Kreis Pinneberg. Die Experten im Kreis Pinneberg geben trotz dramatischer Bilder Entwarnung – zumindest vorerst. Denn der nächste Sturm kommt.

Die Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes lesen sich immer noch beunruhigend, aber die Deiche im Kreis Pinneberg, deren Standhaftigkeit zuletzt wegen Lochfraßes durch Mäuse angezweifelt wurde, seien „wehrhaft“ und „stabil“. Der Hochwasserschutz funktioniere trotz Flut von der Küste und ergiebigem Regen von oben.

Das ist die Einschätzung der Verantwortlichen nach der ersten „schweren Sturmflut“ des Jahres. „Wir haben die Deiche von Friedrichskoog bis Wedel kontrolliert – alles im grünen Bereich“, sagt Siegfried Bornhold, zuständiger Leiter beim Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN). „Außer ansehnlichen Treibselmengen kein Grund zur Sorge.“

Erst ab vier Meter über mittlerem Hochwasser wird’s kritisch

Obwohl in Wedel die Elbe derzeit mit jeder neuen Hochwasserwelle dicht an die Fluttore schwappt, sei an den Deichen noch „viel Luft nach oben“, sagt Bornhold. Nach 2,7 Meter über mittlerem Hochwasser am Montag müsste schon eine Flut mit 3,5 bis vier Meter kommen, um ihn zu beunruhigen. Mit einer solchen „sehr schweren Sturmflut“ rechnet er aber nicht.

„Bisher stand das Wasser erst am Deichfuß“, sagt Thies Kleinwort, Oberdeichgraf in der Seestermüher Marsch. Kurzum: Noch sei alles unproblematisch. 2013 habe das Wasser höher gestanden, auch das sei keine Herausforderung gewesen. „Die Deiche sind vernünftig gepflegt und acht Meter hoch. Da passiert so schnell nichts“, sagt Kleinwort.

Von der Stadt Wedel selbst gibt es auch Entwarnung. Es sei nicht geplant, die Fluttore zu schließen, sagt Stadtsprecher Sven Kamin. Selbst wenn Schaulustige wie Eric (10) erstaunt feststellen: „Das ist das höchste Wasser, das ich hier jemals gesehen habe!“ Mit seinem Vater und seinem Bruder blickt er am Schulauer Hafen auf die vielen Wellen der sonst so ruhigen Elbe.

Imbissbesitzer macht Fischbrötchen-Wagen flutsicher

Um die Ecke hat Imbissbesitzer Tayfun Dagbaslilar seinen Wagen „Isi’s Fischspezialitäten“ nicht grundlos flutsicher gemacht. In den nächsten Tagen könne er deshalb auch keine Fischbrötchen an Schaulustige verkaufen. „Bis sich die Lage etwas verbessert.“ Norddeutsche Gelassenheit lassen auch Kim Nissen und Anne Fleck beim Spaziergang mit ihren Hunden walten: „Sturmflut ist Sturmflut“, sagt Nissen.

Kreissprecher Oliver Carstens sagt, „dass die Pegelstände hoch sind, aber nicht dramatisch. Grund zur Besorgnis besteht daher nicht.“ Übrigens auch nicht im Hinterland, wo die Flüsse momentan anschwellen, weil die Sperrwerke zur Elbe nicht über längere Zeit geöffnet werden können. „Ich sehe die Situation aber nicht als dramatisch an“, sagt Hermann Ahrens, Verbandsvorsteher des Wasserverbandes Mühlenau. Das könne sich jedoch ändern, wenn die angekündigten Sturmfluten so stark sind, dass das Pinnau-Sperrwerk nicht aufgemacht werden kann.

Auch an Pinnau, Krückau und Mühlenau ist alles im grünen Bereich

Vor allem die starken Regenfälle seien für die Pegel der kleinen Flüsse entscheidend. Aber: „Es ist alles noch im Bereich dessen, was wir auch normalerweise an Wasserständen haben.“ Zu einer ähnlichen Beurteilung kommt Karl-Heinz Bonnhoff, Verbandsvorsteher des Wasserverbandes Krückau. „An einigen Stellen ist die Krückau zwar über die Ufer getreten, aber wir sind weit entfernt von einer kritischen Lage“, sagt er. „Vor ,Sabine‘ hatten wir sogar höhere Wasserstände“, sagt sein Kollege Ahrens. Als „Sabine“ am Montag wütete, sei der Pegel „nur“ auf 1,50 Meter gestiegen, einen Meter über dem Normalwasserstand. „Erst wenn die Mühlenau nicht ablaufen kann, weil der Sturm auf den Abfluss der Pinnau in die Elbe einwirkt, werden Auswirkungen zu spüren sein.“

Dennoch gilt für den Kreis Pinneberg weiterhin: Festhalten, es bleibt stürmisch. Oder, wie Deichexperte Bornhold sagt: „Der blanke Hans testet weiter.“ Demnach ist nach dem Orkantief „Sabine“ nur vor dem nächsten Sturm. Laut DWD zieht bis heute ein „umfangreiches Sturmtief vorbei. Dadurch verbleibt die Nordsee in einem kräftigen Sturmfeld aus West.“ Weiterhin kann es schwere bis orkanartige Gewitterböen geben. In der Nacht zum Donnerstag gebe es leichte Entspannung, doch danach folgt ein weiteres Orkantief.

Feuerwehren haben weiterhin viel zu tun

Auch am dritten Tag in Folge waren die Feuerwehren im Kreis am Dienstag mit den Folgen von Sturmtief „Sabine“ befasst. Zwischen 7 Uhr morgens und dem späten Nachmittag zählte die Rettungsleitstelle 20 Einsätze. Die Gesamtzahl der Einsätze soll sich damit auf mehr als 200 erhöht haben.

In Wedel drohten am Vormittag die Teile eines Flachdachs sich zu lösen. Diese wurden durch die Feuerwehr der Stadt gesichert. In Schenefeld sowie in Pinneberg-Thesdorf drohten Bäume umzustürzen. Diese wurden von den Wehrleuten mit Handkreissägen beseitigt.

In Halstenbek war an der Lübzer Straße ein entwurzelter Baum auf ein Geländer und den darunter liegenden Fuß- und Radweg gestürzt. Dabei wurde auch eine Straßenlaterne stark beschädigt. Die Einsatzkräfte mussten gegen 13 Uhr die vielbefahrene Straße einseitig und später auch teilweise ganz sperren, um den Baum mittels Kettensägen entfernen zu können. Es kam zu starken Verkehrsbehinderungen. Zudem drohte am Luruper Weg eine zwölf Meter hohe Tanne auf das Garagendach eines Hauses zu stürzen. Auch dieser Baum musste gesichert und dann entfernt werden.