Pinneberg. Wetterkapriolen haben den Kreis weitgehend verschont. Erträge von Raps, Hafer und Äpfeln steigen. Preis für Getreide ist niedrig.
Ein Mähdrescher rollt über einen Acker, frisst sich durch sattes Grün. Wo er war, bleiben Reifenspuren zurück. Und ödes Braun. Aus der Vogelperspektive wirkt diese Szene auf einem Maisfeld bei Prisdorf wie ein abstraktes Gemälde. Aber es geht um etwas ganz Handfestes: Der Sommer ist vergangen, auch die Erntezeit neigt sich dem Ende entgegen. War es ein gutes Jahr für die Landwirte im Kreis Pinneberg?
Wider Erwarten: Ja, besser als 2019 zumindest, und auch besser als befürchtet. „Grundsätzlich haben wir in diesem Jahr eine durchschnittliche Ernte eingefahren“ sagt Ida Sieh, stellvertretende Geschäftsführerin des Kreisbauernverbands. Es seien weder unter-, noch überdurchschnittliche Erträge zu erkennen. Trotzdem zeige das vergleichsweise gute Jahr eine positive Entwicklung. „Besonders gut war die Hitzeperiode im August. Dadurch konnten wir das Getreide trocken einfahren, sodass keine Trocknungskosten anfallen“, sagt Sieh. „Auch die Grasernte, die für Heu und Silage notwendig ist, war in diesem Jahr gut. Die Milchviehbetriebe haben eine ausreichende Futtergrundlage für den Winter“ so die Agrarwissenschaftlerin weiter.
Auch die Maisernte sei in diesem Jahr durchschnittlich ausgefallen, wie Thomas Schröder, stellvertretender Kreisvorsitzender des Kreisbauernverbands berichtet. Er rechne mit Durchschnittserträgen von 40 bis 45 Tonnen pro Hektar.
Temperaturen im Kreis Pinneberg günstig für Landwirtschaft
Grundsätzlich seien die Temperaturen im Kreis Pinneberg günstig für die Landwirtschaft gewesen, lediglich im August hätte es ein wenig kühler sein können, sagt Ida Sieh. „Das kommt aber natürlich auch darauf an, ob es um Getreide, Obst oder Gemüse geht. Das Getreide kam beispielsweise mit der Hitze besser zurecht als der Mais“.
Auch landesweit wird von einer überzeugenden Ernte berichtet. „Nach zwei schwierigen Jahren gibt es endlich wieder eine gute Ernte“, hat unlängst auch Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) gesagt.
Keine Pommesbuden wegen Corona: Kartoffelpreis sinkt
Besonders sticht der Raps hervor. Nach vier schlechten Jahren für die Nutzpflanze berichtet die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein nun von einer Erntemengenschätzung von etwa 280.000 Tonnen landesweit, was im Vergleich zum Vorjahr einem Zuwachs von rund elf Prozent entspricht. Der Rapspreis liege in diesem Jahr auf Vorjahresniveau. Auch der Haferanbau boomte in Schleswig-Holstein. Die Anbaufläche sei mehr als doppelt so groß wie im Vorjahr gewesen, was vor allem der hohen Nachfrage an Hafermilch und Schälhafer, der für Nahrungsmittel verwendet wird, geschuldet ist. Außerdem hätten sich viele Bauern aufgrund der Nässe im Herbst vergangenen Jahres dazu entschieden, statt Wintergetreide Hafer zu säen. Infolge der hohen Nachfrage seien auch die Haferpreise leicht gestiegen.
Hingegen ist der Bedarf an Kartoffeln in Zeiten von Corona gesunken. Der Grund: Weil Großveranstaltungen ausfielen, wurden deutlich weniger Pommes frites verkauft. Dadurch seien die Preise am Speisekartoffelmarkt etwas gedrückt worden. Trotzdem berichtet die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein von guten Erträgen auch bei der Kartoffelernte.
