Wedel. Christian Stolle war mit zweifelhaften Aussagen auf “Telegram“ aufgefallen. Im März steht er auf dem Wahlzettel – obwohl er nicht will.

Bei der Bürgermeisterwahl in Wedel am 6. März wird die Bürgerinnen und Bürger ein Kuriosum erwarten. Denn obwohl offiziell nur noch drei Kandidaten im Rennen sind, werden die Wedeler zwischen vier Bewerbern wählen können. Neben Amtsinhaber Niels Schmidt und seinen Herausforderern Gernot Kaser und Tobias Kiwitt steht nämlich auch noch der Name von Christian Stolle auf den Wahlzetteln.

Wie berichtet, hatte Stolle am 22. Januar seinen Rückzug von der Kandidatur bekanntgegeben. Dennoch kann er jetzt noch gewählt werden. Und er könnte am Ende theoretisch sogar Bürgermeister werden! Wie kann das sein?

Wedel: Bürgermeister-Kandidat will nicht mehr

In den für die Bürgermeister-Wahl versendeten Briefwahlunterlagen taucht der Name des Kandidaten Christian Stolle jedenfalls nach wie vor auf. Und das, obwohl er vor knapp drei Wochen auf Facebook bekanntgegeben hatte, doch nicht antreten zu wollen. Stolle schrieb: „Guten Morgen Wedel, leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich aus persönlichen Gründen meine Kandidatur zurückziehen werde. Ich danke allen Unterstützern. Bitte habt Verständnis dafür.“ Er wünsche den drei verbliebenen Kandidaten „alles Gute und viel Erfolg“ und beendete sein Statement mit dem Aufruf, zur Wahl zu gehen und mit der Hoffnung auf Veränderung in Wedel.

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Jetzt zeigt sich: Dieser Rückzug ist formaljuristisch nicht möglich. Auch auf den Stimmzetteln in den Wahlkabinen haben die Wedeler immer noch vier Optionen. Wieso werden Stimmen für einen Kandidaten gezählt, der seine Kandidatur zurückgezogen hat?

Christian Stolle hatte 174 Unterschriften gesammelt

Der Grund ist die formelle Zulassung aller Kandidaten am 14. Januar. Auf der Sitzung des Gemeindewahlausschusses der Stadt Wedel unter Vorsitz des Wahlleiters Ralf Waßmann wurden an diesem Tag alle vier Bewerber zugelassen. Tobias Kiwitt sammelte zuvor 168 Unterstützungsunterschriften, Gernot Kaser erhielt 225 gültige Signaturen, Christian Stolle kam auf 174 Unterschriften.

Wedels Bürgermeister Niels Schmidt, der sich zur Wiederwahl stellt, brauchte lediglich die Bescheinigung der Wählbarkeit der Gemeinde- und Kreiswahlordnung beilegen. In der Beschlussvorlage heißt es, dass nach der Prüfung alle vier Wahlvorschläge die „gesetzlichen Anforderungen erfüllen.“

Die Bürgermeisterwahl in Wedel am 6. März wird nach den etwas kompliziert klingenden rechtlichen Grundlagen der Gemeindeordnung (GO), des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes (GKWG) sowie der Gemeinde- und Kreiswahlordnung (GKWO) des Bundeslandes Schleswig-Holstein durchgeführt. Die Wedeler Verantwortlichen haben in der Sache auch Rücksprache mit Mitarbeitern des Landeswahlleiters Schleswig-Holstein, Tilo von Riegen, gehalten.

Wedel: Stolle auf "Telegram" mit Impfgegnern vernetzt

Am Freitag, 21. Januar, war der selbstständige Handwerker Stolle bei einer Online-Videokonferenz vom Linken-Ratsherr Bastian Sue mit erdrückender Beweislast mit seinen zweifelhaften Aussagen in der Telegram-Gruppe „Wedeler Spaziergänger“ konfrontiert worden. Etwa 20 Personen hatten sich über den Videotelefonie-Dienst Zoom eingeloggt, um sich über Stolles Pläne und Visionen als potenzieller Bürgermeister der Rolandstadt zu informieren.

Zunächst stritt der sichtlich überraschte Stolle alles ab. Doch auch im weiteren Verlauf verzichtete er auf eine klare Distanzierung von der Impfgegnerszene. Tags darauf gab Stolle dann auf Facebook sein Statement ab. „Herr Stolle hat sich bei uns gemeldet, dass er nicht mehr kandidieren möchte. Wir haben ihm dar­aufhin die Rechtslage schriftlich mitgeteilt, unter anderem, dass diese Erklärung nach dem 14. Januar nicht mehr möglich war“, so Waßmann.

Auf offiziellem Weg ist nach der Zulassung nichts mehr rückgängig zu machen, da durch jegliche Änderungen die gesamte Bürgermeisterwahl rechtlich anfechtbar wäre. Also kommt es zu der skurrilen Situation, dass Christian Stolle weiterhin auf allen Stimmzetteln und auch auf den angeforderten Briefwahlunterlagen, die am Montag, 24. Januar, verschickt wurden, als Kandidat steht. Obwohl er das gar nicht mehr will.

Stimmen für Stolle werden in Wedel gezählt

Mögliche Stimmen für Stolle werden auch offiziell gezählt. Somit hat Amtsinhaber Schmidt – rein formal – drei Her­ausforderer. „Das Wahlgesetz sieht es so vor, insofern haben wir auch keinen Ermessensspielraum bei diesem Vorgang“, sagt Wahlleiter Waßmann.

Wahlberechtigte Wedeler, die mit den drei „richtigen“ Kandidaten nicht einverstanden sind, könnten also aus Protest einen vermeintlichen Impfgegner, der in dubiosen Sphären des Internets mit fragwürdigen und gewaltverherrlichenden Aussagen aufgefallen ist, wählen. Für einen Sieg im ersten Wahlgang sind mehr als 50 Prozent der Stimmen nötig. Gelingt dies nicht, gehen die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen in eine Stichwahl am 20. März. Sollte Stolle am Ende wider Erwarten die Nase vorn haben, müsste er die Annahme der Ernennungsurkunde verweigern, um nicht Bürgermeister zu werden!

Wedel: Christian Stolle reagiert nicht auf Anfragen

Bei der Kandidatenpräsentation im Foyer des Johann-Rist-Gymnasiums am 26. Januar stand bis kurz vor dem Beginn Veranstaltung sogar noch ein zusätzlicher Tisch mit Hocker auf der Bühne – falls Christian Stolle doch noch den Rückzug vom Rückzug vorgehabt hätte. Es blieb aber bei Schmidt und den Anwärtern Kiwitt und Kaser.

Das Abendblatt hat versucht, telefonisch Kontakt mit Christian Stolle aufzunehmen und ihm auch schriftlich die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Bis Redaktionsschluss gab es keine Reaktion seitens des 38-Jährigen.