Kreis Pinneberg/Itzehoe. Die Umstellung soll bald an anderen Gerichten in Schleswig-Holstein erfolgen. Das hat viele Vorteile – einer liegt auf der Hand.
Die Digitalisierung ist in allen Bereichen kaum zu bremsen – nur die Justiz agierte in dieser Hinsicht bisher wie ein Gallisches Dorf. An den Gerichten in Schleswig-Holstein wird nach wie vor ausschließlich mit Papierakten gearbeitet. Doch die letzte Bastion fällt. Am Landgericht Itzehoe hat jetzt ein Pilotprojekt begonnen, das im kommenden Jahr auf die Amtsgerichte Pinneberg, Elmshorn, Itzehoe und Meldorf ausgedehnt wird: die Einführung der elektronischen Akte, der sogenannten e-Akte.
Kreis Pinneberg: Justiz in der Region wird digital
Der Landgerichtsbezirk, der die Kreise Pinneberg, Steinburg und Dithmarschen umfasst, ist dabei landesweit Vorreiter. Denn der Gesetzgeber will, dass auch die übrigen Gerichte des Landes diesen Weg gehen. „Es hat Tradition, dass die Justiz ausschließlich in Papier arbeitet“, sagt Philipp Terhorst, Vorsitzender Richter am Landgericht Itzehoe. Er fungiert landesweit als Projektleiter, um mit dieser Tradition zu brechen.
Die Einführung der e-Akte hat viele Vorteile. Einer liegt auf der Hand: „Wir sparen viele ausgedruckte Papierseiten ein“, sagt Terhorst. Er hat ausgerechnet, dass pro Jahr an allen Gerichten des Landes 40 Millionen Seiten Papier nicht mehr benötigt werden. Bisher war die Situation so, dass nahezu alle Schriftsätze zwar am Computer erstellt, dann jedoch ausgedruckt und in die Akte eingeheftet werden. Die umfasst in aufwendigen Straf- und Zivilsachen schnell mehrere Tausend Seiten. Überall in den Büros der Mitarbeiter befinden sich riesige, prall gefüllte Aktenschränke. Per Transporter werden die Akten zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht sowie den Gerichten untereinander hin- und hergefahren.
Die Aktenberge, die sich teilweise auch in den Verhandlungen auf den Richtertischen stapeln, sollen in Zukunft der Vergangenheit angehören. Das bietet nicht zuletzt auch Vorteile für Bürger.
Große Umstellung für Beschäftigte der Gerichte
Künftig kann die Korrespondenz mit dem Gericht über ein besonders gesichertes Postfach auch digital erfolgen. Und auch Klagen können über die Anwälte per E-Mail eingereicht werden, ebenfalls über ein extra dafür eingerichtetes Postfach. Dieses Mail-Postfach funktionierte bereits seit einiger Zeit, allerdings wurden die eingegangenen Klagen dann – wie üblich – ausgedruckt und dafür eine neue Papierakte angelegt.
Das ist im Landgericht Itzehoe, wo sich zurzeit noch 7500 Akten in Bearbeitung befinden, nun nicht mehr der Fall, zumindest im Bereich der Zivilverfahren. Dort werden neu eingehende Vorgänge ausschließlich digital bearbeitet. Der Strafbereich soll im Herbst 2023 folgen, dann ist auch die Staatsanwaltschaft verpflichtet, die Anklagen in Strafverfahren per Mail weiterzugeben.
Am Landgericht Itzehoe und den vier dazugehörigen Amtsgerichten arbeiten 96 Richter, 93 Rechtspfleger und 330 weitere Mitarbeiter – etwa in der Bewährungshilfe, als Gerichtsvollzieher, in den Sekretariaten und als Wachmeister. Alle werden sich in Zukunft in den täglichen Gewohnheiten umstellen müssen. „Künftig werden sie fast ausschließlich Bildschirmarbeit verrichten, was ergonomische Herausforderungen mit sich bringt“, sagt Terhorst. So wurden für die in der Anfangsphase betroffenen Kollegen höhenverstellbare Schreibtische angeschafft, alle erhielten eine Grundlagenschulung.
Kreis Pinneberg: Auch Gerichtssäle werden umgerüstet
Auch die Gerichtssäle müssen umfangreich umgerüstet werden, wenn in den Verhandlungen nur noch auf digitale Daten zurückgegriffen werden soll. Zwei Bildschirme werden in die Richterbank eingelassen, damit die Verfahrensbeteiligten die Schriftsätze lesen oder Tatortfotos ansehen können. Auch für die Öffentlichkeit müssen entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden.
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„Viele Dinge werden künftig durch die e-Akte auch einfacher“, sagt Terhorst. Künftig könnten zeitgleich mehrere Personen auf eine Akte zugreifen, sie lesen oder bearbeiten, was bisher nicht möglich war. Papierakten mussten an Prozessbeteiligte oder andere Gerichte versandt werden, wodurch es zu längeren Wartezeiten kam. Teilweise wurde auch aufwendig ein Aktendoppel erstellt, um eine zügige Bearbeitung des Verfahrens zu gewährleisten. „Wir können die Akten auch künftig elektronisch auf Stichwörter durchsuchen“, so Terhorst weiter. Dies könne in umfangreichen Verfahren, deren Akten Tausende von Seiten umfassen, Zeit und Nerven sparen.
„Auch ein familienfreundlicheres Arbeiten ist möglich“, so der Projektleiter. Dank der e-Akte könnten die Mitarbeiter auch von Zuhause vollwertig arbeiten und müssten nicht ständig zum Gericht fahren, um dort die Akten herauszuholen.
Kreis Pinneberg: Aktenbestände werden nicht digitalisiert
Die bisher vorliegenden Papierakten werden übrigens nicht digitalisiert, frühere Verfahren werden „in Papier“ abgeschlossen. Eine komplette Digitalisierung aller Aktenbestände wäre zu aufwendig. Mit der Umstellung werden auch die Urteile nicht mehr ausgedruckt und von den Richtern unterschrieben. Dies erfolgt künftig über eine Signaturkarte. Und für den Versand der e-Akten wurde eine besonders gesicherte digitale Schnittstelle geschaffen.
Mit der Umstellung müssen sich die „Zuarbeiter“ der Gerichte umstellen. Für ein Großteil der Anwaltskanzleien ist das kein Problem. Bei den Jugendämtern und den Kreisverwaltungen, so das Gericht, sieht das häufiger anders aus.