Pinneberg/Itzehoe. Der Angeklagte, der in Pinneberg seine Mutter umgebracht haben soll, leidet laut Psychiater an Schizophrenie.

Irfan S., der Mitte Mai seine Mutter Nazim (71) in der gemeinsamen Pinneberger Wohnung stranguliert haben soll, war offenbar so etwas wie eine tickende Zeitbombe. Der Angeklagte, der sich wegen Totschlags vor dem Landgericht Itzehoe verantworten muss, leidet laut Psychiater Stephan Veismann (58) an Schizophrenie und wird weitere schwere Straftaten begehen. „Die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik drängt sich geradezu auf.“

Der Gutachter hat Irfan S. dreimal in der JVA Lübeck besucht und auch seine Vorgeschichte ausgewertet. Dabei kommt der Experte am Freitag zu einem sehr eindeutigen Urteil: „Ohne eine Behandlung sind von ihm erhebliche rechtswidrige Taten bis hin zu Tötungsdelikten zu erwarten.“ Der 40-Jährige bedürfe mindestens einer fünf bis sechs Jahre andauernden Therapie im Maßregelvollzug.

2017 zog der Angeklagte zu seiner Mutter

Die Erkrankung des Angeklagten, die mindestens seit 2011 bestehe und die dieser verleugne, liege in der Familie. Seine Großmutter habe unter Schizophrenie gelitten, seine Mutter ebenfalls. Daher habe sie ihre vier Kinder schon früh nicht mehr versorgen können, alle seien in einem Kinderheim in Bergedorf aufgewachsen. Von dort sei Irfan S. zu einem Onkel nach Halstenbek gekommen.

Es folgten ein Hauptschulabschluss, eine abgebrochene Ausbildung und einige Jahre beruflicher Tätigkeit in einem Fahrradladen, als Küchenhelfer und einer Spielautomatenfabrik. „Seit 2009 war er nie wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig“, so Veismann. Von 2016 an bis zu seiner Verhaftung habe der 40-jährige gar nicht mehr gearbeitet. Schon zuvor habe er alle sozialen Kontakte abgebrochen – eine Folge der Schizophrenie, so der Gutachter. Nach einer 2011 begonnenen Behandlung in einer psychiatrischen Klinik habe Irfan S. 2012 aus eigenem Antrieb sämtliche Medikamente abgesetzt.

Ende 2017 sei er dann zur Mutter nach Pinneberg gezogen, die zu diesem Zeitpunkt bereits unter Tuberkulose, Nierenschwäche, Diabetes und Schizophrenie gelitten habe und dreimal täglich von einem Pflegedienst betreut werden musste. Der Angeklagte, selbst unter Schizophrenie leidend, habe die spannungsgeladene Situation in der Wohnung nicht ausgehalten, glaubt der Gutachter. Erschwerend sei die Sprachbarriere hinzugekommen. Irfan S. spreche nur Deutsch, seine Mutter habe sich nur in der pakistanischen Landessprache Urdu verständigen können.

Gutachter: Angeklagter ist nicht schuldunfähig

Er könne sich vorstellen, dass Irfan S. – er hat im Prozess die Aussage verweigert – nach längerer passiver Duldung der Situation plötzlich in einen hochgradigen Zustand der Erregung verfallen sei und in einer Art fremdaggressiver Entgleisung die Mutter getötet habe. Das Unrecht seiner Tat könne er sehr wohl einsehen, so der Psychiater. Allerdings sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner Erkrankung mindestens erheblich beeinträchtigt gewesen. Von einer Schuldunfähigkeit geht der Gutachter allerdings nicht aus.

Am fünften Prozesstag kamen auch mehrere weitere Vorfälle zur Sprache, die sich Irfan S. vor der angeklagten Tat in Pinneberg geleistet hat. So griff er in der Wohnung einen Pflegedienstmitarbeiter an und fügte ihm eine erhebliche Wunde am Kopf zu. Auf offener Straße griff er plötzlich zwei Passanten an, weil diese ihm laut eigener Aussage unsympathisch waren. Und in einem Edeka-Supermarkt, in dem Irfan S. bereits wegen mehrerer Vorfälle Hausverbot hatte, warf er eine Glasflasche auf einen Mitarbeiter, traf jedoch zum Glück nicht. Für diese Taten wurde er vom Amtsgericht Pinneberg zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die damaligen Richter hatten sich auch mit gewaltsamen Übergriffen auf seine Mutter befasst, die der 40-Jährige bereits Monate vor der angeklagten Tat begangen haben soll. Angezeigt hatte ihn der Betreuer der Mutter, der im Prozess bereits als Zeuge ausgesagt hat. Das Gericht fand dafür keine Beweise. Aufgrund mehrerer Beweisanträge von Verteidiger Jens Hummel ist dieses Jahr nicht mehr mit einem Urteil zu rechnen. Der Abschluss ist für den 8. Januar geplant.