Ellerbek. Ein 34 Jahre alter Hamburger soll eine junge Frau überfallen haben. Sie wehrte sich massiv – und muss nun fürchten, infiziert zu sein.
Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft: Die Staatsanwaltschaft Itzehoe hat einen 34-jährigen Hamburger angeklagt, der in der Nacht zum 3. November 2019 in Ellerbek offenbar eine 23 Jahre alte Frau vergewaltigen wollte. Das Opfer biss dem Mann die Fingerkuppe ab. Daraufhin ließ er von ihr ab, deshalb konnte die Polizei ihn später überführen. Andererseits muss die Frau nun fürchten, sich durch den rettenden Biss mit dem HIV-Virus infiziert zu haben. Denn der Täter ist nachgewiesenermaßen infiziert. Vom 6. April an muss er sich vor Gericht verantworten.
Frau aus der AKN gestiegen – folgte der Vergewaltiger ihr?
Die junge Frau hatte kurz vor 1.30 Uhr in der Nacht zu Sonntag den AKN-Zug der Linie A 1 an der Haltestelle Schnelsen verlassen und sich zu Fuß auf den Heimweg gemacht. Sie lief den Gehweg der Pinneberger Straße in Richtung Ellerbek entlang und passierte wenig später die Landesgrenze zu Schleswig-Holstein. In Höhe der Einmündung Flagentwiet traf sie dann einige Minuten später auf ihren Peiniger. Ob der 34-Jährige ihr unbemerkt gefolgt war oder dort einem Opfer auflauerte, ist nicht bekannt.
Sicher ist, dass die 23-Jährige plötzlich ohne Vorwarnung von dem Mann angegriffen wurde. Die Staatsanwaltschaft wertet die Attacke als versuchte Vergewaltigung. „Der Angeklagte wollte gegen den Willen des Opfers den Geschlechtsverkehr vollziehen“, sagt Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe ist.
Der Täter habe die junge Frau im Intimbereich berührt und gewaltsam versucht, sie zu Boden zu bringen, um seine Tat vollenden zu können. Müller-Rakow: „Das Opfer hat sich dagegen erheblich zur Wehr gesetzt.“ Als der Täter ihr den Mund zuhielt, habe sie zugebissen – und dem Angreifer die Fingerkuppe abgebissen. Daraufhin sei der Mann geflüchtet.
Der Prozess gegen den Mann startet am 6. April
Die Fingerkuppe, die vom kleinen Finger der rechten Hand stammte, wurde von der Polizei am Tatort sichergestellt und kriminaltechnisch untersucht. Parallel dazu leiteten die Beamten eine öffentliche Fahndung nach dem Triebtäter ein. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen – und konnte sehr schnell geklärt werden.
Nur zwei Tage nach der Tat gab ein Arzt des Uniklinikums Eppendorf (UKE) den entscheidenden Tipp. Bei ihm hatte sich ein 34 Jahre alter Hamburger in Behandlung begeben, dem offenbar erst seit Kurzem eine Fingerkuppe fehlte. Der Mediziner, der die frische Wunde behandeln sollte, informierte parallel die Ermittler. Daraufhin rückten Beamte aus Hamburg im UKE an und nahmen den Verdächtigen vorläufig fest.
Ein DNA-Abgleich ergab einige Tage später, dass die am Tatort vorgefundene Fingerkuppe nachweislich von dem Festgenommenen stammte. Bereits am 6. November hatte das Amtsgericht in Itzehoe einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gegen den Libanesen erlassen, der laut Medienberichten ausgerechnet als Sicherheitsmitarbeiter in einem Supermarkt der Hansestadt tätig gewesen sein soll.
Mutmaßliche Täter nachweislich mit HIV infiziert
Seitdem sitzt der Hamburger in der Justizvollzugsanstalt Itzehoe. Er hat in seiner Vernehmung nach Abendblatt-Informationen Angaben zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gemacht. Der Prozess gegen den Mann startet am 6. April vor dem Schöffengericht Itzehoe, ein zweiter Prozesstag wurde von der Kammer für den 20. April angesetzt.
„Wir werfen dem Angeklagten eine sexuelle Nötigung und eine versuchte gefährliche Körperverletzung vor“, so Müller-Rakow weiter. Die versuchte gefährliche Körperverletzung ergebe sich aus der HIV-Infektion des Mannes und dem Umstand, dass er offenbar ungeschützten Geschlechtsverkehr mit der Frau vollziehen wollte. Ob das Opfer sich möglicherweise beim Abbeißen der Fingerkuppe infiziert hat, ist laut dem Staatsanwalt noch nicht abschließend geklärt.
Schöffengericht kann vier Jahre Haft verhängen
In einem zweiten Anklagepunkt legt die Staatsanwaltschaft Itzehoe dem Hamburger einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung sowie einen tätlichen Angriff auf eine Polizistin zur Last. Er soll sich gegen seine Festnahme am 5. November im UKE heftig gewehrt, die eingesetzten Beamten beschimpft und in Richtung einer Kommissarin getreten, diese jedoch zum Glück verfehlt haben.
Dem Mann droht laut Paragraf 177 des Strafgesetzbuchs eine Haftstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Gefängnis, da er für seine Tat das Überraschungsmoment des Opfers ausgenutzt hat. Da die Anklage jedoch zum Amtsgericht in Itzehoe erfolgt ist, liegt die maximal mögliche Strafhöhe für den Angeklagten bei vier Jahren Freiheitsstrafe. Urteile, die darüber hinausgehen, müssen von einem Landgericht gefällt werden.