Halstenbek. Die 83-jährige Halstenbekerin Ingeborg Bauermeister weist die Vorwürfe einer nicht artgerechten Tierhaltung zurück.

Ingeborg Bauermeister ist traurig, wütend und enttäuscht. Seit mehr als 20 Jahren päppelt die 83-Jährige kleine Igel auf, sodass sie von Medien den Spitznamen „Igel-Oma“ erhielt. Ein sehr zeitaufwendiges Hobby, das die Halstenbekerin in Kürze aus Altersgründen aufgeben wollte.

Doch jetzt ist ihr der Kreis zuvorgekommen: Donnerstag voriger Woche rückten Kreis-Veterinäramt, die Untere Naturschutzbehörde und das Halstenbeker Ordnungsamt an und nahmen ihr alle 40 Igel weg. Vorwurf: nicht artgerechte Tierhaltung. Ein Hinweis aus der Bevölkerung soll die Kontrolleure auf den Plan gerufen haben.

„Ich bin darüber fassungslos“, sagt Bauermeister am Freitag auf Abendblatt-Anfrage. Die Vorwürfe, die im Anschluss an die nicht angekündigte Visite in einer Presseerklärung des Kreises geäußert worden sind – Ingeborg Bauermeister will sie nicht auf sich sitzen lassen. „Ich mache das seit mehr als 20 Jahren, bin im Vorstand des Komitees für Igelschutz, natürlich habe ich da Ahnung von.“

Die Mitarbeiter der drei Behörden seien morgens um 9.30 Uhr bei ihr erschienen – zu einer Zeit, als sie gerade dabei war, die Behältnisse mit den Tieren zu säubern. „Natürlich war ich noch nicht mit allen fertig.“ Die Igel „standen in ihren eigenen Exkrementausdünstungen“, notierte daraufhin der Kreis und veröffentlichte dies auch so.

Halstenbekerin wollte vier Tiere wieder auswildern

Zweiter Vorwurf: Die Kartons, in denen sich die Igel befanden, seien zu klein. „Ich nutze XXL-Kartons, meistens verfügen sie über einen Durchgang zu weiteren Kartons“, so Bauermeister. Zudem halte sie keine ausgewachsenen Igel in den Kartons, sondern kürzlich geborene kleine Tiere, die nicht viel mehr als 150 bis 200 Gramm wiegen würden.

„Dadurch, dass die ungeeigneten Behälter übereinander gestapelt waren, war der Luftaustausch für die meist schon mit Atemwegsproblemen vorbelasteten Tiere erschwert“, heißt es in der Mitteilung des Kreises. Die Halstenbekerin bestreitet nicht, dass einige Kartons übereinander gestapelt waren. „Das mache ich immer so beim Saubermachen, damit ich mich nicht mehr so tief runterbücken muss, ich bin schließlich nicht mehr die Jüngste.“ Sei der Karton gesäubert, stelle sie ihn wieder auf den Boden und nehme sich einen anderen hoch.

„Einige der vorgefundenen Igel waren nicht mehr hilfsbedürftig und hätten somit bereits wieder in die Wildbahn entlassen werden müssen“, heißt es in der Erklärung des Kreises weiter. „Sollten sie auch“, sagt die 83-Jährige. Allein am Sonnabend, zwei Tage nach der Razzia, sollten vier Tiere ausgewildert werden. Diese Aufgabe übernimmt die Halstenbekerin nicht selbst. Teilweise kommen Mitstreiter aus dem Komitee für Igelschutz Hamburg, die die Tiere wieder in die freie Wildbahn entlassen. Auch die Personen, die Ingeborg Bauermeister einen hilfsbedürftigen Igel bringen, sind teilweise bereit, den stachligen Gefährten nach dem Aufpäppeln wieder in seine natürliche Umgebung zu bringen.

Tiere im Igelhaus waren bereits im Winterschlaf

Am meisten regt Ingeborg Bauermeister der Satz in der Erklärung auf, wonach „sich eine deutliche Überforderung bei der 83-jährigen Halterin“ zeigte. „Ich weiß nicht, wie die darauf kommen“, so die Halstenbekerin. Sie sei fassungslos, dass die Mitarbeiter der Behörden alle 40 Igel mitgenommen hätten – auch die Tiere aus dem Igelhaus, die schon im Winterschlaf waren und aus diesem herausgerissen worden seien.

Das Igelhaus im Garten war erst vor einem Jahr durch die großzügige Hilfs- und Spendenbereitschaft vieler Menschen errichtet worden. Dort hat die Halstenbekerin die Tiere untergebracht, die sich im Winterschlaf befinden. Die überwinterten zuvor in ihrem Keller. Als Ingeborg Bauermeister die Stufen der Kellertreppe nur noch mühevoll bewältigen konnte und diesen Umstand weitererzählte, fanden sich viele Freiwillige zusammen, die ihr das Igelhaus in den Garten stellten.

Senioren erhält viel Zuspruch und Anteilnahme

Auch jetzt hat die Halstenbekerin nach eigenen Angaben eine große Welle der Anteilnahme erfahren. „Menschen stehen weinend vor meiner Tür und bringen mir Kuchen vorbei, um mich zu trösten.“ Auch habe sie viele Zuschriften erhalten – nur positive, wie Ingeborg Bauermeister betont. „Da war keine einzige negative dabei.“

Hilfsbedürftige Tiere kann die „Igel-Oma“ nicht mehr aufnehmen und aufpäppeln, wie sie dies mehr als 20 Jahre getan hat. Die Behörde hat ihr mit Verweis auf das Tierschutzrecht die Tierhaltung verboten. Die Rentnerin und einstige Krankenschwester muss sich nun von ihrem zeitaufwendigen Hobby verabschieden, das sie ohnehin aus Altersgründen aufgeben wollte. Aber den Zeitpunkt dafür hätte die Halstenbekerin schon gern selbst bestimmt. Noch steht kein Nachfolger bereit. Nicht nur Ingeborg Bauermeister fragt sich: „Wer kümmert sich jetzt um die Tiere?“