Kreis Pinneberg. Kreis will ein neues, flächendeckendes, einheitliches Sirenennetz schaffen. Was die Anlage in Seeth-Ekholt so besonders macht.

Wie wichtig ein modernes Alarmierungssystem für die Bevölkerung in lebensbedrohlichen Notsituationen sein kann, hat die Flutkatastrophe im Ahrtal vor einem Jahr gezeigt. Da ist so manche Information gar nicht erst oder viel zu spät bei den betroffenen Menschen angekommen. Damit sich das im Kreis Pinneberg zum Beispiel bei einem Deichbruch an der Elbe nicht wiederholt, will der Kreis Pinneberg jetzt flächendeckend die Alarmsirenen erneuern.

Kreis Pinneberg ist bei Sirenen bundesweit Spitze

Er ist sogar landesweit der erste Kreis, der diese Modernisierung des Sirenensystems für alle seine Kommunen übernimmt. Eine erste, hochmoderne digitale Anlage ist auch bereits installiert. Sie prangt auf dem Dach des Feuerwehrgerätehaus, dem „Sprüttenhuus“ in Seeth-Ekholt. „Es ist die allererste in Schleswig-Holstein aus dem Fördertopf des Bundes“, sagt Uwe Koltzau, der als Fachdienstleiter für Sicherheit und Ordnung dieses Projekt in der Kreisverwaltung bearbeitet und koordiniert. Knapp 11.000 Euro habe diese erste Sirene gekostet.

Kreisweit gibt es zurzeit noch 206 Alarmsirenen, erklärt Koltzau. Ursprünglich war der Bund für den Betrieb und die Wartung dieser Anlagen zuständig. Im Jahr 1993 hat er diese Aufgabe an die Kommunen übertragen. So ist daraus ein wahrer Flickenteppich geworden: Die eine Hälfte der Sirenen gehört dem Kreis, die andere verteilt sich auf 33 Städte und Gemeinden, die die Anlagen meist von ihren freiwilligen Feuerwehren warten lassen. Da die Sirenen aber inzwischen 30 bis 50 Jahre alt sind, entsprechen sie längst nicht mehr den heutigen modernen technischen Anforderungen.

Kreis Pinneberg: Kommunen können Sirenen kostenlos übernehmen

Das soll sich in den nächsten fünf Jahren ändern. Der Kreis Pinneberg bietet den Kommunen an, ab sofort ihre Sirenen zu übernehmen, ohne dass dies für Städte und Gemeinden mit irgendwelchen Kosten verbunden ist. Dazu gebe es bislang nur positive Rückmeldungen, freut sich Fachdienstleiter Koltzau. Denn nur so könnte schnell ein neues, hochmodernes, flächendeckendes und vor allem einheitliches Sirenennetz geschaffen werden. Der Kreis könnte die vom Bund bereitgestellten Fördergelder für das gesamte Programm beantragen. Was bei drei Dutzend Einzelanträgen weiterhin auf einen Flickenteppich und einen schleppenden Verlauf hinausliefe.

Die positive Resonanz aus der kommunalen Familie bestätigt Elmshorns Bürgermeister Volker Hatje. „Ich begrüße das auf jeden Fall, wenn der Kreis unsere Sirenen übernimmt. Ich bin ein absoluter Freund von Sirenen und damit aufgewachsen“, sagt er. „Es ist gut, wenn wir Menschen wieder mit Gefahren umgehen lernen.“ Auch Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl kündigt auf Nachfrage an: „Wir werden uns daran beteiligen und die Wartung und Unterhaltung der Sirenen an den Kreis Pinneberg abgeben.“

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Suche nach Sirenen-Standorten im Kreis Pinneberg

Damit nicht genug: „Wir werden die Sirenen nicht einfach nur eins zu eins ersetzen“, erklärt Koltzau. „Wir wollen auch die besten Standorte für die neuen Sirenen auswählen.“ Dafür hat der Kreistag bereits 95.000 Euro für ein Gutachten bewilligt, das nun für das gesamte Kreisgebiet die idealen Standorte herausarbeiten soll. So ist der bevölkerungsreichste Kreis Schleswig-Holsteins in den vergangenen 50 Jahren um rund 80.000 Menschen gewachsen. Mancher der alten Sirenenstandorte dürfte inzwischen viel zu weit entfernt sein, um die Bewohner in vielen Neubaugebieten überhaupt erreichen und sie dann auch im Notfall alarmieren zu können. Auch höhere Gebäude, die es damals noch gar nicht gab, könnten heute vielleicht eher infrage kommen als noch von drei oder fünf Jahrzehnten.

