Tornesch/Kreis Pinneberg. Die Müllexperten: Bei einer Tour über das GAB-Gelände in Tornesch gibt es viel Überraschendes zu lernen.

Welche Wege die Abfälle und Restmüllmengen unserer modernen Weg-Werf-Gesellschaft nehmen, haben jetzt zwei Dutzend Besucher bei der Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Abfallbeseitigung (GAB) in Tornesch-Ahrenlohe erfahren. Unter der Ankündigung „Aus Plastik wachsen keine Geranien“ lud Susanne Flor während der Kreis-Umwelttage zu einer gut zweistündigen Besichtigungstour über das 21 Hektar große Betriebsgelände.

Tornesch: Was mit dem Müll aus dem Kreis Pinneberg passiert

Die erfahrene Umwelt-Pädagogin führt seit sieben Jahren vor allem Schulklassen zu dem Abfallwirtschaftsbetrieb, der als einziger in Schleswig-Holstein die gesamte Palette der Müllentsorgung anbietet – vom Sperrmüll über die Sortierung des Plastikmülls in den gelben Säcken und die Kompostierung und Vergärung des Bioabfalls bis hin zur Verbrennung des Restmüllaufkommens aus den rund 150.000 Haushalten im Kreis Pinneberg.

Ein- bis zweimal die Woche führt sie über das Gelände und zeigt so 50 Gruppen mit etwa 1000 Menschen pro Jahr, was mit ihrem Abfall aus der Mülltonne geschieht. Darunter sind jedes Jahr 20 Grundschulklassen, sagt sie. „Immer mehr Lehrerinnen und Lehrer bauen das in ihren Unterricht ein. Manche Schulen kommen jedes Jahr“, freut sie sich. „Die Schüler fangen an, darüber nachzudenken“, hat sie festgestellt. Auch dieses Jahr waren schon wieder 15 Gruppen da.

Tornesch: 25.000 Tonnen private Abfälle pro Jahr

Zunächst einmal werden alle Besucher mit gelben Warnwesten ausgestattet. Damit niemand auf dem weitläufigen Gelände in Ahrenlohe verloren gehen und von den Mitarbeitern in den großen Fahrzeugen womöglich übersehen werden kann. Auch ein Gerät mit Kopfhörer bekommt jeder an die Hand und ins Ohr, sonst würde Susanne Flor bei dem Lärm, den die Anlagen zum Teil verursachen, kaum zu hören, erst recht nicht zu verstehen sein.

Erste Station sind die verschiedenen Container des Recyclinghofes, der an Wochenenden oft lange Schlangen auf der Zufahrtsstraße zur B5 verursacht. An die 14.000 Bürgerinnen und Bürger bringen jedes Jahr rund 25.000 Tonnen ihrer privaten Abfälle aus Grünzeug, Holz, Bauschutt, Metall, Papier, Sperrmüll oder Schadstoffen zum Recyclinghof nach Tornesch. Der ist inzwischen so überlastet, dass vor einem Jahr in Quickborn ein zweiter Recyclinghof geschaffen wurde. Und für die Mülltrennungsgesellschaft im Süden des Kreises soll bald ein dritter in Wedel eröffnet werden.

Tornesch: 500 Fahrräder werden jedes Jahr aus dem Müll gefischt

In Tornesch stehen große Container bereit, in die die Leute ihr Zeug getrennt nach Papier, Metallen oder Restmüll werfen können. Dabei dürfe niemand aus Sicherheitsgründen wieder etwas herausholen, erklärt Susanne Flor den Besuchern. Auch wenn die Wegwerfgesellschaft im Kreis Pinneberg zum Teil fast neue Spielsachen, noch funktionstüchtige Fahrräder oder noch nicht einmal ausgepackte Geschenke sorglos entsorge, erzählt die Fachfrau. Immer wieder sei sie erstaunt, was die Leute wegschmeißen. „Einigen geht es offenbar zu gut“, sagt sie dabei nachdenklich in ihr Mikrofon, als einer der Besucher einen neuwertigen Kinderroller ohne eine Roststelle in einem der Container entdeckt.

Rund 500 Fahrräder habe die GAB allein seit 2016 aus den Containern gefischt, berichtet Susanne Flor. Die Werkstatt der Diakonie in Quickborn und die Fahrradtafel in Pinneberg erhielten diese Drahtesel dann, um sie von Langzeitarbeitslosen und Mechanikern wieder fit für den Radverkehr zu machen. Spielzeug gehe an die „Toys-Company“ der Dekra in Elmshorn, die diese Sachen wieder aufbereite und sozialen Einrichtungen zur Verfügung stelle. So trage die GAB auch zur unmittelbaren Kreislaufwirtschaft in der Region bei und verhelfe bedürftigen Menschen und Familien zu Dingen, die diese sich sonst vielleicht nicht leisten könnten.

