Kreis Pinneberg. Der Kreis Pinneberg übernimmt die Tickets, aber nur für gewisse Schüler. Alle 38.000 Kinder gratis fahren zu lassen, sei zu teuer.
Der Pinneberger Kreistag hat in seiner letzten Sitzung vor der Kommunalwahl am Sonntag einmütig beschlossen, das seit Mai geltende Deutschlandticket nach den Sommerferien ab Ende August in seine Schülerbeförderungssatzung aufzunehmen.
Das erfolgt in Absprache mit allen anderen Hamburger Randkreisen Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg. Damit werden etwa zehn Prozent aller Grund-, Berufs- und Oberschüler – etwa 3800 Kinder und Jugendliche im Kreis Pinneberg – komplett von Kosten für Bahnen und Busse befreit sein.
90 Prozent der Fahrschüler müssen die Monatskarte weiterhin selbst zahlen
Für 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler und deren Eltern ändert sich dagegen nichts. Sie müssen weiterhin ihre Monatsfahrkarte selbst tragen. Ausnahme ist das eine Prozent der betroffenen Fahrschüler, deren Monatskarte bisher 54 Euro gekostet hat, die aber nun fünf Euro im Monat durch das Deutschlandticket sparen.
Darum haben Kritiker, insbesondere von den Grünen, moniert, dass dies längst noch nicht der große Wurf für die Verkehrswende sei. Wenn der Kreis allen 38.000 Schülern das D-Ticket finanzierte, würde sich die Zahl der anspruchsberechtigten bus- und bahnfahrenden Schülerinnen und Schüler auf einen Schlag verzehnfachen.
Die Schule muss je nach Schulart zwei oder vier Kilometer entfernt liegen
Schon heute gibt der Kreis Pinneberg etwa 1,75 Millionen Euro für die Schülerfahrkarten im Jahr aus. Einen Teil davon lässt er sich von den Schulträgern ersetzen. In den Genuss einer für Schüler und Eltern kostenlosen Fahrkarte kommen aber nur jene Schüler, für die die weiterführende Schule mindestens vier Kilometer von ihrem Wohnort entfernt liegt.
Bei Grundschülern gilt, dass der Schulweg mindestens zwei Kilometer lang sein müsse. Zugleich muss es aber für alle bei der Schule um die nächstgelegene Bildungsstätte der gewählten Schulart handeln. Wenn es also eine gleichartige Schule gibt, die innerhalb des Vier- oder Zwei-Kilometer-Radius vom Wohnort zu erreichen wäre, hat die Familie die Fahrtkosten komplett selber zu tragen.
Daran ändert sich nun auch mit dem Deutschlandticket nichts. Außer, dass die Fahrkarte nicht nur für die Strecke zur Schule und zurück gilt, sondern deutschlandweit im Regionalverkehr der Deutschen Bahn genutzt werden kann.
Der Kreis zahlt nun 160.000 Euro netto mehr im Jahr für die Schülerfahrkarten
Da das D-Ticket in den allermeisten Fällen teurer als die bisherige Monatskarte ist, deren Kosten der Kreis für 3800 Fahrschüler komplett übernimmt, muss dieser etwas draufzahlen. Insgesamt kämen etwa 400.000 Euro im Jahr zusätzlich auf den Kreis Pinneberg zu, hat die Kreisverwaltung ausgerechnet.
Durch die Rückflüsse aus dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) reduziere sich diese Summe allerdings auf netto etwa 160.000 Euro im Jahr. Die Mehrausgaben von 400.000 Euro fließen den Einnahmen des ÖPNV zu, wodurch sich das Defizit für den Kreis um etwa 240.000 Euro senkt, lautet die Gegenrechnung des Kreises.
Alle vier Hamburger Randkreise geben zusammen nun 12,6 Millionen Euro aus
Kreisübergreifend ist es heute so, dass die vier genannten nördlichen Randkreise von Hamburg zusammen 11,5 Millionen Euro für die Beförderung der Fahrschüler zahlen, wovon der Kreis Pinneberg 1,75 Millionen Euro trägt. Diese Summe erhöht sich nach den Sommerferien für alle vier Kreise auf 12,6 Millionen Euro, für den Kreis Pinneberg auf rund 1,9 Millionen Euro.
