Quickborn. 2000 Beißvorfälle gibt es bundesweit pro Jahr mit Briefträgern. In Quickborn soll ein Workshop das Verhältnis lockern.
Ruhiges Auftreten, Selbstbewusstsein, gelassen bleiben und auf gar keinen Fall zu lange in die Augen schauen: Das sei beim Treffen von Hund und Mensch besonders wichtig, erklärt Cornelia Schumann den Briefträgern und Paketzustellern im Lager der Deutschen Post in Quickborn. Die ehemalige Polizeibeamtin gibt Zustellern regelmäßig Trainingseinheiten und Tipps im Umgang mit Hunden. Denn das verbreitete Klischee, dass Hunde keine Postboten, ist zum Teil richtig. Tatsächlich spielen viele Hunde verrückt, sobald sich ein Zusteller oder eine Zustellerin dem Grundstück nähert. Deshalb bietet die Post Sicherheitstrainings an – jetzt auch in Quickborn.
Kreis Pinneberg: Postboten bekommen Hundetraining
Tatsächlich werden bundesweit pro Jahr etwa 2000 Postboten von einem Hund gebissen – Tendenz steigend. Das liegt vor allem an der steigenden Zahl von Hundebesitzern. Während der Corona Pandemie haben sich viele Menschen einen Hund – oder gleich mehrere – zugelegt. Wichtig zu wissen sei aber: Hunde haben im Grunde nichts persönlich gegen Brief- oder Paketzusteller.
Es ist keine Gruppe von Menschen, denen sie generell feindlich gesinnt sind. Das Hunde oft aggressiv gegenüber diesen Berufsstand sind, liegt viel mehr an der Situation, in denen sie diesen begegnen. Betritt eine Postbotin oder ein Postbote nämlich ein Grundstück oder eine Wohnung, in dem ein Hund wohnt, verletzt der Zusteller das Revier des Vierbeiners – und das Tier versucht, es zu beschützen.
Die Folge von 1200 Hundebissen bei Postboten? 700 Arbeitsausfälle!
„Was ganz wichtig ist: Wir haben nichts gegen Hunde und Hundebesitzer. Es geht um Vorsichtsmaßnahmen, damit Bissunfälle vermieden werden“, sagt Stefan Laetsch, Sprecher der Deutschen Post. Gerade im Kreis Pinneberg sei ein Training momentan wichtig. In Barmstedt etwa wurde eine Postbotin fünfmal gebissen. Die Zustellerin musste ins Krankenhaus und konnte ein halbes Jahr lang nicht arbeiten. Viel schlimmer aber sei ihre starke Angst, die sie nun vor Hunden habe. Sie wechsle immer noch die Straßenseite, wenn ihr ein Hund entgegenkommt.
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„Von Januar bis August 2020 hatten wir bundesweit mehr als 1200 Vorfälle mit Hundebissen, von denen mehr als 700 einen Ausfall der betroffenen Zustellerin beziehungsweise Zusteller zur Folge hatten“, erzählt Laetsch. Nach dem Gesetz sind die Hundebesitzer dafür verantwortlich, dass niemand durch ihren Vierbeiner gefährdet ist, häufig wird dies jedoch nicht gewährleistet. Daher das Hundetraining.
Postboten trainieren in Quickborn mit echten Hunden den Ernstfall
„Wer möchte mir denn einmal vormachen, wie er jetzt das Päckchen zustellen würde?“, fragt Cornelia Schumann in die Runde. Die Trainerin hat ihre zwei Airedale Terrier „Viite“ und „Paula“ dabei. Die beiden Hunde sind aufgeweckt und wedeln viel mit der Rute. Lange Haare vor den Augen suggerieren, sie sähen gar nichts, doch ab und zu begegnet einem ein aufgeweckter Blick der Hunde. Aggressiv sehen sie nicht aus, es scheint, als ob keine Gefahr von den beiden ausgeht. Für das Training ist es trotzdem anschaulicher mit echten Hunden und ihren natürlichen Reflexen zu trainieren.
„Paula“ ist etwas älter und ruhiger. Während ihre Besitzerin vorn steht, darf sie zu einem der Postboten und von ihm an der Leine gehalten werden. „Viite“ wacht und merkt sofort, wenn jemand neues den Raum betritt oder es in einer Ecke raschelt. Er ist hellwach und schaut, was um ihn herum passiert.
Das Schlimmste was ein Postbote tun kann: Weglaufen
Der erste Zusteller traut sich nach vorn. Cornelia Schumann kommt mit den Hunden auf ihn zu. Der junge Mann hat ein Päckchen in der Hand, geht aufrecht und selbstbewusst. Während die beiden Hunde auf ihn zulaufen, versucht er, sie zu ignorieren. „Nicht schlecht“, sagt Schumann. Besser wäre allerdings gewesen, einmal anzuhalten, um den Hunden zu signalisieren, dass er sie zwar wahrgenommen, aber keine Angst vor ihnen hat. Viele würden versuchen, die Hund zu ignorieren – und in der Theorie sei das auch keine schlechte Strategie – allerdings funktioniert das konsequente Nicht-Beachten in der Realität meistens nicht.
