Ellerhoop. Bund deutscher Baumschulen und Kreisverwaltung denken über Strategien gegen Folgen starken Regens nach.
Ob eine rundum begrünte Schenefelder LSE, wie sie zurzeit in der Planung ist, ein neuer Park in der Hamburger Hafencity oder ein neues grünes Band zwischen Alster, Bille und Elbe – für solche Konzepte werden Gehölze gebraucht. Die aktuelle Klimadiskussion rückt die Gewächse aus den Baumschulen wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit, das ist bei der Mitgliederversammlung des Landesverbandes Schleswig-Holstein im Bund deutscher Baumschulen in Ellerhoop deutlich geworden.
„Allmählich begreift die Gesellschaft: Wir sind Teil der Lösung“, sagt der Landesvorsitzende Axel Huckfeldt. Das sieht auch Bernhard von Ehren so, Baumschuler in fünfter Generation und Vizepräsident des Bundesverbandes: „Unsere Pflanzen sind ein wichtiges Thema für die Menschheit und die Städte von morgen. Und ein durch und durch positives Produkt.“
Ihr Appell lautet also sinngemäß: „Macht die Städte wieder grüner.“ Als einen großartigen Schritt in diese Richtung wertet Axel Huckfeldt den überragenden Erfolg der Aktion Einheitsbuddeln zum Tag der Deutschen Einheit: „Die beste Idee des Jahren 2019.“ Das Ergebnis: Bundesweit rund 120.000 neu gepflanzte Bäume innerhalb weniger Tage. Ideen schaffen also grüne Tatsachen, künftig wird darauf wohl ein größeres Gewicht gelegt werden.
Nachhaltige Stadtentwicklung durch grüne Infrastruktur
Aber die Realität sieht vielerorts in Zeiten des Klimawandels noch anders aus, kritisiert Bernhard von Ehren: „Trotzdem – und das sage ich im Besonderen an die Vertreter aus der Verwaltung und der Politik – werden in den meisten deutschen Städten nach wie vor mehr Bäume entnommen als neu gepflanzt. Und das vor dem Hintergrund, dass wir so unendlich viel versiegeln und CO2 emittieren. Das ist ein Skandal!“
Will sagen: Städte und Gemeinden sollten künftig nicht nur alle entnommenen Bäume nachpflanzen, sondern die Anpflanzungen insgesamt erhöhen.
Peter Menke von der Gartenbau-PR-Agentur Ned.Work macht deutlich, dass es nicht nur um Gärten gehe, sondern darum, eine „grüne Infrastruktur“ zu schaffen, inklusive öffentlicher und privater Institutionen, Dächer, Fassaden, Terrassen – „die lassen sich alle grün gestalten“, sagt Menke. Das bisherige Verständnis von Stadtgrün in Form abgegrenzter Parks sei heute viel zu wenig: „Nachhaltige Stadtentwicklung funktioniert nur mit grüner Infrastruktur, also mit vernetzten Grünflächen, die in der Verbindung als Biotope funktionieren können. Dazu gehören auch private Vorgärten“.
Menschen mögen eigentlich keine kahlen Vorgärten
Gegen die derzeit in Mode gekommenen Kies- und Schottergärten wolle er nicht zu Felde ziehen, lieber wolle er überzeugen durch das Positive bepflanzter, individueller Vorgärten. Und pflegeleichte Alternativen seien schließlich auch durch Bodendecker möglich.
Menke zitiert eine repräsentative Umfrage, die ergeben habe, dass die Mehrheit der seinerzeit 2000 Befragten reich bepflanzte Vorgärten lieber möge als kahle. Die bezeichneten sie nämlich als kalt, steril und langweilig. Und nicht mal die offenbar weit verbreitete Annahme stimme, Schottergärten seien pflegeleichter als solche mit vielen Pflanzen. Mit der Zeit wehten dort nämlich Sand, Erde und Samen hinein, und dann sei es auch schon vorbei mit der Ordnung.
Trotz solcher Argumente würden nach wie vor Schottergärten angelegt. Was ist aber zu tun gegen solche Trends? Kommunen sollten eigenes Infomaterial herausgeben und vor allem „selbst ein Vorbild sein“, sagt Peter Menke. Er schlägt zudem vor, die Dach- oder Hinterhofbegrünung zu fördern. Und auch Wettbewerbe wie „Mein schönster Vorgarten“ könnten Anreize schaffen, mehr zu pflanzen.
Das Baurecht könnte eine Stellschraube sein
Auch das Baurecht ist eine Stellschraube: In den Bebauungsplänen für Neubauten könnten Artenschutz, Klimaschutz, Hochwasserschutz festgelegt und Schottergärten verboten werden. Für die rebellische Garten-Guerilla hat Axel Huckfeldt noch einen Tipp: Seedbombs (kleine Saatbeutelchen) in die Kieswüsten werfen. Nachts natürlich, wenn es keiner mitkriegt...
