Pinneberg/Husum. Der Backsteinbau in Husum war Vorbild für das Gebäude am Peiner Weg in Pinneberg. Ein Wahrzeichen ihrer Stadt sind beide Bauten.
Am Horizont sind weiße Hochhäuser zu erkennen. Die Häuser müssen zu Norderstedt gehören. Das jedenfalls steht auf einem kleinen, weißen Schild, das unten am Fensterrahmen klebt. „Ahrenlohe Müllverbrennung“, „Peiner Hof Uetersen“, „Fernsehturm Schanze“, „Poppenbüttel 20 Kilometer“ – unter jedem der Fenster des runden Raums ist ein solches Schild angebracht, das darüber informiert, was in dieser Himmelsrichtung liegt. Nicht immer ist in der Ferne auch zu sehen, was darauf geschrieben steht. Einiges ist auch aus einer Höhe von etwa 40 Metern noch zu weit entfernt. Der Blick vom Pinneberger Wasserturm ist dennoch einzigartig. Ein Rundum-Panorama, das die Stadt aus der Vogelperspektive zeigt.
Wo Husum liegt, das steht auf keinem Schild. Und doch gibt es eine direkte Verbindung von Pinneberg in den Kreis Nordfriesland. In Husum steht der Doppelgänger des Pinneberger Wasserturms. Ein älterer Bruder. 1902 wurde der Turm in Husum gebaut, zehn Jahre später diente er als Vorbild für den Wasserturm in Pinneberg. Roter Backstein, grauer Schiefer, ein runder Bau auf achteckigem Sockel, ein spitzer Turmhelm – beide Bauten sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Wie eineiige Zwillinge. Auch wenn Erwin Kosanke dem so nicht zustimmen würde. Er wohnt in Pinnebergs Wahrzeichen.
Die Fenster des Husumer Turms wurden ersetzt
46 Meter misst der Pinneberger Wasserturm bis zur Spitze. Eine Kugel thront ganz oben, und diese Kugel ist Erwin Kosanke besonders wichtig. Denn sie ist einer der Unterschiede zwischen den Türmen. „Der Turm in Husum mag älter sein, aber unserer ist schöner, allein schon wegen dieser Spitze.“ Er grinst verschmitzt. Auch die Fenster seien schöner, in Husum habe man die ursprünglichen ersetzt, und den neuen, modernen Fenstern fehlten die vielen kleinen Streben.
Husum
Erwin Kosanke und seiner Frau Ingeborg gehört der Pinneberger Wasserturm. Seit 1994 können sie jeden Tag den Panoramablick über Pinneberg genießen. Damals haben sie das Bauwerk am Ende des Peiner Wegs nahe den alten Wupperman-Werkhallen übernommen. Das Grundstück haben sie gekauft, den Turm bekamen sie kostenlos dazu und bauten ihn zu einem Wohnhaus um. Es wurden Stockwerke eingezogen, neue Treppen und ein Fahrstuhl eingebaut. Erwin Kosanke hat fast alle Arbeiten damals selbst erledigt. Ingeborg Kosanke erinnert sich, dass sie erst gar nicht in den Turm einziehen wollte, ihr gefiel das Wohnhaus, das sie an der Datumer Chaussee hatten. „Aber ich freue mich jeden Tag wieder, dass wir hier wohnen“, sagt die 77-Jährige.
Kosankes haben den Husumer Turm besucht
Dass ihr Turm einen Doppelgänger hat, wissen die Kosankes schon lange.
„Irgendwann hat mir das mal jemand erzählt, und später sind wir hingefahren und haben ihn uns angeguckt“, erinnert sich Erwin Kosanke. Wie sein Turm ist auch das Gegenstück in Husum in privater Nutzung. Es wurde zu einem Bürogebäude mit Aussichtsplattform umgebaut. Eine Zeit lang konnten Besucher den Turm besichtigen, mittlerweile ist er aber nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich.
Ingeborg und Erwin Kosanke haben ihren Turm nur einmal für Besucher geöffnet, vor ein paar Jahren zum „Tag des offenen Denkmals“. Denn ihr Zuhause ist ein eingetragenes Kulturdenkmal.
Pinneberg
Der Wasserturm ist eines der Wahrzeichen der Kreisstadt – ebenso wie der in Husum und die in vielen anderen Städten. Denn Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts galten solche Türme als die beste technische Lösung, um gleichmäßigen Wasserdruck zu gewährleisten. In relativ kurzer Zeit wurden allein in Schleswig-Holstein etwa 140 Wassertürme gebaut, einige davon architektonisch sehr fantasievoll. Dass der Pinneberger Turm nach Husumer Vorbild gebaut wurde, verwundert Historiker Johannes Seifert nicht. „Das war durchaus üblich. Wenn etwas funktioniert hat, hat man es nachgebaut. Man hatte nicht so ein Bedürfnis wie heute, dass alles besonders sein muss.“