Neben öffentlichen könnten auch private Grundstücke als neue Sirenenstandorte dafür infrage kommen. Diese Expertise soll ein Gutachten jetzt klären. Die Ausschreibung laufe bereits, sagt Koltzau. Er erwartet bis Mitte oder Ende nächsten Jahres dazu die ersten Ergebnisse. So könnte bei der Analyse herauskommen, dass vielleicht nur noch 180 oder noch weniger Sirenen benötigt würden, um ein modernes flächendeckendes Alarmierungssystem zu schaffen. Möglicherweise aber sollten es wegen des Bevölkerungswachstums auch mehr als bisher sein.

Auch die Topographie, die Beschallungsanforderungen, die Größe des zu beschallenden Gebiets, der durchschnittliche Umgebungslärm sollten dabei genau untersucht werden, erläutert der Fachdienstleiter. „Ich könnte mir auch sehr gut mobile Sirenenanlagen vorstellen“, sagt er. Die also im akuten Notfall in einem bestimmte Gebiet eingesetzt werden, damit sie dort auch von allen rechtzeitig wahrgenommen werden.

Sirenen sollen künftig auch Infos übermitteln

Die Sirenen sollen zudem nach dem neuesten technischen Standard ausgerüstet sein und nicht nur von den Rettungsleitstellen, sondern auch von anderen Landes- und Bundesbehörden in bestimmten Notfällen zentral eingeschaltet werden können. Dazu senden sie bundesweit einheitliche Signale zur Warnung und Entwarnung. Und sie werden mit einem modularen Warnsystem ausgerüstet, das es möglich macht, die betroffene Bevölkerung nicht nur wachzurütteln, sondern ihr auch gleich lebenswichtige Informationen mitzuteilen, erklärt Thomas Grabau.

„Wir wollen Sirenen haben, mit denen man auch Durchsagen an die Bevölkerung machen kann“, erklärt der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Sicherheit und Ordnung des Kreistages. Zum Beispiel, dass sie sich an den Bushaltestellen sammeln mögen oder das Radio anschalten sollen, wenn der Deich gebrochen sei, sagt Grabau. „Das hat im Ahrtal gefehlt.“

Kreis Pinneberg liegt mit seiner Initiative bundesweit weit vorn

Eine wichtige Lehre aus dieser letztjährigen Flutkatastrophe sei es auch gewesen, dass durch den flächendeckenden Stromausfall viele Alarmierungssysteme gar nicht mehr funktionierten. Auch das soll unbedingt vermieden werden. Darum würden die neuen Sirenensysteme allesamt mit einer Notstromversorgung ausgestattet, die einen langanhaltenden Betrieb über mehrere Tage sicherstellt, selbst wenn der allgemeine Strom längst ausgefallen ist.

Der Kreis Pinneberg ist mit dieser Initiative weit vorne, ist Fachdienstleiter Koltzau überzeugt. „Keiner ist viel weiter als wir.“ Auch der Bund forciert diese Maßnahmen und hat in dieser Woche angekündigt, am Donnerstag, 8. Dezember, einen Warntag zu veranstalten, an dem um 11 Uhr überall die Sirenen ertönen sollen., „Wir müssen uns für die Zukunft besser für Krisenlagen wie Wetterextreme, Waldbrände oder Hochwasser wappnen“, sagte dazu Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Dazu gehörten vor allem moderne Systeme, um die Bevölkerung bei Gefahren schnell und zielgerichtet zu warnen.

„Neue Systeme müssen wir testen, um sie später präzise einsetzen zu können.“ Dabei werde auch zum ersten Mal eine Testwarnmeldung der höchsten Warnstufe bundesweit an Handys versandt, kündigte die Ministerin an. „Wir brauchen für eine effektive und verlässliche Warninfrastruktur verschiedene Warnsysteme.“ Neben den Sirenen seien das auch die Warn-App auf den Smartphones.