Pinneberg. Blick von oben bis nach Blankenese. Makler bietet die denkmalgeschützte Immobilie an. So sieht sie von innen aus.
Wohne lieber ungewöhnlich? In Pinneberg könnte dieser Traum jetzt in Erfüllung gehen. Denn eines der markantesten und unkonventionellsten Wohngebäude der Stadt steht zum Verkauf – der Wasserturm aus dem Jahr 1912. Das denkmalgeschützte Haus am Peinerweg wurde zuletzt privat vom Ehepaar Ingeborg und Erwin Kosanke bewohnt. Doch weil die beiden „altersbedingt“ aus den ausgebauten zehn Ebenen ausgezogen sind, wurde nun ein Hamburger Makler beauftragt, den 46 Meter hohen, mehr als 100 Jahre alten Turm zu verkaufen. Preis: 600.000 Euro.
Mit Fahrstuhl, neun Zimmern, drei Schlafräumen und zwei Badezimmern wird der Rundbau vom zuständigen Immobilienmakler Schmidt & Bethge nicht zu Unrecht als „Rarität“ gehandelt. Weil Wassertürme selten auf dem Markt sind, firmiert das Pinneberger Exemplar sogar in der Immobilien-Kategorie „Burgen und Schlösser“. Das heißt: Der auf einem achteckigen Sockel thronende Backsteinbau dürfte vor allem etwas für Liebhaber und Individualisten sein.
Nach langem – sehr langem – Leerstand griff ein Ehepaar zu
Eine „Handvoll“ Bewerber gibt es laut Makler schon. Drei Besichtigungstermine verliefen vielversprechend. „Insgesamt ist das Interesse groß“, sagt Geschäftsführer Benjamin Wendt. Er sei zuversichtlich, den Turm in den kommenden Tagen an den nächsten Besitzer veräußern zu können. Selbst wenn der künftige Eigentümer noch etwas mehr als den reinen Kaufpreis und die übliche Courtage investieren müsste. Denn: Laut Inserat befindet sich der Wasserturm in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Notwendige Arbeiten am Dach, den Fenstern und den Innenräumen müssten berücksichtigt werden.
Der 1912 fertiggestellte Pinneberger Wasserturm hat eine durchaus wechselvolle Geschichte. Das mit Schiefer gedeckte Gebäude wurde einstmals als reines Funktionsbauwerk errichtet, wie überall in Deutschland war es am Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Schleswig-Holstein verbreitet, die Wasserversorgung der Bevölkerung mit höher gelegenen Behältern in Türmen sicherzustellen. Noch heute künden etwa 140 Bauwerke dieser Art im ganzen Land von dieser Praxis.
Fabrikant Hermann Wupperman ließ den Turm bauen
In Pinneberg gab der Fabrikant Herman Wupperman den Turm nebst Wasserwerk in Auftrag. Seine Union-Eisenwerke und die Stadt nutzten die Anlagen anfangs gemeinsam, Wupperman verpflichtete sich, täglich mindestens 600 Kubikmeter Wasser zur Verfügung zu stellen – im Gegenzug baute die Stadt das nötige Rohrleitungsnetz. Erst 40 Jahre nach dem Bau ging der Turm in das Eigentum der Stadt über, 1952 kauften die Stadtwerke das Gebäude.
Doch schon kurze Zeit später kamen Wassertürme aus der Mode, nur vier Jahre nach dem Erwerb verlor der Zweckbau seine Funktion. Das bedeutete: Leerstand. Sehr langer Leerstand. Immerhin wurde der elegante, aber nutzlos gewordene Backsteinturm 1988 als „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“ erkannt, ein Abriss dadurch erschwert.
Blick von oben reicht bis Blankenese und Norderstedt
Erst 1994 erwarb das Pinneberger Ehepaar Ingeborg und Erwin Kosanke das 800 Quadratmeter große Grundstück von der Stadt – und mit ihm den Turm. Danach, das haben Kosankes mehrfach erzählt, hatten sich die Senioren mit viel Geld und Eigenleistung ihr ungewöhnliches Domizil in dreijähriger Arbeit zur Wohnung ausgebaut, und zwar erst, nachdem ihre Kinder Ria, Jörg und Axel aus dem Haus waren.
Während die unteren drei von insgesamt zehn Ebenen heute als Lager und Gewerbeflächen genutzt werden können, stehen die sechs oberen Ebenen der reinen Wohnnutzung zur Verfügung. Dazu gehört auch eine Aussichtsplattform, die bei gutem Wetter den Blick bis Blankenese oder Norderstedt erlaubt.
Alles so schön rund hier, und zwar auf 370 Quadratmetern
Herzstück des ungewöhnlichen Wohnhauses ist aber sicher die ehemalige Wasserbehälterebene in etwa 22 Meter Höhe, heute mit Parkettboden, Einbauküche und Rundumfenstern der wohl gemütlichste (und größte Raum) des Turms. Ein kleiner Fahrstuhl stellt neben der Wendeltreppe (mit Tau-Geländer!) das bequeme Pendeln zwischen den Stockwerken sicher, die Bäder etwa haben eigene Ebenen. Ebenso wie weitere Wohnbereiche, ein Büro und die Werkstatt – die sich im Gegensatz zu konventionellen Wohnungen vertikal statt horizontal verteilen. Die Geschossfläche des gesamten Turmes beträgt etwa 450 Quadratmeter, davon können etwa 370 zum Wohnen genutzt werden.
Kosankes hatten vor ihrem Einzug in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre außerdem eine moderne Heizanlage sowie zusätzliche Stahlstützen und neue Wasserleitungen eingebaut. Alles in allem, sagte Handwerker Erwin Kosanke einmal, seien zehn Tonnen Stahl rausgerissen und 20 Tonnen wieder eingesetzt worden. Dabei ist nicht nur der Turm bemerkenswert – und Teil des Inserats. Auch außen gibt es noch etwas Raum zur Selbstverwirklichung. Zur Verfügung stehen ein Doppelcarport, eine Sitzecke mit Garten und das alte Mini-Pumpenhaus, das als Abstellraum genutzt werden kann.