Tornesch: Illegale Müllablagerung ist ein ständiges Problem

Auch der wilde Müll, den manche Zeitgenossen in der Landschaft hinterließen oder mutwillig ablagerten, sei ein ständiges Problem für die Beschäftigten der GAB, erzählt die Umweltpädagogin. Über eine Müll-App auf dem Smartphone werde das der GAB oft gemeldet und sie hole das Zeug dann ab. Oft dauere es nicht lange, und an derselben Stelle werde kurz darauf wieder Müll entsorgt, der dort nicht hingehört. „Manche Leute sind zu ungeduldig und können die Sperrmüllabfuhr nicht abwarten. Das ist zumindest ein Erklärungsansatz der Pädagogin für dieses eher asoziale Verhalten.

Auch beim Bioabfall wird diese Praxis häufig beobachtet. Oft finden sich zwischen den Küchenabfällen und Essensresten aus den entsorgten 40.000 Tonnen im Jahr Plastikfolien und anderes nicht zu kompostierendes Zeug. Darum hat die GAB vor einigen Jahren die Kampagne „Wir für Bio“ ins Leben gerufen, der sich inzwischen bundesweit drei Dutzend Entsorgungsbetriebe angeschlossen haben. Darum auch der Titel ihres Rundganges, dass aus Plastik keine Blumen erwachsen können. Wenn bei der Entleerung des Bioabfalls solche Störstoffe entdeckt werden, können die Müllwerker die Tonne auch voll stehen lassen. Zur Strafe. Offenbar wirkt es. Der Bioabfall ist inzwischen sortenreiner geworden, sagt Susanne Flor.

Tornesch: 30.000 Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr

Dann geht es direkt in die große Halle, wo sich der Verpackungsmüll aus den gelben Säcken und Tonnen meterhoch auftürmt. Das sind 30.000 Tonnen im Jahr. Schaufelradbagger schieben und fahren den Abfall auf die Förderbänder, wo er händisch, mit Lichtschranken, Magneten und anderen technischen Abläufen in verschiedene „Fraktionen“ der Kunststoffe sortiert und gelagert wird. Rund 25.000 Tonnen Plastikmüll bleiben so jedes Jahr übrig. Immerhin die Hälfte davon könnte als Metall und wieder zu verwertender Kunststoff aussortiert werden, erklärt GAB-Sprecher Julian Jenkel, der die Besichtigungstour begleitet.

Dazu gehören etwa Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Misch-PET-Kunststoffe. „Die Misch-Kunststoffe werden wertstofflich oder energetisch verwertet“, sagt Jenkel und meint damit, sie würden verbrannt, zum Beispiel in der Zementindustrie. PE-Hohlkörper verschmelze die Industrie außerdem zu einem sogenannten „Recyclat“. Das werde zur Herstellung unterschiedlicher Produkte wie Kanister, Gießkannen und Rohre verwendet. PET werde zermahlen und gründlich gewaschen.

Tornesch: Fast jeder Kunststoff findet eine passende Verwendung

Die sogenannten Kunststoffrecyclate (Flakes) dienten anschließend als Grundstoff für neue Produkte, erklärt Jenkel. „In der Regel werden aus PET-Flaschen wieder PET-Flaschen hergestellt.“ PP-Regranulate würden direkt zu neuen Produkten verarbeitet. Daraus entstünden. Blumentöpfe, Tiefziehfolien oder Produkte für den bautechnischen und sanitären Bereich. Getränkekartons würden zerkleinert und gewässert. Im Wasser lösten sich die hochwertigen Papierfasern vom Folie-Alu-Verbund ab, so Jenkel.

Der Zellstoff-Faserbrei werde dann zu Papiersäcken, Faltschachteln oder Wellpappen weiterverarbeitet. „Der Restverbund geht an die Zementindustrie. Aluminium dient als Bauxit-Ersatz.“ Folien könnten Heizöl als Energieträger ersetzen, erklärt der GAB-Sprecher weiter. „Die Aluminiumindustrie schmilzt das Alu und gießt daraus Barren. Weißblech geht in Aufbereitungsanlagen und wird dort weiterverarbeitet.“

Tornesch: So wird Müll zu Energie für den Kreis Pinneberg

Zum Schluss geht es in die Müllverbrennungsanlage. Ein kleiner Bagger mit großem Greifarm schüttet den Restmüll in den Hochofen. Bei rund 1000 Grad Celsius wird der Hausmüll hier verbrannt. Zurück bleibt Asche und Schlacke, die auf die Deponie kommt. Rund 80.000 Tonnen sind das jedes Jahr aus dem Kreis Pinneberg. In Pinneberg werden damit über das Fernwärme- und Stromnetz einige Tausend Haushalte versorgt.

Die Tour ist nach zwei anstrengenden und informativen Stunden beendet. Die Besucher sind zufrieden und überrascht über all das, was sie hier erfahren haben. „Das war hochinteressant“, sagt Rentner Kurt Thormählen aus Tornesch, der 45 Jahre in der Papierindustrie gearbeitet hat. „Ich wollte mal wissen, was mit unserem Hausmüll passiert. Jetzt weiß ich es.“