Appen. Ernährungsdoc Matthias Riedl ist überzeugt, dass kleine Änderungen der Essgewohnheiten zum Erfolg führen. Seine Tipps.
Mittlerweile gelten mindestens 60 Prozent unserer Erkrankungen als ernährungsbedingt. „Es ist längst wissenschaftlich belegt – mit dem richtigen Essen kann man Krankheiten aktiv vorbeugen, lindern und sogar heilen“, sagt Matthias Riedl, Internist, Ernährungsmediziner, Diabetologe und ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg.
Der Appener gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der Ernährungsmedizin. Seine mehr als 20-jährige Erfahrung als Mediziner fließt auch in die vielfältigen Ernährungsratgeber ein, die er veröffentlicht hat. Darin erklärt er unter anderem das 20:80-Prinzip, das er mit seinem Team entwickelt hat.
Abnehmen mit dem 20:80-Prinzip: So funktioniert es
„Nur 20 Prozent Ernährungsoptimierung ist nötig, um langfristig und nachhaltig Gewicht zu reduzieren, den Blutdruck zu normalisieren und den Cholesterinspiegel zu senken“, sagt der 59-Jährige. Die Lebensqualität dürfe nicht darunter leiden. Zu hoch gesetzte Ziele würden nur frustrieren. „Das ist ja der Fehler der meisten Diäten und endet im Jo-Jo-Effekt, weil wir zu viel auf einmal wollen und daran scheitern.“ Er habe Fälle erlebt, wo mit minimalen Verhaltensänderungen von 140 auf 65 Kilogramm abgespeckt wurde.
Die 20:80-Methode ermöglicht individuelle Abnehmstrategien. Zunächst gehe es darum, sein Essverhalten zu analysieren. Dafür schreibt man jede Mahlzeit und jedes Getränk in einem Ernährungstagebuch auf, aber auch, warum man es isst und wie es einem damit geht. „Nur wer sich selbst ehrlich unter die Lupe nimmt, weiß, welche Schrauben er zum Abnehmen drehen muss.“ Es gehe nicht um Verbote und Verzicht und schon gar nicht darum zu hungern. Riedl empfiehlt zwei bis drei gut sättigende Mahlzeiten am Tag.
Der Trick: Man muss die richtigen Lebensmittel essen, um lange satt zu bleiben. Und das funktioniert über die richtige Menge Eiweiß, reichlich Gemüse, zuckerarmes Obst (Beeren, Melone, säuerliche Äpfel, Papayas), gesunde Fette (Oliven-, Lein-, Rapsöl) sowie − je nach sportlichem Energieverbrauch − gesunden Kohlenhydraten (Vollkorn, Haferflocken).
Ernährungsexperte: Intervallfasten kann beim Abnehmen helfen
Beim Abnehmen unterstützen kann das Intervallfasten nach der von dem Ernährungsmediziner Riedl favorisierten 16:8-Methode. Innerhalb von acht Stunden nimmt man zwei oder drei Mahlzeiten zu sich. Über Nacht fastet man dann 16 Stunden. Zwischen den Mahlzeiten sollten mindestens vier Stunden Esspause liegen.
Ein typischer Intervallfastentag könnte zum Beispiel so aussehen, dass man morgens nur einen (ungesüßten) Tee oder schwarzen Kaffee trinkt und zwischen 9 und 10 Uhr frühstückt. Mittag gibt es zwischen 13 und 14 Uhr, Abendessen muss dann bis 18 Uhr beendet sein. Die Alternative dazu sind zwei Mahlzeiten innerhalb der acht Stunden. „Das frühe Abendessen hat den Vorteil, dass Sie besser schlafen, weil der Körper sich nachts nicht mit der Verdauung beschäftigt“, sagt Riedl.
- Experte: Das bewirken die elf gesündesten Lebensmittel
- Artgerechte Ernährung: So lassen sich Krankheiten vermeiden
- Wie man die Krankmacher entlarvt
Nahrungsverzicht auf Zeit ist Prävention und Therapie. „Es pflegt die Gefäße, entlastet die Leber, bekämpft das Bauchfett, es verändert den Stoffwechsel, senkt das Risiko für Zivilisationskrankheiten“, so der Arzt. Positive Effekte hat es demnach beispielsweise bei Bluthochdruck, entzündlichen Darmerkrankungen, Demenz, Depressionen, Diabetes Typ 2 und Fettleber. Nicht Fasten sollten schwangere und stillende Frauen. Auch bei Migräne sollte man sich dem Thema behutsam nähern.
Ernährungsdoc Riedl empfiehlt 500 Gramm Gemüse am Tag
Beim Intervallfasten wird vor allem das ungesunde Bauchfett abgebaut. Allerdings auch nur, wenn die Mahlzeiten innerhalb der acht Stunden gesund und ausgewogen gestaltet werden und eine Tageszufuhr von 1500 bis 2000 Kalorien nicht überschritten wird. „Hauptnahrung sollte frische Pflanzenkost sein“, sagt er.
Er empfiehlt 500 Gramm Gemüse am Tag, am besten verteilt auf drei Portionen. „Die wenigsten Menschen kommen auf diese Menge.“ Dank der Faserstoffe und des hohen Wassergehalts füllt Gemüse den Magen, ohne viele Kalorien aufnehmen zu müssen.
Proteinreiche Mahlzeiten, am besten aus pflanzlichem Eiweiß (zum Beispiel Erbsen, Bohnen, Linsen, Mandeln, Hanfsamen), halten lange satt und vermeiden den Muskelabbau. Man greift automatisch weniger zu Süßem und vermeidet Snacks zwischendurch. Gute tierische Eiweißquellen sind Eier oder Milchprodukte.
Fertigprodukte machen krank und dick
Fisch und Fleisch sollten seltener auf den Tisch kommen, auch wenn die Omega-3-Fettsäuren insbesondere in fettem Seefisch entzündungshemmend wirken. Alternativen bieten zum Beispiel Nüsse. Bei Nudeln, Reis, Müsli oder Brot sollte zu Vollkornvarianten gegriffen werden. Das darin enthaltene Getreide ist nicht geschält und reich an Ballaststoffen, die Entzündungen eindämmen und das Darmmikrobiom stärken. Da diese Produkte auch kalorienreich sind, sollten nur kleine Portionen gegessen werden.
Verzichtet wird auf Zucker, Süßigkeiten, Wurstwaren, Fertigprodukte und verarbeitete Kohlenhydrate wie Weißbrot. „Jedes Fertigprodukt erhöht das Sterberisiko“, sagt Riedl. „Jedes zweite Produkt im Supermarkt enthält Palmöl. In großen Mengen können sie Metastasen fördern.“ Besser auf Ergänzungsmittel verzichten und selber kochen aus frischen, saisonalen Zutaten.
Kalorienbewusste Rezepte: Von Kochbüchern bis App
Alltagstaugliche, vitalstoffreiche und kalorienbewusste Rezepte zum gesunden Schlemmen und Sattwerden finden sich unter anderem in „Medical Cuisine“, „Vegetarisch abnehmen nach dem 20:80 Prinzip“, „Dr. Riedls 20:80 Expressküche“ oder „Artgerechte Ernährung, Das Kochbuch“, die Matthias Riedl als Autor und Co-Autor herausgegeben hat.
Digitale Hilfe bietet seine Ernährungstherapie-App myFoodDoctor. Weitere Informationen dazu und Preise unter https://myfooddoctor.de und auf seiner Webseite ernaehrungsdoc-matthias-riedl.com.
Lesen Sie in der letzten Folge, warum Zucker uns schadet und wie es mit der zuckerarmen Ernährung klappt.