Quickborn/Hamburg. Quickborner sorgt sich um seinen 91 Jahre alten Vater, und zwar weil er zu fit ist. Ein Beispiel aus dem Rosenhof in den Elbvororten.

Thomas Wohlleben ist besorgt. Der Quickborner würde seinen alten Vater gern häufiger besuchen. Doch jeder Besuch birgt auch ein Risiko. Wohlleben hat Angst, sein 91 Jahre alter Vater könnte sich mit dem Coronavirus anstecken. Denn das Risiko schwingt trotz aller Vorsichtsmaßnahmen immer mit.

Der 91-Jährige ist noch rüstig und wohnt allein in einem der Appartements der Seniorenresidenz Rosenhof in Hamburg-Osdorf. Er kann noch gut für sich selbst sorgen. In seiner kleinen Küchenzeile macht er sich jeden Tag Frühstück und Abendessen. Das Mittagessen nimmt er gemeinsam mit den anderen Bewohnern im Speisesaal ein. Hans-Dieter Wohlleben kann noch vieles allein. Was er allerdings nicht schafft: sich selbstständig einen Corona-Impftermin zu buchen.

Als die Nachricht kam, waren alle Termine weg

Die Hürden sind zu hoch – selbst für weniger betagte Menschen. Die Telefonnummer 116 117 ist dauerbesetzt, die Terminvergabe im Internet kompliziert, Termine sind, wenn es welche gibt, ohnehin schnell vergriffen. Und für eine Impfung im Seniorenheim ist Hans-Dieter Wohlleben zu fit. Denn dort werden ausschließlich Bewohner des vollstationären Pflegebereichs geimpft. So sieht es das Gesundheitsamt vor.

„Nachdem es wochenlang hieß, die Impfungen würden im Haus stattfinden, und wir uns daher nicht um Impftermine in den Messehallen bemüht haben, hieß es nun am Freitag in einem Schreiben der Gesundheitsbehörde, dass ausschließlich Bewohner des Pfegebereichs durch mobile Teams vor Ort geimpft werden sollen“, sagt Wohlleben. „Alle anderen Bewohner sollen sich selbst um Impfungen kümmern. Zu diesem Zeitpunkt jedoch waren alle Termine vergeben.“

Virus könnte von außen eingeschleppt werden

Noch schlimmer allerdings findet Wohlleben folgende Konsequenz: Die hochbetagten Bewohnerinnen und Bewohner der Appartements sollen nun teils mit Bus und Bahn in die Messehallen fahren und erhöhen mit diesem Ausflug bei der Rückkehr die Gefahr, dass das Virus von außen in die Anlage eingeschleppt wird.

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„Die Leitung der Wohnanlage bemüht sich seit Monaten erfolgreich durch Besuchsregelungen, Fiebermessungen und mittlerweile zwingend vorgeschriebene Schnelltests für alle Besucher um den Schutz der Bewohner. Der Erfolg dieser Bemühungen wird durch die wenig durchdachte Entscheidung der Gesundheitsbehörde gefährdet“, ärgert sich der 61 Jahre alte Sohn.

Auch auf der Pflegestation war noch kein Impfteam

André Aue, Geschäftsführer der Rosenhof-Seniorenanlagen, versteht den Frust. „Wir möchten auch, dass alle Bewohner im Haus von den mobilen Impfteams geimpft werden. Nicht nur, um das Ansteckungsrisiko so weit wie möglich zu reduzieren“, sagt er. Von den 291 Bewohnern in den Appartements ist ein großer Teil hilfs- und betreuungsbedürftig. „Für sie ist es eine Zumutung, sich allein um einen Impftermin zu bemühen und zum Impfzentrum zu fahren“, so Aue, der selbst gerade versucht, einen Impftermin über das Online-Portal für seine Mutter zu buchen – bislang vergeblich. „Wenn man uns im Impfzentrum wenigstens ein Zeitfenster zur Verfügung stellen würde, könnten wir einen Fahrservice für unsere Senioren organisieren.“ Doch derzeit gebe es nicht einmal einen Impftermin für die 39 Bewohner der Pflegestation. Die Hamburger Behörden würden immer wieder nur vertrösten.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Derzeit verschickt die Hamburger Sozialbehörde Schreiben, in denen sie noch einmal die Eckpunkte der Impfkampagne in der stationären Pflege erläutert. Darin heißt es: „Bei Einrichtungen, bei denen sich Servicewohnanlagen auf dem Gelände befinden, können nur Bewohnerinnen und Bewohner der vollstationären Pflege geimpft werden. Nur bei strikter Konzentration auf diesen Personenkreis kann das Zeitziel bei begrenzter Impfstoffmenge erreicht werden. Über die Impfung in Servicewohnanlagen durch Impfteams wird später entschieden.“

Andere Bundesländer machen es anders

Ziel ist es, dass alle Bewohner von vollstationären Pflegeeinrichtungen bis Mitte Februar zumindest eine Impfung erhalten haben, sofern sie dies wünschen. In 70 Einrichtungen ist dies laut Sozialbehörde bereits geschehen, in 57 weiteren seien Termine vergeben. Die Konzentration auf diese Gruppe sei „eine höchst sinnvolle Maßnahme“, weil sie weit überproportional von schweren und tödlichen Verläufen betroffen sei. Zeitgleich sollen die Beschäftigten in der vollstationären Pflege geimpft werden. Die Impfteams und die Impfungen werden durch die DRK-Ambulanzdienst organisiert.

Dass es auch anders geht, zeigt der Blick nach Hessen, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Dort ist der Rosenhof mit weiteren Häusern vertreten. Alle Bewohner über 80 Jahre sowie Personal seien dort bereits im Haus geimpft, so Aue.​