Beim Obst differenzieren die Landwirte. Die Apfelernte sei ordentlich gewesen, sagt der Kreisvorsitzende des Kreisbauernverbands Pinneberg, Georg Kleinwort. „Der Kreis Pinneberg ist überwiegend von Hagel verschont geblieben, daher hat das Obst nur leichte Schäden erlitten. Einige wenige Äpfel zeigen Frostschäden auf“, sagt er. Die Birnenernte sei hingegen etwas geringer als im Vorjahr ausgefallen. Grund seien die teilweise recht niedrigen Temperaturen im Frühjahr gewesen.
Trotz der guten Ernte gibt es aber auch Probleme in diesem Jahr
Was Kleinwort „ordentlich“ nennt, bezeichnet Matthias Görgens, stellvertretender Leiter des Esteburg Obstbauzentrum auf der anderen Elbseite in Jork, mit Blick auf die 73 Obstbaubetrieben in Schleswig-Holstein, als durchschnittlich. „Im Frühjahr war es teilweise etwas zu kalt, der Sommer zeitweise zu warm. An den heißen Tagen mussten viele Obstbauern ihre Äpfel beregnen, um sie herunterzukühlen.“ Aber auch hier zeigt sich: Im Vergleich zu 2019 seien die Erträge um fünf Prozent gestiegen.
Trotz der guten Ernte gibt es aber auch Probleme in diesem Jahr. Im Kreis Pinneberg sind insbesondere die Getreidepreise den Landwirten ein Dorn im Auge. „Sie sind nach wie vor nicht angemessen. Das Preisniveau für Weizen war zum Zeitpunkt der Ernte zwar höher als das Vorjahresniveau, mit einem derzeitigen Preis von etwa 176 Euro pro Tonne ist es aber kaum möglich, Rücklagen zu schaffen“ sagt Ida Sieh.
Auch die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein berichtet von Problemen mit dem Weizen im ganzen Bundesland, allerdings im Bereich der Erträge des Winterweizens. „Aufgrund der schlechten Saatbedingungen im letzten Jahr hat sich die Anbaufläche für den Winterweizen deutlich verringert. Dementsprechend sind die Erträge in diesem Jahr niedriger ausgefallen“, sagt Daniela Rixen, Pressesprecherin der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Insgesamt sei die Anbaufläche verglichen mit dem Vorjahr um fast 20 Prozent und die Erntemenge um rund 18 Prozent gesunken.
Achterbahnfahrt mit dem Wetter
Landesweit sind vor allem die Witterungsschwankungen weiterhin problematisch für die Bauern. „In diesem Jahr haben wir eine Achterbahnfahrt mit dem Wetter hinter uns. Auffällig sind dieses Jahr deshalb die starken Ertragsschwankungen quer durchs Land“ sagt Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes. Übernasse Winter, Vorsommertrockenheit und der Wechsel zwischen kühlem, stürmischem Klima und Hitzeperioden im Sommer machten es den Landwirten weiterhin schwer, heißt es auch seitens der Landwirtschaftskammer.
„Dass die heißen Tage zunehmen und Wetterextreme keine Seltenheit mehr sind, spürt der Landwirt deutlich“, sagt auch Obstexperte Matthias Görgens. Und Minister Jan Philipp Albrecht meint: „Landwirte werden sich weiterhin mit dem Thema Klimawandel und dem Auftreten von Wetterextremen auseinandersetzen müssen. Diesmal hat Schleswig-Holstein Glück gehabt, die Niederschläge sind immer noch gerade rechtzeitig gefallen“.
Um dem Klimawandel standzuhalten, gibt es mittlerweile auch Versuche seitens der Landwirtschaftskammer, bei denen verschiedenste Obst-, Getreide- oder Gemüsesorten auf ihre Beständigkeit gegen Kälte, Nässe und Hitze getestet werden. Daniela Rixen: „So können die Bauern bei der Aussaat Sorten wählen, die sich dem Wetter besonders gut anpassen können und damit eine bessere Ernte erzielen.“