Menschen geben unterbewusst doch Signale an die Hunde ab – und diese haben ein feines Gespür für Emotionen. Auch wenn ein Mensch Angst vor ihnen hat, spüren sie das. Das Schlimmste, was beim Betreten eines Grundstücks gemacht werden könne, sei wegrennen. Durch diese Reaktion wird der Jagdinstinkt der Hunde geweckt, sie sprinten hinterher. „Und jeder Hund ist schneller als ihr“, fügt die Trainerin hinzu.
Schleswig-Holstein hat bundesweit die meisten Hundebisse bei Postboten
Schleswig-Holstein ist das Bundesland, in dem Postboten am häufigsten von Hunden gebissen werden. Woran das liegt, sei schwer zu sagen. Wahrscheinlich hänge es mit den größeren Grundstücken mit freilaufenden Hunden zusammen.
Um es gar nicht zu einer gefährlichen Situation kommen zu lassen, wäre es für Empfänger sowie Zusteller am einfachsten, wenn Hundebesitzer ihre Tiere zur Zeit der Zustellung einfach im Haus lassen oder an die Leine nehmen würden. Zudem sollte ein abgemachter Ablageort für Pakete sicher sein.„Eine Hundehütte wäre kein guter Ort“, sagt Schumann. „Am schlimmsten sind immer die kleinen Hunde“, sagt einer der Postboten. Ganze neun Mal wurde er schon gebissen. „Zum Glück aber immer nur in meine Stiefel“, fügt er hinzu. Schade trotzdem – sie waren aus echtem Leder.
Mit seiner Aussage hat er einen Punkt getroffen: Kleine Hunde seien tatsächlich oft frecher als große, erklärt Cornelia Schumann. Das läge daran, dass sie oft unterschätzt werden – so klein, so niedlich. Andererseits würden kleine Hunde besonders oft von Hundeanfängern gekauft, die noch nicht viel Erfahrung mit der Erziehung der Vierbeiner haben.
Workshop-Teilnehmer üben, wie eine sichere Paketübergabe funktioniert
Im Notfall müssen sich die Zusteller konsequent gegen Hunde wehren. Das sollte aber zunächst vermieden werden. Pfefferspray sei etwa keine gute Idee, meint Schumann. Gerade im Norden gebe es oft so viel Wind, das der Einsatz mehr in den eigenen Augen landet, als in denen des Hundes. Im Scanner der Postzusteller sind übrigens Wohnungen und Grundstücke, auf denen Hunde wohnen vorgemerkt. Das sei zwar praktisch, sinnvoller fänden es die Zusteller allerdings, wenn es eine Möglichkeit gäbe, eine Notiz zu machen, wo die Hunde aggressiv gegenüber Postboten sind. Schließlich stellt nicht jeder Hund eine Gefahr dar.
Deutlich wird bei dem Training vor allem, dass die meisten Postboten keine Hundehasser sind – im Gegenteil. Genauso wie Hunde auch nichts gegen Postboten haben, nur weil sie Postboten sind. Wenn Zusteller und Hundebesitzer gemeinsam an einer möglichst sicheren Übergabe arbeiten, können Unfälle in den meisten Fällen vermeiden werden. Oft fällt es den Besitzern aber schwer, objektiv über das Verhalten ihres treuen Begleiters zu urteilen. Sätze wie „Der ist sonst eigentlich nie so“ oder „Das hat er vorher wirklich noch nie gemacht“ sind so gut wie allen Postboten, die sich mit Hundebesitzern unterhalten, bekannt.
Kreis Pinneberg: Auch die Hundebesitzer sind gefordert
Daher sei es wichtig, dass auch die Hundebesitzer Einsicht zeigen und respektieren, wenn sich Lieferanten unsicher fühlen. Wenn Zusteller sich beim Betreten des Grundstücks unwohl fühlen, sollte dies ernst genommen werden. Es sei ihr Recht, in dem Fall auf eine Zustellung zu verzichten.
Damit sich künftig alle verstehen, hat die deutsche Post einen Flyer entwickelt, der – zumindest im Norden Deutschlands – nun zu Einsatz kommen soll. Falls sich Postbotinnen oder Postboten bei einem Grundstück oder einer Wohnung unsicher fühlen, können sie den Flyer mit Tipps für die Hundehalter in den Briefkasten legen. Wenn die Hundebesitzer mitarbeiten, könnten Hund und Postbote gut miteinander auskommen, so die Post.
Aber wie sieht die perfekte Übergabe des Päckchens aus? „Möchte das noch jemand vormachen?“, fragt Schumann. Eine junge Zustellerin kommt nach vorn. Cornelia Schumann kommt auf die junge Frau zu, ihre Hunde wieder an der Leine. Bevor die beiden Parteien zur Übergabe aufeinandertreffen, sagt die junge Postbotin laut und selbstbewusst: „Können Sie bitte kurz stehenbleiben und ihre Hunde vielleicht irgendwo festmachen oder kurz in ein anderes Zimmer führen?“ Für umsichtige Hundehalter sollte das kein Problem sein. Dann klappt es auch mit der sicheren und reibungslosen Päckchenübergabe.