Barmstedt/Itzehoe. Jan S. (40) soll seiner Mutter (64) fast 70 Stiche und Schnitte zugefügt haben. Richter kitzelt zum Prozessauftakt Details heraus.
Sie hatte ihn bei sich aufgenommen – und bezahlte dafür mit ihrem Leben: Vor dem Landgericht Itzehoe hat am Mittwoch der Prozess gegen Jan S. (40) begonnen, der Anfang Mai in Barmstedt seine Mutter Monika S. (64) erstochen haben soll. Der Angeklagte legte zu Prozessbeginn ein Geständnis ab, berief sich jedoch auf Erinnerungslücken.
Die Anklageschrift, die Staatsanwältin Janina Seyfert verlas, lässt die grauenvolle Tat zumindest erahnen, die sich in der Hochparterrewohnung eines Mehrfamilienhauses an der Johannisstraße abgespielt hat.
Barmstedt: Sohn tötet Mutter mit 68 Stichen
Demnach kam es entweder am Abend des 4. Mai oder etwas später in der Nacht zu einem Streit zwischen Jan S. und seiner Mutter. In dessen Verlauf soll der damals 39-Jährige mit Fäusten auf Kopf und Gesicht seiner Mutter eingeschlagen und in der Folge zu einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 Zentimetern gegriffen haben.
Mit diesem und einem weiteren Messer fügte er laut Anklage der 64-Jährigen insgesamt 68 Stich- und Schnittverletzungen an Hals, Rumpf und den Extremitäten zu. Anschließend soll er eine Wolldecke über den am Boden liegenden Körper der Frau gebreitet und ein Kissen auf ihr Gesicht gelegt haben. Monika S. starb aufgrund einer Kombination aus Lungenembolie, Blutverlust und Ersticken.
Barmstedt: Mann gesteht Tötung seiner Mutter
„Ich habe getan, was sie mir vorwerfen“, sagte Jan S. und kündigte an, die Verantwortung für die Tat übernehmen und die Konsequenzen tragen zu wollen. Viel mehr kam von dem Angeklagten jedoch nicht.
Nur so viel: Die Mutter habe ihn mit dem Messer angreifen wollen. „Danach hatte ich einen Blackout.“ Sein Kopf sei leer, seine Vergangenheit „wie ausgelöscht“, gab der kräftige Angeklagte mit den kurzen blonden Haaren mit fast weinerlicher Stimme zu Protokoll.
Richter bringt Angeklagten zum Reden
Richter Johann Lohmann gab sich damit nicht zufrieden („Dass Sie gar nichts mehr wissen, ist wenig glaubwürdig“) – und holte durch sein Nachbohren noch einiges aus Jan S. heraus. Der räumte ein, ein angespanntes Verhältnis zu seiner Mutter gehabt zu haben. „Wir hatten auch eine Zeit lang keinen Kontakt mehr.“ Streitpunkt war offenbar die Vergangenheit des Angeklagten, von der er allerdings nur kleine Teile preisgab.
So berichtete der 40-Jährige von einer Privatinsolvenz und einer damit einhergehenden Wohnungslosigkeit. „Ich habe mal hier und mal dort gelebt, auch einmal sieben Monate lang auf dem Fußboden geschlafen.“ Nach sechs Jahren habe er die Schulden zurückgezahlt, über eine Zeitarbeitsfirma einen Job bekommen und sich im November 2021 in Quickborn-Heide eine eigene Wohnung nehmen können. Doch der Aufschwung – er dauerte nur wenige Monate.
Eine dreiviertel Flasche Rum und Amphetamine
„Ich war ausgelaugt, fertig, körperlich am Ende“, so der Angeklagte. Er habe den Job geschmissen, dann Arbeitslosengeld I erhalten und sich die Wohnung nicht mehr leisten können. „Die Miete war zu hoch.“ Er habe dann erneut Kontakt zu seiner Mutter gesucht. „Sie fragte mich, wo ich denn jetzt hin will. Ich sagte, ‘Dass weiß ich nicht’. Daraufhin bot sie mir an, zu ihr zu ziehen.“ Das habe er im Februar dieses Jahres auch gemacht.
Wie es dann weiterging, dazu verlor Jan S. kaum ein Wort. Und auch sein Alkohol- und Drogenproblem kam nur kurz zur Sprache. Der 40-Jährige berichtete, kurz vor der Tat einen Probearbeitstag bei einer anderen Firma absolviert zu haben. Dies habe ihm jedoch nicht zugesagt. „Mir ging es danach nicht gut, ich fühlte mich bedrückt und leer.“ Er sei daraufhin mit dem Rad in den Wald gefahren und habe sich dort „Alkohol und Drogen hinzugefügt“. Der Angeklagte sprach von einer dreiviertel Flasche Rum und Amphetaminen.
Jan S. drohen mindestens fünf Jahre Haft
Er sei dann zurück in die Wohnung zu seiner Mutter gefahren. „Dann ist das alles eskaliert.“ Weitere Angaben machte Jan S. nicht. Damit blieb auch zunächst unklar, warum der heute 40-Jährige so eine Wut auf seine Mutter hatte, dass er 68-mal mit zwei Messern auf sie einstach. Der Angeklagte fügte lediglich noch hinzu, dass er nach der Bluttat die Wohnung verlassen habe und ziellos mit dem Fahrrad herumgefahren sei. „Eine Nacht habe ich unter freiem Himmel verbracht, eine andere bei einer Familie. Dann habe ich mich gestellt.“
Die Festnahme des Angeklagten erfolgte am 7. Mai in Neustadt am Rübenberge in Niedersachsen. Seitdem sitzt der 40-Jährige in Untersuchungshaft. Angeklagt ist er nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags. Die Ermittlungen hatten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Jan S. Mordmerkmale verwirklicht hat. Ihm droht eine Mindeststrafe von fünf Jahren. Sollte das Gericht auf einen besonders schweren Fall erkennen, kommt auch eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Barmstedter in Betracht.
Barmstedt-Prozess: Freundin soll aussagen
Die Schwurgerichtskammer hat zunächst acht weitere Verhandlungstage bis Mitte Januar angesetzt und wird am nächsten Prozesstermin in die Beweisaufnahme einsteigen. Dann kommt auch die Freundin der Familie zu Wort, die am Abend des 6. Mai die Leiche der pensionierten Friseurin entdeckt hatte.
Die Frau hatte einige Tage nichts von Monika S. gehört, was ungewöhnlich war. Weil die Barmstedterin auch nicht erreichbar war, sah die Zeugin – sie verfügte offenbar über einen Schlüssel – in der Wohnung nach.
Die beiden Schwestern des Angeklagten dürften auch gehört werden. Sie haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen.