Wedel. Für ihr „Pferd in Royalblau“ erntete Nicole Leidenfrost viel Spott. Vom Medienecho profitiert die Künstlerin bis heute.

Die großformatigen Bilder fallen dem Besucher schon beim Betreten des ruhig in einer Wedeler Wohngegend gelegenen Einfamilienhauses auf. An beinahe jeder Wand hängt ein buntes Gemälde. Dass sich hier Arbeits- und Lebensraum vermengen, wird schnell deutlich. Vom Keller bis ins obere Stockwerk hat Nicole Leidenfrost ihre Kunst aufgehängt oder gelagert. Kein Wunder, denn die Künstlerin, die durch ein Gemälde für die Queen weltweite Bekanntheit erlangte, lässt sich von keinem Agenten oder Galeristen vermarkten. Das übernimmt die gebürtige Berlinerin selbst. Und mit Selbstvermarktung kennt sie sich aus.

Die berühmte Szene: Bundespräsident Joachim Gauck präsentiert der Queen „Pferd in Royalblau“.
Die berühmte Szene: Bundespräsident Joachim Gauck präsentiert der Queen „Pferd in Royalblau“. © picture alliance / dpa | Jesco Denzel

Dabei ist eine Begebenheit vor fünf Jahren ausschlaggebend. Leidenfrost war es, die das Gastgeschenk anfertigte, das der damalige Bundespräsident Joachim Gauck Queen Elizabeth II. bei deren Staatsbesuch überreichte. Das Bild, für das Leidenfrost eine Original-Fotografie als Vorlage nutzte, zeigt die junge Queen auf dem Rücken eines blau gemalten Pferdes. Daneben ist ihr Vater König Georg VI. in einem leuchtend gelben Sakko zu sehen.

Queen-Malerin aus Wedel bedruckt Masken

Die Queen soll sich jedoch über die ungewöhnliche Farbwahl für das Pferd gewundert haben. Auch ihren Vater habe sie nicht erkannt. Gauck, dem die Situation sichtlich unangenehm zu sein schien, versuchte die Situation zu retten, indem er die Aufmerksamkeit des britischen Staatsoberhaupts auf das Lübecker Marzipan lenkte, das ebenfalls als Geschenk bereit lag. Sein Originalzitat „If you don’t like it, get this marzipan“ ließ die Wedeler Künstlerin auf T-Shirts drucken.

„Ich liebe dieses Zitat“, sagt Leidenfrost und lacht. Sie erinnert sich noch genau an den Tag, an dem ihr Bild überreicht wurde. Ein Mittwoch. Am nächsten Tag brach ein internationales Medienecho über sie herein – davon profitiert sie noch heute. Über Nacht wurde sie zur Marke. Und die ließ sie sich schützen. „Queen-Malerin“ nennt sie sich seither.

Leidenfrost liebt Gaucks berühmtes Marzipan-Zitat

Dass die Pressestimmen bezüglich ihres Gemäldes, vor allem die aus Großbritannien, vernichtend ausfielen, lässt die 46-Jährige bloß milde lächeln. „Für mich ist nur wichtig, was intern gesagt wird.“ Und das sei durchweg positiv gewesen. Sowohl von ihren Auftraggebern aus dem Bundespräsidialamt als auch von der Königin selbst. Auf ihrer Webseite hat Leidenfrost einen Link zu einer Mimikanalyse der Queen veröffentlicht. Darin wird die von vielen als negativ wahrgenommene royale Reaktion widerlegt. Auch vier Briefe mit „sehr nettem Inhalt“ im Auftrag der Queen habe sie bereits erhalten. Zudem hänge ihr Werk bis heute in der „Royal Collection“.

Und Leidenfrost weiß auch, dass schlechte Presse gutes Marketing bedeuten kann. „Wenn die Queen die Situation freundlich weggelächelt hätte, würde mich niemand kennen.“ Schließlich nähme von Geschenkübergaben bei Staatsbesuchen normalerweise kaum jemand Kenntnis.

