Pinneberg/Itzehoe. Irfan S. soll in Pinneberg seine an Schizophrenie Mutter stranguliert haben. Ein Gutachter geht nicht von der Schuldfähigkeit aus.

Seit Mitte November hat das Landgericht Itzehoe fünf Prozesstage lang den gewaltsamen Tod der Pinnebergerin Nazim S. (71) untersucht. Angeklagt ist ihr Sohn Irfan (40) – und zwar wegen Totschlags. Der für Freitag angesetzte finale Prozesstag, an dem die Plädoyers und die Urteilsverkündung geplant waren, musste nun kurzfristig entfallen. Eine Schöffin hat sich mit dem Coronavirus infiziert und befindet sich in Quarantäne. Wann eine Fortsetzung möglich ist, steht noch nicht fest.

Normalerweise darf eine Hauptverhandlung für maximal drei Wochen unterbrochen werden. Diese Frist ist nach dem Terminausfall abgelaufen. In Nicht-Coronazeiten müsste das Verfahren komplett von vorne beginnen. "Das ist hier nicht der Fall", so Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer. Ende März 2020 sei eine Regelung in Kraft getreten, wonach Prozesse für maximal drei Monate und zehn Tage unterbrochen werden dürfen, wenn es mit dem Coronavirus in Zusammenhang steht.

Mann soll an Schizophrenie erkrankte Mutter stranguliert haben

Irfan S. soll seine Mutter Mitte Mai in der gemeinsamen Wohnung in Pinneberg stranguliert haben. Er war zweieinhalb Jahre zuvor dorthin gezogen, nachdem ihr zweiter Ehemann verstorben war. Nazim S. litt zu diesem Zeitpunkt unter Tuberkulose, Nierenschwäche, Diabetes und Schizophrenie und musste dreimal täglich von einem Pflegedienst betreut werden.

Laut dem Psychiater Stephan Veismann (58) leidet der Angeklagte, der zu den Vorwürfen geschwiegen hat, selbst unter Schizophrenie. Er habe die spannungsgeladene Situation in der Wohnung nicht ausgehalten. Erschwerend sei die Sprachbarriere hinzugekommen. Irfan S. spreche nur Deutsch, seine Mutter habe sich nur in der pakistanischen Landessprache Urdu verständigen können.

Entgleisung? Gutachter geht nicht von Schuldfähigkeit aus

Er könne sich vorstellen, dass Irfan S. nach längerer passiver Duldung der Situation in einen hochgradigen Zustand der Erregung verfallen sei und in einer Art fremdaggressiver Entgleisung die Mutter getötet habe. Das Unrecht seiner Tat könne er einsehen, so der Psychiater. Allerdings sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner Erkrankung mindestens erheblich beeinträchtigt gewesen. Von einer Schuldunfähigkeit geht der Gutachter nicht aus.

Der Angeklagte hatte vor der angeklagten Tat auch einen Pflegedienstmitarbeiter angegriffen und erheblich verletzt. Auf offener Straße ging plötzlich auf zwei Passanten los, weil diese ihm laut eigener Aussage unsympathisch waren. Und in einem Supermarkt warf er eine Glasflasche auf einen Mitarbeiter.

Der Gutachter hat den 40-Jährigen dreimal in der JVA Lübeck besucht und exploriert. Sein Fazit: Von Irfan S. sind weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik dränge sich regelrecht auf. Zu vermuten ist, dass die Schwurgerichtskammer dieser Einschätzung folgen wird. Ein Indiz dafür: Die Richter haben den Angeklagten während des Verfahrens von der Haftanstalt in eine derartige Klinik verlegen lassen.

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