg: Zoll-Razzia wegen Schwarzarbeit in Hotels und Gastronomie
„Das Wichtigste vorab: Alle Hotels und Restaurants, die wir heute besuchen, sind bisher nicht beschuldigt, etwas falsch zu machen. Wir haben ein paar Objekte dabei, für die wir Hinweise bekommen haben, aber auch hier ist erstmal nichts bewiesen“, erklärt er.
Deshalb versuche man immer, den Geschäftsbetrieb möglichst nicht zu stören. Das ist nicht immer leicht. Schließlich rückt der Zoll mit mehr als 20 Männern und Frauen an. „Wenn das Unternehmen eher klein ist, bleibt ein Teil von uns auch draußen“, sagt Gartsch.
Unterwegs mit dem Zoll: „Hier gibt es überall scharfe Messer“
Das erste Ziel der Beamten ist ein größeres Hotel in Elmshorn. Während sich der Einsatzleiter der Hotelchefin widmet, teilen sich die Beamten in ihre Teams auf und durchkämen das Gebäude nach meldepflichtigem Personal.
Ein Team besteht immer aus einem Kontrollbeamten, also dem, der die Daten der Personen aufnimmt, und einem Sicherungsbeamten, der seinen Kollegen dabei schützt. „Gerade im Hotel- und Gastrobereich kann es auch gefährlich werden“, sagt Zollamtsrat Thomas Schulze. „Hier gibt es überall scharfe Messer, Gabeln und ähnliches.“ Doch er gibt auch gleich Entwarnung: „Ich bin jetzt seit 1987 beim Zoll. Gewalt habe ich eigentlich noch nie erlebt.“
Auch verbale Auseinandersetzungen gebe es selten. „Wir rücken immer in so einer großen Mannschaft an, alle sind bewaffnet. Da weiß schon jeder, Gegenwehr lohnt sich nicht wirklich.“ Er kenne aber Fälle, bei denen Menschen versuchen wegzurennen. „Manchmal fängt man sie dann ein, überprüft die Personen und stellt fest, alles gut, alles ist legal. Die Person hat einfach durch unsere Präsenz Angst bekommen und ist weggelaufen.“
Unterwegs mit dem Zoll: „Wir wollen die Arbeitnehmer schützen“
Dazu käme, dass eigentlich alle wüssten, es geht hier meist nicht um lange Haftstrafen. „Wir kommen wegen Wirtschaftskriminalität, wir wollen die Arbeitnehmer schützen und Steuerflucht vermeiden, nicht irgendwelche Schwerverbrecher verhaften.“ Oft passiere es beispielsweise, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern nicht das bezahlen, was auf dem Papier steht, oder sie zu viel arbeiten müssen“, erklärt der Zollamtsrat.
„Wir hatten einmal den Fall, dass eine Reinigungskraft angeblich in zwei Stunden Arbeit fünf Zimmer reinigt. Als wir uns das Arbeitspensum angesehen haben, sahen wir – niemals schafft eine Person das in zwei Stunden. Diese Person kann das nur schaffen, wenn sie länger arbeitet als im Vertrag vereinbart – und bekommt deshalb zu wenig bezahlt.“
Auch hätte man es oft, dass Arbeitgeber ihren Leuten den Mindestlohn zahlen würden, dann aber nachträglich Geld für Verpflegung oder Übernachtung abzögen. „Wenn man 1200 Euro auszahlt, dann aber wieder 800 für die Übernachtung des Angestellten im Hotel zurücknimmt, bleibt vom Mindestlohn nicht viel übrig.“
Unterwegs mit dem Zoll: „Jeder Mitarbeiter hat eine Mitwirkungspflicht“
Um möglichst alles über das vertragliche und das tatsächliche Arbeitsverhältnis zu erfahren, setzen sich die Beamten mit jedem Mitarbeiter zusammen, und nehmen alle Personaldaten auf. Jeder muss sich ausweisen und die Fragen der Beamten beantworten. „Jeder Mitarbeiter hat eine Mitwirkungspflicht bei der Datenerhebung“, erklärt Schulze.
Der Befragte muss seine Sozialversicherung offen legen, sein Arbeitsverhältnis. Bezieht er Leistungen wie Arbeitslosen- oder Bürgergeld von der Arbeitsagentur? In diesem Fall muss das Arbeitsverhältnis dem Amt offengelegt werden. Wie hat der befragte die letzten zwei Wochen über gearbeitet? Erinnert er sich? Stimmt das mit seiner angegebenen Arbeitszeit überein? Wie viele Mitarbeiter sind vor Ort? Wie viele Mitarbeiter sind beim Amt gemeldet? Wenn die Zahl nicht übereinstimmt, ist das ein starkes Indiz für Schwarzarbeit.
Nach knapp einer halben Stunde sind alle Mitarbeiter und Sachverhalte aufgenommen und alle versammeln sich wieder auf einem festgelegten Parkplatz. Für den Moment konnten die Zöllner hier keine Fehltritte feststellen, genau wisse man das aber erst, wenn man die erhobenen Daten mit denen aus ihrem System vergleiche, sagt Gartsch.
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Unterwegs mit dem Zoll: „Es gibt weltweit einfach zu viele Ausweise“
Auch beim nächsten Hotel, der gleiche Vorgang. Die Beamten suchen die Mitarbeiter, befragen sie, löchern die Geschäftsleitung. Viele Mitarbeiter wirken bei der Befragung nervös. Es ist ja schon außergewöhnlich, wenn plötzlich um einen herum dutzende Beamte in Uniform das Haus durchkämmen und zwei davon viele Detailfragen zur eigenen Person und dem Arbeitsverhältnis stellen. Ein Ausweis kommt den Beamten seltsam vor.
„Es kommt schon vor, dass gerade nicht-europäische Ausweise nicht gleich als Fälschung oder Original zu erkennen sind. Es gibt weltweit einfach zu viele Ausweise, mit viel zu unterschiedlichen Fälschungssicherungen“, erklärt Schulze. Deshalb gebe es immer mindestens einen Beamten, der eine besondere Schulung hätte. Dieser prüft mit einer Art Lupe und unterschiedlichen Lichteinstellungen das fragliche Ausweisdokument. Nach einer Prüfung ist aber klar, mit dem Pass ist alles in Ordnung.
Unterwegs mit dem Zoll: „Ich habe gesehen wie er gearbeitet hat“
Beim dritten Einsatzort, wieder einem größeren Hotel im Kreis Pinneberg, werden die Beamten nun länger aufgehalten. Das Hotel ist groß und verschachtelt. Auf dem großen Innenhof fällt zwei Beamten ein Mann in Arbeitskleidung auf. Als er die Beamten sieht, versucht er zu flüchten – wird aber kurz darauf gestellt. Er spricht kein Deutsch und kann sich nicht ausweisen. Ein Zollbeamter kommuniziert mit ihm über einen Handy-Übersetzer.
Der Mann sagt, er renoviere hier ein paar Wohnungen und dürfe als Bezahlung in einer davon leben. Die Beamten wollen das genau wissen, doch die Sprachbarriere gestaltet das schwierig. Wenn der Mann hier wirklich arbeitet, benötigt er dafür, als Nicht-EU-Bürger, eine Genehmigung. „Ich habe auch gesehen, wie er gearbeitet hat“, sagt ein Beamter.
Unterwegs mit dem Zoll: „Er hat seinen Ausweis 45-mal als verloren gemeldet“
Nach einer halben Stunde schwieriger Kommunikation kommen die Beamten an seine Ausweisdokumente – durch die Schwester des Mannes. Er ist türkisch-ukrainischer Abstammung. Als ein Beamter seinen Namen bei der Zentrale abfragt, eine Überraschung: „Der Mann hat seine Ausweisdokumente in den letzten zehn Jahren 45-mal als verloren gemeldet“, sagt der Zollbeamte. „Man könnte hier vermuten, dass er regelmäßig seinen Ausweis verkauft.“ Beweisen könne man das aber nicht.
Der Mann bekommt seine Ausweispapiere zurück und darf vorerst gehen. Doch da weder der Mann, noch das Unternehmen eine Genehmigung zur Beschäftigung des Mannes vorlegen können, wird hier ein Verfahren wegen Ausübung einer Beschäftigung durch Ausländer ohne Genehmigung gegen den Mann und das Unternehmen eingeleitet. Nachdem dieser Vorfall die Zöllner für mehr als eine Stunde aufgehalten hat, geht es jetzt zum nächsten Einsatz, zur nächsten Prüfung.
An diesem Tag werden insgesamt zehn Hotels und Restaurants überprüft. Die Bilanz: Eine Ordnungswidrigkeitsanzeige wegen Ausübung einer Beschäftigung durch Ausländer ohne Genehmigung, einer Sofortmeldepflichtverletzung zur Deutschen Rentenversicherung und eine Verletzung der Mitführungs- und Vorlagepflicht von Ausweisdokumenten. Außerdem werde gegen sieben der zehn geprüften Gewerbe weiter ermittelt.