Was insbesondere für die Baumschuler selbst von Bedeutung ist: Es geht bergauf mit ihren Betrieben. Auch das ist ein Ergebnis der Mitgliederversammlung Gartenbauzentrum in Ellerhoop, für die Firmenchefs vielleicht sogar das wichtigste. Der Verbandsvorsitzende Axel Huckfeldt berichtet von einem steigenden Absatz durch eine lebhafte Nachfrage nach dem gesamten Sortiment: „Momentan erzielen wir für unsere Gehölze wieder bessere Preise.“
Kreisverwaltung lädt erstmals zu einer Strategiekonferenz
Ein anderer Ort, dasselbe Thema. Während drinnen im Kreishaus in Elmshorn etwa 100 Bürgermeister, Kommunalpolitiker und Stadtplaner mit Experten über die Anpassung der Bauleitplanung in Städten und Gemeinden diskutierten, hat der starke Regen in den vergangenen Tagen draußen die Wiesen in Seen verwandelt. „Wir müssen umdenken und anders planen“, sagt Gastgeber Holger von Thun als Leiter des Fachdienstes Umwelt.
Zum ersten Mal hat er Fachleute, Politiker und Planer zu einem großen kommunalen Workshop eingeladen, um gemeinsam über die Stadt-, Orts- und Bauleitplanung der Zukunft zu beraten, Hintergrund sind zunehmende Spuren der Klimaveränderung wie Starkregen, Hochwasser, steigende Meeresspiegel, Dürreperioden und Wassermangel auch im Kreis Pinneberg.
„Ich erhoffe mir hier Anregungen für unsere neuen Baugebiete, die wir ausgeschrieben haben“, sagt Heidgrabens SPD-Fraktionschef Lothar Kahnert. Kummerfelds Bürgermeisterin Erika Koll (SPD) erwartet weitere gute Argumente für ihr Vorhaben, einen Klimaschutzbeauftragten für die Dörfer des Amtes Pinnau einzustellen. Ellerbeks Bauausschussvorsitzender Heinz-Martin Timm (CDU) will Anregungen für das geplante Neubaugebiet Hasenheide mit nach Hause nehmen. T
homas Langmaack vom Landesbetrieb Küstenschutz ist extra aus Husum gekommen, um sich Anregungen für sein Fachgebiet des Hochwasser-Risiko-Managements zu holen. Und Burkhart Gruber vom Ingenieurbüro Reese und Wulf setzt auf „Schützenhilfe, wie wir angesichts des Klimawandels die Entwässerungssysteme der Zukunft planen wollen.“ Dazu sollten unbedingt sogenannte Retentions-Gründächer gehören, die das Regenwasser in größeren Mengen aufnehmen, absorbieren und verdunsten lassen können, ohne dass es die Regenwasserkanäle weiter überlaste.
Zu viele Flächen im Kreis Pinneberg sind versiegelt
Sie alle sollen nicht enttäuscht werden von der Veranstaltung. Denn eines der Hauptprobleme im mit 315.000 Menschen dicht besiedelten und stark zersiedelten Kreis Pinneberg ist demnach offenbar, dass das Regenwasser bei den vielen versiegelten Flächen oft nicht mehr versickern kann und so die Regenwasserkanäle vielerorts bei starken Regenfällen überlaufen, erklärt von Thun. „Die Gewässer sind schon voll, und auch die Regenrückhaltebecken reichen nicht mehr aus.“ Das führe bereits dazu, dass gleichzeitig der Grundwasserspiegel sinke, der ja das Reservoir unseres Trinkwassers für die nächsten Jahrzehnte darstellen solle, warnt Thomas Grabau (Grüne), Vorsitzender des Kreis-Umweltausschusses.
Erste gute Ansätze gibt es bereits. In Elmshorn werde gerade ein neues Gewerbegebiet mit diesen wasserschluckenden Gründächern geplant, kündigt Ingenieur Gruber an, dessen Büro jedes Jahr kreisweit etwa ein Dutzend B-Pläne für die Kommunen ausarbeitet. „Solche Gründächer sollten in den B-Plänen als Vorgabe festgeschrieben werden.“ Zudem plane die Krückaustadt gemeinsam mit Umlandgemeinden, wie bei einem Neubaugebiet das Abfließen des Regenwassers so geregelt werden kann, dass es nicht zu dieser Überlastung kommt, lobt Fachdienstleiter von Thun. „Wir erwarten hier konkrete Hinweise, wie wir das umsetzen können“, sagt Thomas Beiersdorf von der Elmshorner Stadtentwässerung.
In Uetersen sollte jetzt auf Vorschlag der SPD neuen Häuslebauern vorgeschrieben werden, die Hälfte ihrer Grundstücke nicht zu bebauen und keine Gärten mehr mit Kies und Schotter zu versiegeln, um so mehr Versickerungsfläche offen zu halten, sagt Fraktionschef Ingo Struve. Doch trotz Unterstützung der Grünen fand dieser Antrag noch keine Mehrheit. Jetzt will die SPD dort 1200 Flyer an Gartenbesitzer verteilen, um zumindest den zunehmenden Trend zu stoppen, dass immer Gärten gepflastert werden.
Hohe Schäden durch Starkregen
In Hamburg-Fischbek würden erste Multifunktionsplätze in Baugebieten geplant, erklärt Fachdienstleiter von Thun. Spielplätze bleiben komplett unversiegelt, können bei Starkregen volllaufen. „Die Kinder können dann kurzzeitig dort nicht mehr spielen. Aber die Kanalnetze werden nicht überlastet.“
Denn die immer häufiger auftretenden Starkregenfälle verursachten auch hierzulande erhebliche Schäden, führt Tim Peters von der Provinzial Versicherung aus. Von 2002 bis 2017 hätten demnach 54.000 Starkregenfälle einen Gesamtschaden von landesweit 160 Millionen Euro verursacht. Auch im Kreis Pinneberg sei jedes 22. Haus davon betroffen gewesen.