In der Pharmaziebranche lernt sie professionelles Verkaufen

Ihr erstes Gemälde verkaufte die „Queen-Malerin“ bereits im Alter von 18 Jahren, als sie sich in Berlin in der Vorbereitung zum Studium an der Hochschule der Künste befand. „Mein erster Kunde hat mir eine Staffelei gekauft, weil ich damals keine hatte“, erinnert sie sich. Das Studium schloss sie jedoch nicht ab. „Ich komme nicht aus einer Künstlerfamilie.“ Den Schritt, vollständig von der Kunst zu leben, wagte sie daher zunächst nicht. „Ich habe als Pharmareferentin gearbeitet. Dadurch habe ich viel über professionellen Verkauf gelernt.“ Eine Fähigkeit, die ihr heute zugute kommt. Sie absolvierte zudem eine Ausbildung als Business-Trainerin. Das Malen lief jahrelang nur nebenbei. „Ich hatte nicht geplant, es hauptberuflich zu machen.“

Doch dann kam ihr persönlicher Schicksalstag. Der 23. Juni 2015. „Vier Wochen vorher hatte ich aufgehört, als Coach zu arbeiten“, sagt Leidenfrost. „Rückblickend sollte es so sein.“ Seither kann sie von ihrer Kunst leben. Sie betont aber: „Ich bin nicht aus dem Nichts zur Queen gekommen, sondern war zu dem Zeitpunkt schon seit 20 Jahren im Kunstmarkt. Ich hatte eine lange Aufbauphase.“

Der Liebe wegen zog Leidenfrost vor zehn Jahren zu ihrem Partner, dem Galeristen Frank Gotzhein, nach Wedel. Ihre Bilder setzt sie hauptsächlich übers Internet und auf Messen ab. Viele Stammkunden besuchen die Künstlerin auch zu Hause in ihrem Atelier. Zudem fertigt sie Auftragsarbeiten an. Doch mit Beginn der Corona-Pandemie brach auch ihr fast alles weg. „Der Markt lag komplett brach. Ich musste mich damit abfinden, ein Jahr lang nicht mehr aktiv arbeiten zu können.“ Auf fünf Messen wollte sie ihre Werke ausstellen. Bis auf eine, die noch in der Schwebe hängt, wurden alle abgesagt.

Queen-Malerin druckt Motive auf Kissenbezüge, Masken und Tassen

Leidenfrost orientierte sich in der Krise neu und ließ ihre Motive auf Masken, Kissenbezüge, Tassen und Kleidung drucken. Auch Drucke von den Original-Gemälden kann man nun bei ihr bestellen. Denn ihr sei es wichtig, die Bedürfnisse ihrer Kunden stets im Blick zu haben, sagt sie. Und die Nachfrage nach kleineren Drucken sei groß gewesen. „Viele Menschen scheuen sich derzeit davor, Geld auszugeben.“

An die Bedürfnisse ihrer Kunden habe sie auch ihre Motivwahl angepasst. „Man merkt, dass die Menschen jetzt mehr Ruhe und Frieden suchen.“ Also: Weniger brachiale Optiken wie wilde Tiere auf schwarzem Grund, mehr Kinder mit Herzen in pastelligeren Tönen. Daraufhin seien die Klickzahlen explodiert, sagt Leidenfrost, die auch in den sozialen Medien sehr aktiv ist. Ihr Markenzeichen jedoch bleiben: schrille, knallbunte Pinselstriche.

Künstlerin arbeit „marktorientiert“

„Es ist wichtig, kundenorientiert zu arbeiten. Sie bestimmen, wer überlebt.“ Diesen marktorientierten Ansatz teilen nicht viele Künstler, würden es zumindest in den seltensten Fällen offen zugeben. Doch Leidenfrost vertritt diesbezüglich eine klare Position: „Künstler sind auch Unternehmer.“ Schließlich müssen sie von ihrer Kunst ihre Rechnungen bezahlen können. Um Transparenz zu schaffen, hat sie ein Buch über den Kunstmarkt geschrieben und darüber wie Preise berechnet werden oder der Vertrieb läuft. Es soll noch in diesem Jahr erscheinen. Gespickt ist es mit persönlichen Erlebnissen und Anekdoten.

Trotz ihrer Nebenprojekte hofft sie, dass sich der Kunstmarkt bald wieder erholt, denn Leidenfrost weiß: „Geld wird mit den großen Sachen verdient.“ Und die kosten bei ihr bis zu 6.700 Euro. Die Zeit ohne Messen und Ausstellungen nutzt sie dazu, ihre kreativen Ideen, die sie schon lange im Kopf habe, umzusetzen. Dabei bleibt die „Queen-Malerin“ pragmatisch: „Es muss weitergehen.“