Pinneberg. Bürgermeisterin bewertet Entwicklung positiv – ADFC kritisiert, es sei nichts Relevantes passiert. So ist die Lage in Pinneberg.

Topographisch betrachtet ist Pinneberg ideal für den Ausbau zur Fahrradstadt. Dennoch hat sich seit 2020, als der ADFC zum letzten Mal zum Fahrradklimatest aufgerufen hatte, gefühlt nicht viel getan. Damals war Pinneberg landesweit auf dem letzten Platz gelandet und bekam die Schulnote 4,3. Zwar weist die Tendenz inzwischen leicht nach oben, aber „unverändert mangelt es an der erforderlichen sicheren Infrastruktur“, kritisiert aktuell Ulf Brüggmann vom Pinneberger ADFC. Bürgermeisterin Urte Steinberg sagt, die Stadt gebe sehr viel mehr Geld für den Radverkehr aus als angenommen, denn oft sei die Einrichtung oder Sanierung von Radwegen Bestandteil größerer Infrastrukturmaßnahmen. Schon heute bezeichnet sie Pinneberg als Fahrradstadt.

Pinneberg als Fahrradstadt: Genut getan oder noch Luft nach oben?

An Erfolgen nennt die Bürgermeisterin konkret den Thesdorfer Weg, die Schutzstreifen auf der Breslauer Straße, den Umbau der Goethestraße und den Schutzstreifen auf dem Jappopweg. Die fünf Velorouten seien zudem komplett mit zusätzlichen Piktogrammen auf der Fahrbahn beschildert worden. Zusätzlich wurden vor jeder Schule Piktogramme auf den Fahrbahnen angebracht. Allerdings räumt sie ein, dass der Zustand der Fahrradwege in Pinneberg ausbaufähig sei.

Brüggmann sieht in den von ihr aufgezählten Fortschritten „die sehr wenigen Maßnahmen, die überhaupt bewegt wurden“. Gerade an der Umsetzung am Thesdorfer Weg bemängelt er vieles: „Das Ergebnis ist für alle Verkehrsteilnehmer unübersichtlich, gefährlich und unfallträchtig – wie uns die Polizei und viele verunfallte Radfahrende bestätigen. Trotz der vielen geopferten Bäume ist hier keine sichere Radverkehrsinfrastruktur erstellt worden.“ Das hatten, wie berichtet, auch schon Mitglieder des Kinder- und Jugendbeirates gesagt.

Pinneberg: Warum sich der Radwegeausbau oft lange hinzieht

Fahrradwege zu bauen, ist in vorhandenen Straßen oft nicht einfach, weil für eine ausreichende Breite meist die Fläche fehlt: „Verkehrsraum lässt sich nicht zaubern, es gilt, Bäume und Grünflächen zu schützen“, so Steinberg. Sei der Raum zu schmal, müsse die gesamte Straße überplant werden. Das sei kostspielig, und drei Viertel aller vorhandenen Gelder flössen seit mehreren Jahren in den klimagerechten Ausbau der Schulen und Kitas und den Ausbau der Verkehrsanlagen am Bahnhof. Einer der Gründe, warum es bei den Radwegen so langsam vorangeht.

Die angekündigte Fortführung des Schutzstreifens der Breslauer Straße über die Heinrich-Christiansen-Straße begrüßt Brüggmann als „sehr wünschenswert“. Aber entlang des 2018 eingerichteten Radschutzstreifens am Jappopweg hat er seine eigenen Beobachtungen gemacht: Dort würden „seitens der Anwohner unverändert täglich Pkw geparkt. Das ist dem zuständigen Ordnungsamt im Pinneberger Rathaus jedoch egal. Außerdem endet der Schutzstreifen genauso unvermittelt, wie er beginnt“, so der ADFC-Mann.

Auch von dem sanierten Fahrradweg von Pinneberg nach Waldenau ist er nicht begeistert: Auf Höhe des Waldenauer Weges würden Radler durch Markierungen „unvermittelt und gesetzeswidrig auf den Gehweg und in den sehr engen Wartebereich der Bushaltestelle geleitet. Und leider hat die Sanierung der Oberfläche nichts an dem Umstand geändert, dass der Radweg eine Vielzahl von unübersichtlichen Ausfahrten kreuzt, weiterhin sehr eng verschwenkt und gegenläufig benutzungspflichtig ist“, sagt Brüggmann.

Fahrradstadt Pinneberg: ADFC fällt ein vernichtendes Urteil

Selbst an den Fahrradstraßen Burmeisterallee und Am Drosteipark liegt in seinen Augen eine Menge im Argen: Die Oberfläche der Fahrradstraße Am Drosteipark sei „so schlecht, dass Radfahren hier unverändert fast unmöglich ist“. Der Umsetzung des mühselig mit dem ADFC in drei Jahren entwickelten Veloroutenkonzeptes gibt Brüggmann in Bahnhofsnähe eine glatte Fünf. Warum? Wegen der Führung über den P&R-Parkplatz mit starkem Parkplatzsuchverkehr und Massen an Bahnfahrern, über den Busbahnhof mit Rangierverkehr und über Abschnitte mit Brücke und Tunnel, auf denen Radfahren nicht zulässig ist.

Der Bahngleis-Tunnel innerhalb der Velo-Route darf nicht mit dem Rad befahren werden.
Der Bahngleis-Tunnel innerhalb der Velo-Route darf nicht mit dem Rad befahren werden. © Katja Engler | Katja Engler

Sein Fazit: „In den letzten Jahren hat sich nichts Relevantes getan. Nicht umgesetzt wurde beispielsweise die Umwidmung der drei Pinneberger Radverkehrsbrennpunkte Osterholder Allee, Fahltskamp und Bismarckstraße zu Fahrradstraßen.“ Auch die Umsetzung weiterer Fahrradstraßen – insbesondere im direkten Umfeld der Pinneberger Schulen – liege auf Eis, obwohl es seitens der Feuerwehr keinerlei Bedenken dagegen gebe. „Die Sanierung der Radwege geht insgesamt – aber besonders in Pinneberg – unverändert viel zu langsam voran.“

Enge und Unübersichtlichkeit herrscht  am Fahltskamp.
Enge und Unübersichtlichkeit herrscht am Fahltskamp. © Katja Engler | Katja Engler

Weiter gefasst äußert sich der ADFC Schleswig-Holstein zur Verkehrspolitik der neuen Landesregierung. Darin heißt es, das Land habe zwar eine gute Radstrategie, „die jedoch auch nach zwei Jahren immer noch ohne Umsetzungskonzept, Zeitplan und konkrete Finanzierungszusagen geblieben ist“. Denn bis 2025 soll der Anteil des Fahrradverkehrs am Gesamtverkehr bei 22 Prozent liegen, „derzeit sind es nur 13 Prozent“. Nötig sei jetzt eine Übersicht aller Schäden an Radwegen, ein Konzept für eine hochwertige Instandsetzung inklusive Priorisierungs- und Zeitplan“.