Würde der Kreis die Entfernungsregel aus seiner Schülerbeförderungssatzung streichen, sodass alle 38.000 Schülerinnen und Schüler im Kreis das D-Ticket für sie kostenlos erhalten könnten, würden die Mehrkosten in der Kosten-Nutzen-Relation gar nicht so viel höher liegen.
Für alle Schüler zusammen würde das D-Ticket zwar 20 Millionen Euro im Jahr kosten. Die Verwaltung geht aber davon aus, dass nur 80 Prozent der Betroffenen es in Anspruch nähmen, wodurch sich der Gesamtaufwand auf 16 Millionen Euro im Jahr reduzierte, heißt es in einer Berechnung der Verwaltung. Insbesondere die Grundschüler dürften eher selten davon Gebrauch machen, so die Verwaltung.
Gesamtausgaben für den Kreis für alle 38.000 Schüler wären 3,2 Millionen Euro
Diese macht jetzt folgende Gegenrechnung auf: Durch eine Ausweitung der Anspruchsberechtigten auf alle 38.000 Schüler würden die Fahrtgeldeinnahmen um die genannten Summen steigen und den Verkehrsunternehmen zufließen. „Entsprechend einer Information der Stabsstelle ÖPNV des Kreises wird bei einer Ausweitung des D-Tickets auf alle Schülerinnen und Schüler im Kreisgebiet eine Rücklaufquote von etwa 80 Prozent erwartet.“
Das hieße also, dass von jedem zusätzlich ausgegebenen Euro in den Schüler-ÖPNV-Verkehr 80 Cent an den Kreis zurückflössen. „Entsprechend würde die Netto-Mehrbelastung des Kreises Pinneberg auf den Gesamthaushalt bei etwa 3,2 Millionen Euro liegen“, schätzt die Verwaltung.
Kreispolitik wird sich nach der Sommerpause damit erneut befassen
Für die Grünen-Abgeordnete Nadine Mai ist das geradezu „ein Schnäppchenpreis“, den der Kreis Pinneberg unbedingt übernehmen sollte, und zwar vom nächsten Jahr an. „Das wäre ein enormes Signal für die Verkehrswende“, findet sie.
Kinder und Jugendliche würden so bereits im jungen Alter lernen, dass der ÖPNV für sie kostenlos und bequem zu erreichen wäre und so zur klimafreundlichen Mobilität erzogen, was eine nachhaltige Wirkung hätte.
Darum plädierte Mai dafür, diesen Beschluss jetzt zu fassen, von 2024 an das D-Ticket allen 38.000 Schülern im Kreis kostenlos auszugeben. Dafür sei jetzt noch keine Eile geboten, da es ohnehin erst im Herbst zum Nachtrag des Haushaltes beschlossen werden könnte, argumentierten die anderen Fraktionen und verschoben die Debatte darüber auf den Zeitraum nach den Sommerferien.
SPD und Grüne für Übernahme der Kosten für alle 38.000 Schüler im Kreis
SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl sagt: „Wir wollen das auf jeden Fall auch.“ Das hätte einen enormen Lerneffekt für eine klimaschonende Mobilität bei jungen Leuten, ist er überzeugt. Zudem würde der enorme Bürokratieaufwand beim Kreis sowie den Städten und Gemeinden wegfallen, die ja jetzt für jeden einzelnen Schüler die Anspruchsberechtigung mit der Zwei-bis-Vier-Kilometer-Regel zu prüfen haben.
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Es sei aber zu kurz für die Fraktionen gewesen, die Zahlen der Verwaltung vor der Kreistagssitzung zu beraten. CDU-Fraktionschefin Heike Beukelmann sagt: „Wir sind nicht grundsätzlich dagegen. Aber die Finanzierung muss gewährleistet sein.“ Dafür solle im Herbst „ein Gesamtpaket geschnürt“ werden.
In den vergangenen zwei Jahren hat der Kreis Pinneberg die Schülerbeförderungsregeln deutlich verbessert, erklärt Fachdienstleiter Oliver Carstens. So müssen die Eltern seit einem Jahr keinen Eigenbeitrag mehr leisten, es gibt keine Unterschiede für Sommer und Winter mehr und die Anträge können digital gestellt werden.